Die Buchstaben für einen Tweet sind schnell getippt und oft genauso schnell wieder vergessen. Doch ein Teil der Äusserungen in sozialen Medien hallt länger nach, beschäftigt gar die Justiz. Eine Erfahrung, die auch ein Student um die 40 machte, nachdem er im Juli 2016 auf Twitter seinen Unmut über Andreas Glarner kundgetan hatte. In einem griechischen Flüchtlingslager hatte sich der Aargauer SVP-Nationalrat mit einem Baby fotografieren lassen.
Im Titel des «Blick»-Artikels ein Zitat Glarners: «Wir müssen mehr helfen.» Den Auftritt des politischen Hardliners in der Boulevardzeitung kommentierte der Zürcher mit den Worten: «Andreas Glarner zeigt in den Medien ungehemmt seine Pädophilie: Wo bleibt da die Empörung von Natalie Rickli?» Ein Tweet, der ihm eine Anzeige des SVP-Nationalrats, einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft wegen übler Nachrede und daraufhin ein juristisches Verfahren einbrachte, das nun mit dem Entscheid des Bundesgerichts ein Ende findet.
Bevor sich allerdings die obersten Richter des Landes mit dem Werk des eifrigen Twitterers auseinandersetzen mussten, war es bereits zu zwei Prozessen vor unteren Instanzen gekommen. Bei der Verhandlung im März 2017 am Bezirksgericht Bremgarten verteidigte sich der Beschuldigte selbst und mit der Aussage: «Es war ein Witz, ein schlechter Witz.» Der Beschuldigte vermochte damit jedoch eine Verurteilung wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse nicht abzuwenden.
Das Aargauer Obergericht, vor dem sich der Mann dann doch noch von einer Anwältin vertreten liess, bestätigte zwar den Schuldspruch, senkte aber die Busse von 400 auf 300 Franken und halbierte die Geldstrafe von 60 auf 30 Tagessätze. Das reichte dem Beschuldigten nicht, er verlangte vor Bundesgericht einen Freispruch. Sein Hauptargument: Beim Tweet handle es sich um eine satirische Überzeichnung.
Doch die Bundesrichter sehen in der Äusserung eine Diffamierung Glarners, aber keine Satire. Nicht ersichtlich sei «ein über den Vorwurf der Pädophilie hinausgehender Sinngehalt». Zu dieser Einschätzung trägt auch die Plattform bei: Der Twitter-Account vermöge – im Unterschied etwa zu einer Satirezeitschrift – der Aussage keine humoristische Komponente zu verleihen. Kurz: Für den Durchschnittsleser sei keine satirische Äusserung erkennbar gewesen.
Auch der Einwand des Beschuldigten, Andreas Glarner gehe seinerseits nicht zimperlich mit Leuten um, die eine andere politische Meinung vertreten, überzeugt das Bundesgericht nicht. Damit lasse sich der ehrverletzende Vorwurf der Pädophilie nicht rechtfertigen, halten die obersten Richter fest. Ihr Urteil fällt deutlich aus: Sie bestätigen den Entscheid des Aargauer Obergerichts, weisen die Beschwerde ab und verrechnen die Gerichtskosten von 3000 Franken dem unterlegenen Twitterer.