Nach drei Männern hat am Montag die erste Frau ihre Bewerbung um die Nachfolge von Ueli Maurer eingereicht. Die Nidwaldner Finanzdirektorin Michèle Blöchliger sprach an ihrer Medienkonferenz auch über ihre familiäre Herkunft. Darüber, dass sie wegen der beruflichen Tätigkeit ihres Vaters zum Teil in Deutschland in die Schule gegangen sei. Und dass Englisch ihre zweite Muttersprache sei, da ihre Mutter aus England stamme.
Auf den Hinweis eines Journalisten, dass sie gemäss Wikipedia auch die britische Staatsbürgerschaft besitze, sagte Blöchliger:
Damit war das Thema erledigt. Also eine Ente des Online-Lexikons? Auf Wikipedia wurde die Information über die Nationalität mit einer Quelle belegt. Und diese ist: Die eigene Homepage von Michèle Blöchliger, wie folgender Screenshot zeigt:
So sah die Homepage aus, als der Wikipedia-Beitrag erstellt wurde. Aktuell fehlt auf der Homepage «GB» (Grossbritannien). Zumindest 2021 standen aber noch beide Nationalitäten dort; darauf berief sich der Wikipedianer, welcher ihren Eintrag gemacht hatte.
Blöchligers Dementi gibt in der Wikipedia-Community zu reden. Einer schreibt: «Logisch hat sie dementiert. Für eine SVPlerin ist es doch geradezu rufschädigend, keine 100-Prozent-Schweizerin zu sein...» Jener Wikipedianer, der Blöchligers Eintrag einst erstellt hat, meldete sich ebenfalls zu Wort. «Es gibt jetzt eine Pressekonferenz auf Youtube, in der gesagt wird, dass Wikipedia falsch liegt. Das stört mich.» Denn die Angabe sei mit Quelle belegt gewesen.
Erinnerungen an die Kandidatur von FDP-Bundesrat Iganzio Cassis werden wach. Er besass bis zu seiner Kandidatur 2017 auch den italienischen Pass. Den gab er dann ab. Das begründete Cassis so: «Als ich mich entschieden habe, mich für die Bundesratswahl zur Verfügug zu stellen, habe ich aber auf die italienische Staatsbürgerschaft verzichtet.»
Auch Cassis' Kontrahent Pierre Maudet hatte eine zweite Staatsbürgerschaft, die französische. Das gab ebenfalls zu reden. Eine Zeitung fragte: «Darf ein Schweizer Bundesrat auch eine zweite Staatsbürgerschaft haben?»
Wie kommt es, dass das «GB »von der Homepage von Blöchliger verschwunden ist? Ein Wikipedianer hat die SVP-Kandidatin direkt angefragt. Ihre Antwort liegt CH Media vor. Sie schrieb, Wikipedia sei «nicht mehr aktuell». Sie habe tatsächlich einmal beide Staatsbürgerschaften bzw. Pässe gehabt, doch das sei schon eine Weile her. Sie besitze «seit vielen Jahren keinen britischen Pass mehr».
Somit schien klar sein, dass die (vermeintliche) Abgabe des Passes - anders als damals bei Cassis - keinen unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Bundesratskandidatur hat.
Doch am Dienstagabend kam aus: Es ist nochmals anders! Nun teilte Blöchliger mit, sie besitze tatsächlich noch immer die britische Staatsbürgerschaft. Doch der Pass sei seit über zehn Jahren abgelaufen; nach dem Tod ihrer Mutter habe sie keinen neuen ausstellen lassen, sagte sie den Tamedia-Portalen. Auf die britische Staatsbürgerschaft als solche habe sie aber nie formell verzichtet. «Ich muss davon ausgehen, dass ich die Staatsbürgerschaft immer noch habe.» Sie entschuldigte sich bei Wikipedia für ihre anfänglichen Aussagen.
Mit Blöchliger kandidiert also eine Doppelbürgerin für den Bundesrat. Das ists rechtlich kein Problem. Politisch in der SVP womöglich aber schon: Der heutige Parteipräsident Marco Chiesa forderte damals im Fall Cassis mit einer parlamentarischen Initiative, Bundesräte dürften keine zweite Staatsbürgerschaft haben. Die Initiative scheiterte.