Die Schweiz lässt sich von Terroristen nicht erpressen. Das beteuert der Bundesrat stets, wenn es um Lösegelder bei Entführungen geht. Doch so standhaft scheint die Schweizer Regierung gar nicht zu sein.
Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) sagte der «NZZ am Sonntag»: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden.» Diese Aussage löst Kritik aus. «Eitelkeit», twitterte Mitte-Präsident Gerhard Pfister. «Unnötig und nicht besonders klug», findet Fabian Molina (SP), der wie Pfister in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats ist.
Die Eitelkeit eines ehemaligen Bundesrats (der unter Beachtungsentzug leidet) hat möglicherweise das Potential, das Risiko der Geiselnahme von Schweizern/innen zu erhöhen. Verstehe nicht, warum die @NZZaS sich dafür hergibt. https://t.co/fA7tlZASCr
— Gerhard Pfister (@gerhardpfister) February 7, 2021
Auf Nachfrage der CH-Media-Zeitungen betont Leuenberger das Wort «wohl» und sagt: «Während meiner Amtszeit wurden im Bundesrat nie Lösegeldzahlungen beschlossen. Das habe ich im Interview auch nicht gesagt. Manchmal ist aber zu vermuten, dass via andere Kanäle wohl etwas geflossen sein könnte.»
Trotzdem verneine man dies, und das sei eine legitime Lüge. Natürlich ist diese Strategie nachvollziehbar: Die Regierung möchte sich nicht als zahlungswilliger Staat geben, um keine finanziellen Anreize für Entführungen zu setzen.
Schweizer Bürger, die zum Beispiel humanitäre Einsätze in Krisen- oder Kriegsgebiete leisten, dürfen keine Zielscheibe sein für Terroristen und Kidnapper. Der Kampf gegen Entführungen zwecks Lösegelderpressung sei eine Priorität der Schweizer Aussenpolitik, hält der Bundesrat fest.
Bereits in seinem Buch «Lüge, List und Leidenschaft» habe er die weltweite Praxis, bezahlte Lösegelder in Abrede zu stellen, geschildert und auch legitimiert, sagt Leuenberger. Dieses Buch ist noch während seiner Amtszeit erschienen. «Auch in mittlerweile zahlreichen Reden habe ich dieses Beispiel immer wieder gebracht», so Leuenberger. Was auch stimmt, wie eine Recherche in Medienarchiven zeigt.
Also alles nur alter Kaffee? «Dass jetzt dieses Interview vermehrte Aufmerksamkeit erhält, kann ich mir nur mit der Zuspitzung auf der Frontseite und der Verkürzung in anderen Medien erklären», sagt der frühere SP-Magistrat. Tatsächlich hat Leuenberger kein grosses Geheimnis gelüftet. Wie die «New York Times» bereits im Jahr 2014 recherchierte, hatte die Terrororganisation Al-Kaida durch Entführungen seit 2008 über 100 Millionen Dollars von europäischen Regierungen eingenommen. Von der Schweiz waren es in dieser Zeit 12.4 Millionen Dollars.
Laut «New York Times» ist Europa somit einer der bedeutendsten Geldgeber der Al-Kaida. Die USA und Grossbritannien sind gemäss der Untersuchung strikter und bezahlen keine Lösegelder – deren Bürger, die in Geiselhaft geraten sind, kommen entsprechend weniger häufig frei oder werden hingerichtet, so die Zeitung. Das Geheimnis mag also nicht so geheim gewesen sein.
Doch die Aufmerksamkeit, die es nun erhält, und die öffentliche Debatte sind neu. Bleibt die Frage, warum der ehemalige Bundesrat ausgerechnet jetzt mit einem prominenten Auftritt den Staat der Lüge beziehungsweise der Notlüge überführt und ihn derart in Verlegenheit bringt.
Der Bund gibt sich bei dem Thema kurz angebunden. Auf Anfrage teilt das zuständige Aussendepartement mit: «Wir kommentieren die persönlichen Äusserungen eines ehemaligen Bundesrates in den Medien nicht.» Die Haltung der Schweiz bleibe konstant: «Sie zahlt kein Lösegeld.» (bzbasel.ch)
Beim ersten Mal und auch bei der nachfolgenden *Präzisierung*
Die Schweiz hat keine Möglichkeit fern der Heimat militärische Operationen zur Befreiung von Geiseln zu unternehmen. Länder wie F, GB, USA od. ISR machen dies und ist Teil ihrer Aussenpolitik. Aber sogar diese zahlen teilweise, weil's einfacher ist.
Wenn alle nciht zahlen würden, würde es schlicht keine Entführungen geben.
Es ist nicht schön aber die Realität.