Und wieder werden sie Stossstange an Stossstange stehen, kilometerlang – wer über Ostern in den Süden will, der muss sich zunächst in Geduld üben. Vor allem vor dem Gotthard-Strassentunnel gehört der Stau mittlerweile genauso zu den Festtagen wie die Eiersuche oder das «Urbi et orbi» des Papstes.
Nachdem die allseits beliebte Reise ins Tessin wegen Corona 2020 und 2021 mehrheitlich ins Wasser gefallen war, herrschte bereits vergangenes Ostern offensichtlich viel Nachholbedarf. Vor dem Gotthard bildete sich ein Stau von 22 Kilometern, bis zu dreieinhalb Stunden betrug die Wartezeit. Diese Staumarke wurde gemäss dem Verkehrsinformationsdienst Viasuisse nur 1998 übertroffen, als ein heftiger Wintereinbruch für chaotische Zustände am Gotthard und 25 Kilometer Stau sorgte.
In diesem Jahr könnte diese wenig ruhmreiche Bestmarke gar gebrochen werden: Gemäss Viasuisse und dem TCS deutet vieles auf einen Rekordstau hin. Aus folgenden Gründen:
Bereits heute Mittwoch staute es sich vor dem Gotthard erstmals, 5 Kilometer waren es um ca. 13 Uhr. Die grösste Reisewelle Richtung Süden ist gemäss TCS aber am Gründonnerstag zu erwarten. Dann sei bereits «frühmorgens vor 8 Uhr mit dem Staubeginn zu rechnen». Mit dem Höhepunkt der Blechlawine sei dann zwischen 12 Uhr und Mitternacht zu rechnen, wobei sich der Stau vor dem Nordportal in Göschenen wahrscheinlich gar nie auflösen werde.
Schon in der Vergangenheit waren Gründonnerstag und Karfreitag die mit Abstand staureichsten Tage am Gotthard, wie unsere aktuelle Staurecherche zeigt. In der Schweizer Mediendatenbank SMD haben wir sämtliche Staulängen am Gotthard seit 1987 aus Zeitungsartikeln und Presseberichten herausgesucht. Weiter zurückliegend war dies aufgrund fehlender Angaben nicht mehr möglich.
Die Daten zeigen, dass sich bereits in den 1980er-Jahren, als das durchschnittliche Verkehrsaufkommen noch deutlich tiefer lag als heutzutage, die Blechlawinen zu Osterbeginn aufzustauen begannen. Der Grund ist schnell gefunden: Der nur einspurig befahrbare Tunnel kann lediglich eine bestimmte Fahrzeugzahl schlucken – pro Stunde rund 1000 Autos und 150 Lastwagen. Schon 1987 wurde dieses Maximum am Karfreitag mit 27'134 Fahrzeugen beinahe ausgereizt.
Die Staulänge hängt aber nicht nur von der Anzahl der Fahrzeuge, sondern noch von weiteren Faktoren ab. Eine grosse Rolle spielt das Wetter. Unerwartete Wintereinbrüche vor dem Nordportal können den Stau schnell in die Länge ziehen, schlechte Wetterprognosen im Süden bewirken genau das Gegenteil. Auch Unfälle vor dem oder im Tunnel haben einen grossen Einfluss, genau wie der Ostertermin. Je später die Festtage im Jahr liegen, desto grösser die Chance auf gutes Wetter im Süden, was sich wiederum auf das Verkehrsaufkommen auswirkt.
Der Blick auf die Statistiken zeigt aber vor allem eines: In den letzten 35 Jahren konnte nur die Pandemie den Osterstau aufhalten. Ansonsten war er – mal etwas länger, mal etwas kürzer – immer da.