Eigentlich wollte Peter Hegglin bei seinen Bienen den Honig holen, ihn schleudern und in Gläser abfüllen. «Hungen», wie er sagt. Doch an diesem regnerischen Morgen in Edlibach, oberhalb von Zug, bleiben die Bienen in ihren Kästen. Keine gute Voraussetzung, um Honig zu ernten.
Der Mitte-Ständerat ist am Zugerberg aufgewachsen. Am Esstisch in seiner grosszügigen Stube zückt er ein altes Schwarz-Weiss-Foto: Es zeigt seine Urgrosseltern vor dem Bauernhaus. Schon sie betrieben hier Landwirtschaft und imkerten wie später auch sein Grossvater, Vater und nun er selbst. Von 1987 bis 2002 führte er den Betrieb, der auf Gemüseproduktion ausgerichtet war, stellte auf Bio um. Mit der Wahl in die Zuger Regierung gab er den Hof auf, verpachtete das Land und widmete sich Vollzeit der Politik.
Der Landwirtschaft ist Peter Hegglin verbunden geblieben, als Präsident der IG Zuger Chriesi und als Mitglied von zwei regionalen Imkerverbänden. Doch imkern tut er noch immer – als Ausgleich zum Politikalltag, wie er sagt.
Trotz Regen will der 63-Jährige gleich bei seinem Bienenhaus am Waldrand vorbeischauen, um zu sehen, welche Arbeit ihn in den nächsten Tagen erwartet. Ihm graut es bereits davor, Melezitosehonig – auch Zementhonig genannt – vorzufinden: Diesen auskristallisierten Waldhonig bringt man kaum aus der Wabe. Das bedeutet (wörtlich) harte Arbeit oder gar eine verlorene Honigernte.
Mit achtzehn Jahren machte er den Grundkurs zum Imker. Selber Bienen zu halten begann er vor zweiundzwanzig Jahren. «Als mein Vater starb, wollte ich einfach, dass es weitergeht», sagt Hegglin. Heute hält er 14 Wirtschaftsvölker.
Früher habe praktisch jeder Hof auch Bienen gehalten. Das sei heute anders, sagt Hegglin. Seit Varroamilben in den Bienenstöcken bekämpft werden müssen, sei Imkern zeitaufwendiger und teurer geworden. Zudem fielen die Produktionsspitzen in der Landwirtschaft mit der intensiven Imkerzeit zusammen. Lediglich jeder zwanzigste Bauer hält heute noch Bienen, bestätigt auch das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung Agroscope.
Mit einem grossen Regenschirm geht Hegglin einen Pfad zum Wald hinunter, wo sein Bienenhaus steht, ein unscheinbares Holzhäuschen mit Wellblechdach. Erst die farbigen Fluglöcher Richtung Wald geben einen Hinweis, wer darin wohnt. «Bei schönem Wetter würden die Bienen überall rumschwirren», sagt Hegglin.
Die meisten Leute, die imkern, tun dies – wie Hegglin – als Hobby. Ein Grund dafür sei auch, dass Imker heute kaum Unterstützung erhielten. Um das zu ändern, sei die Biodiversitätsinitiative aber der falsche Weg, sagt Hegglin. Sie schaffe lediglich zusätzliche, unnötige Auflagen. Es ist eine Haltung, die auch der Präsident des Bauernverbands und Mitte-Nationalrat, Markus Ritter, vertritt.
Anders halten es die Mitte-Frauen. Sie haben entgegen der Gesamtpartei die Ja-Parole gefasst. Christina Bachmann-Roth, Präsidentin der Mitte-Frauen, sagt: «Wir wollen mit der Initiative unsere Lebensgrundlage schützen und damit auch die Grundlage der Landwirtschaft. Auf keinen Fall wollen wir die Bauern angreifen.»
«Die Bauern spielen eine ganz wichtige Rolle, dennoch ist es nicht alleine an ihnen, zu definieren, was Biodiversität ist», sagt Bachmann-Roth. Erstens seien alle davon betroffen. Zweitens finanziere die Allgemeinheit die Landwirtschaft mit Direktzahlungen mit: «Deshalb spricht die Bevölkerung bei den Bedingungen mit, und für die Bauern muss sich ihr Engagement für die Biodiversität lohnen.»
Das sieht Hegglin anders. «Ich bin grundsätzlich gegen zusätzliche Auflagen für die Landwirtschaft.» Zu oft werde verkannt, wie viel die Landwirte schon jetzt, zum Teil auch freiwillig, für die Biodiversität täten. Auch gebe es mit der beschränkten Zahl an Tieren pro Fläche, dem reduzierten Einsatz von Antibiotika oder dem Absenkpfad für Pflanzenschutzmittel und Nährstoffe genügend funktionierende Instrumente, um die Branche zu regulieren.
Verärgert über all die Auflagen, half Hegglin im Frühling auch mit, die Forderung nach 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf Äckern zu versenken. Damit handelt der Mitte-Ständerat wie viele Initiative-Gegner in der Landwirtschaft: Er betont, wie viel Sinnvolles die Bauern bereits für die Biodiversität tun, und verhindert zugleich, dass diese Tätigkeiten anerkannt, institutionalisiert und finanziell gefördert werden.
Dass gemäss Roter Liste der gefährdeten Arten 45 Prozent der Wildbienen gefährdet sind, will Hegglin nicht zwingend auf eine Krise der Biodiversität zurückführen. Wer sich mit der Natur beschäftige, stosse immer wieder auf Unerklärliches, sagt er. «Vielleicht sind es auch die Lichtimmissionen, die den Insekten schaden.» Nicht zuletzt beklage sich auch niemand darüber, dass es heute weniger Mücken, Fliegen und Bremsen gebe.
Im Bienenhaus zieht Hegglin das Imkerhemd über, einen Schleier trage er praktisch nie, sagt er. Er zündet ein Räucherholz an. «Der Rauch bewirkt, dass die Bienen zu den Waben fliegen.» Die Tiere bleiben ruhig. «Das bedeutet, dass sie gut genährt und gesund sind, sonst sind sie stechwütiger.»
Trotzdem setzt sich Hegglin im Parlament für die Bienen ein. Zusammen mit der Grünen-Nationalrätin Delphine Broggini Klopfenstein hat er einen Vorstoss eingereicht, um die Imkerinnen und Imker zu unterstützen und die Bestäubung durch Wildbienen und Bienen sicherzustellen.
Der Vorstoss verlangt, das Monitoring und den Schutz von Honig- und Wildbienen auszubauen, die Forschung zur Bestäubung und zum Schutz von Bestäubern zu stärken und die Verbände durch Leistungsaufträge zu unterstützen. Es sind ähnliche Forderungen, die bereits der Gegenvorschlag der Initiative gestellt hatte. Auffällig an Hegglins Vorstoss: Das Wort Biodiversität kommt darin nicht vor.
Das sei auch Absicht gewesen, sagt er. Gehe es im Parlament darum, mit einem Vorstoss Erfolg zu haben, müsse dieser möglichst breit abgestützt sein. «Biodiversität ist ein Reizwort», erklärt er. Daher habe man darauf verzichtet. So habe ihn letztlich auch der Bauernverband unterstützt. Sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat haben der Motion zugestimmt.
«Für den Vorstoss haben wir jedes Wort genau abgewogen», sagt Markus Michel. Der Obwaldner Imker hat den Vorstoss mitberaten. Er ist beim Dachverband Bienen Schweiz für Bildung und Bienenprodukte verantwortlich. Er persönlich unterstützt die Biodiversitätsinitiative, da sie die Rahmenbedingungen für alle Bienen verbessern würde.
Die verschiedenen Mitglieder bei Bienen Schweiz seien sich indes uneins, sagt Michel, und erklärt: Beim Dachverband seien sowohl Uniprofessoren wie Landwirte, konventionell und alternativ Denkende dabei. «In diesem Verband sind sie vereint durch das Imkern.» Peter Hegglin sei ein Paradebeispiel dafür, wie man trotz unterschiedlicher politischer Positionen einen Weg finden könne, sich für Bienen einzusetzen.
Sein Arbeitgeber hat darauf verzichtet, eine Parole zu fassen. In einem Interview mit dem verbandseigenen Magazin «Bienen-Zeitung» erklärte der Zentralpräsident, Martin Schwegler: Um auch als Brückenbauer zwischen der Landwirtschaft und der Biodiversität zu fungieren, gelte es, mit verschiedenen Haltungen im Gespräch zu bleiben - und im Falle der Biodiversitätsinitiative: zu schweigen.
Was Hegglin an der Initiative zudem stört: Sie verlangt, das baukulturelle Erbe und Ortsbilder noch stärker zu schützen. Jeder, der schon einmal gebaut oder renoviert habe, wisse, wie hoch die Auflagen bereits heute seien. «Die Initiative verunmöglicht letztlich sinnvolle Renovationen und Bauvorhaben.» Die Mitte-Frauen-Präsidentin, Bachmann-Roth, hält dagegen: Der Initiativtext beziehe sich einzig auf schützenswerte Ortsbilder, die es zu erhalten gelte.
Als Hegglin in alle vierzehn Bienenkästen hineingeblickt hat, sind seine Befürchtungen bestätigt: In den Waben ist viel Zementhonig. Im Parlament kann der Imker die Politik mitgestalten, im Bienenhaus ist er der Arbeit seiner Tiere ausgeliefert.
Doch, viele Naturschützer beklagen sich darüber, weil es deshalb immer weniger Vögel gibt. Und genau so geht Biodiversität verloren. Und das alles beginnt mit industrieller Landwirtschaft und Pestiziden.
JA zu die Biodiversitätsinitiative.
Aber von Hr. Hegglin hätte ich etwas differenziertere Kontra-Argumente erwartet.