Tierärzte fordern Chip-Pflicht für alle Katzen und Kastration von Streunerkatzen
Rund zwei Millionen Katzen mit einem Zuhause leben in der Schweiz. Zusätzlich gibt es eine grosse Anzahl an halterlosen Katzen. Während für Hunde eine Chip-Pflicht gilt, müssen Katzen nicht registriert werden. Nur rund 30 bis 40 Prozent der Katzen mit Halterinnen sind freiwillig registriert worden.
Das wollte Nationalrätin Meret Schneider im Dezember 2024 mit einer Motion ändern und eine Registrierungspflicht für Katzen einführen. Dafür war der Bundesrat, doch das Parlament lehnte die Motion im vergangenen Mai ab.
Chip für alle Katzen
Jetzt hat sich die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) eingeschaltet. Sie empfiehlt die Einführung einer nationalen Chip- respektive Registrierungspflicht für alle Katzen. Die Registrierungspflicht würde gemäss den Tierärzten zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Halterinnen oder Halter einer gechippten Katze könnten schnell kontaktiert werden, wenn das Tier vermisst und gefunden wurde. Damit wäre auch die Finanzierung einer allfälligen medizinischen Behandlung im Notfall gesichert, die heute oft zu Lasten der Tierärzte geht – und im seltenen Fall auf Kosten des Finders.
Gemeinden und Organisationen würden Kosten sparen, die für die Betreuung streunender Katzen anfallen. Die Chip-Pflicht würde gemäss den Tierärztinnen auch dazu führen, dass die eine oder der andere eine leichtfertige Anschaffung einer Katze vielleicht nochmals überdenken würde.
Der Chip könne auch dabei helfen, dass mit einer modernen Katzentüre nur noch die eigene Katze Einlass ins Haus hat. Die Tierärzte betonen, dass das Chippen ein schneller und nahezu schmerzloser Vorgang sei.
Registrierungspflicht reicht nicht aus
Ebenfalls vor einem Jahr reichte Meret Schneider eine weitere Motion ein. Mit dieser soll die übermässige Vermehrung von Streunerkatzen eingedämmt werden. Darin wird gefordert, dass Tierhalter alle männlichen und weiblichen Hauskatzen, die nach draussen dürfen, kastrieren lassen müssen.
Auch die Tierarzt-Gesellschaft ist der Meinung, dass die reine Chip-Pflicht nicht ausreicht, um die Streunerpopulationen einzudämmen. Allerdings sind sie trotzdem nicht ganz gleicher Meinung wie die Motionärin: «Eine Kastrationspflicht für alle Freigängerkatzen könnte dazu führen, dass Halterinnen und Halter, die sich Katzennachwuchs wünschen, ihre Katzen nicht mehr ins Freie lassen würden» sagt Sarah Prasse von der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte. Dies wäre aus Gründen des Tierschutzes und des Tierwohls fragwürdig.
Zudem könnte dies die genetische Vielfalt und damit die Entwicklung einer gesunden Katzenpopulation einschränken: Katzen würden nur noch kontrolliert gezüchtet werden, die zufällige Paarung von Freigängern würde entfallen.
Auch könnte es sein, dass der Import von Katzen zunehmen würde, da der Bedarf an Katzen durch inländische Zucht wohl nicht gedeckt werden würde. «Daher ist es sinnvoll, den Tierhaltenden eine Wahl zu lassen», sagt Prasse. Dieser Meinung ist auch der Bundesrat, der die zweite Motion von Schneider deshalb abgelehnt hat. Das Parlament wird noch darüber befinden.
Die Tierarzt-Gesellschaft fordert aber eine Kastrationspflicht nur für Streunerkatzen. «Wer seine Katze chippen lässt, hat keine Kastrationspflicht.». Die Katze kann weiterhin Freigang geniessen und es ist die Entscheidung der Tierhalterin, ob sich die Katze reproduzieren kann. Katzenhalter, die dies übermässig zulassen, könnten aufgrund des Chips einfach identifiziert, ans Veterinäramt gemeldet und allenfalls gemahnt oder bestraft werden.
Die Kastration hätte grosse Vorteile für andere Wildtiere, die wegen des Killerinstinkts der Katzen leiden. Einer 2011 publizierten Studie zufolge werden pro Frühlingsmonat in der Schweiz im Durchschnitt 1,8 Millionen Säugetiere und 0,2 Millionen Vögel von Katzen erbeutet. Hauskatzen bedrohen insbesondere bodennahe, siedlungsnahe und ohnehin gefährdete Arten wie Amphibien, Reptilien, Fledermäuse und bestimmte Vögel – was lokal sogar zum Erlöschen ganzer Populationen führen kann.
Um unerwünschten Nachwuchs zu vermeiden, sollten Katzen in den ersten acht Monaten kastriert werden. Das reduziere die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten. Die Tierärzte sagen, fälschlicherweise sei die Annahme verbreitet, dass eine Kastration die Tiere dick und faul mache sowie ihre Persönlichkeit oder Jagdverhalten verändere. Wahr davon sei nur, dass das Risiko für Übergewicht deutlich erhöht werde. Das könne durch Futterumstellung und Reduktion sowie Aktivierung aber verbessert werden.
Katzen-Pille ist keine Alternative zur Kastration
Doch wäre eine Kastration von ungechippten Katzen überhaupt möglich? «Bereits heute führen Tierschutzorganisationen in der Schweiz regelmässig Kastrationsaktionen durch: sie greifen halterlose und verwilderte Katzen auf», sagt Prasse. Diese Aktionen würden weitergeführt. Mit der Zeit wäre der Grossteil der Streunerkatzen kastriert, sodass keine unkontrollierbare Vermehrung dieser Populationen mehr möglich wäre.
Tatsächlich gibt es noch eine andere Möglichkeit als die Kastration, die Katzen-Pille. Doch die Tierärzte lehnen diese aus Gründen des Tierschutzes und der Praktikabilität ab. «Einerseits kann die langfristige Gabe zu schweren Komplikationen führen und andererseits müssten diese Katzen eine solche Pille regelmässig, das heisst wöchentlich erhalten», sagt Prasse. Gerade bei Streunerkatzen sei dies kaum umsetzbar. «Zudem bietet die Kastration im Vergleich zur Pillengabe eine langfristige und nachhaltige Lösung für die Problematik der Streunerkatzen.»
Tierschutzorganisation will alle Freigänger kastrieren
Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten hält die Registrierungspflicht für dringend notwendig. «So kann Transparenz und Klarheit über die Herkunft und den Besitz von Katzen geschaffen werden», sagt Chantal Häberling von Vier Pfoten.
Im Gegensatz zu den Tierärztinnen und Tierärzten will die Organisation aber eine Kastration von allen freilaufenden Katzen. «Eine Katze kann pro Jahr mehrere Würfe mit mindestens drei Kätzchen grossziehen, die wiederum nach einem halben Jahr selbst für Nachwuchs sorgen», sagt Häberling. So geht die Zahl der Nachkommen von nur einer Katze nach nur wenigen Jahren in die Tausende.
Das Ergebnis seien immer mehr Streunerkatzen, die meist ein elendes Leben fristeten. «Nur durch eine konsequente Kastration aller Freigänger kann das Leid von Streunerkatzen nachhaltig verhindert werden», sagt Häberling.
