Sie jault nachts laut wie ihre wilden Artgenossen im fernöstlichen Amur-Gebirge, sie kann Menschen angreifen. Für Vögel, für Reptilien und oftmals auch für Nachbars Büsi ist das Tier der pure Horror. Sprungstark wie es ist und als Jägerin hoch qualifiziert. Trotz allem: Die Bengalkatze ist das neuste Modetier der Schweiz.
Es gibt nicht nur zu viele Katzen, wogegen jüngst der Verein Klimaschutz Schweiz ein Katzenmoratorium verlangte – es gibt offenbar die falschen: Hybridkatzen mit einem Verhalten wie Raubtiere. Beissfreudige, jagdlustige Tiere, die nicht selten in den Siedlungen randalieren. Hybridtiere sind leicht zu definieren. In domestizierten Hauskatzen werden Wildkatzenarten eingezüchtet.
Wer Hybridkatzen hält, besitzt ein Stück rohe, unzivilisierte Wildheit im Einfamilienhausquartier. In der Bengalkatze lebt die asiatische Wildkatze wieder auf; die Savannah-Katze ist eine Kreuzung einer Hauskatze mit einer afrikanischen Kleinkatze, dem Serval, bis zu 20 Kilogramm schwer, man kann ihn in jedem Zoo, gut gesichert besuchen.
Zur Lage der Hybridkatzen existiert nun erstmals Zahlenmaterial in der Schweiz. Der Schweizer Tierschutz (STS) hat eine Umfrage bei Tierärzten in Auftrag gegeben. Die Resultate lesen sich dramatisch.
Die Zahlen werden Ende Jahr offiziell publik, dieser Zeitung liegen sie exklusiv vor. Arlette Niederer, Katzenexpertin des STS, fasst sie zusammen: «Auf die Frage: ‹Erachten Sie die Haltung von Hybridkatzen als problematisch?›, antworteten 100 Prozent der Tierärzte mit Ja.»
80 Prozent der Veterinärmediziner stellten in ihren Praxen eine Zunahme von Hybridkatzen fest. Wenn man bedenkt, wie gross der Anteil ländlicher Praxen ist, welche auf Nutzvieh spezialisiert sind, und wenn man miteinrechnet, dass überteuerte Hybridkatzen tendenziell ein städtisches Phänomen sind, lässt das Ergebnis keine Fragen offen: Der Hybridkatzen-Boom greift in der Schweiz um sich.
Auffallend in der Erhebung ist die kritische Einstellung der Ärzteschaft, die offenbar in ihrem Alltag durchs Band alle Ähnliches erleben: Über 80 Prozent der Tierärzte geben an, dass Hybridkatzen an rassespezifischen Erkrankungen beziehungsweise an Verhaltensauffälligkeiten leiden. Konkret heisst das: Die Tiere scheinen unverträglicher als andere Katzen gegenüber ihren Artgenossen zu sein - aggressiver, tendenziell unsauberer sowie mit einem starken Jagdtrieb und einem hyperaktiven Temperament ausgestattet.
Die Folgerung für das Handling in der Arztpraxis liegt auf der Hand. Laut STS berichten 85 Prozent der Tierärzte, die Katzen liessen sich kaum festhalten und müssen deshalb häufig schon bei kleinsten Routineuntersuchungen oder Blutentnahmen kurz sediert werden. Mehr als die Hälfte der Befragten erklären zudem: Auf ihrem Operationstisch lag bereits mehr als einmal eine Katze, die von Hybridkatzen ernsthaft verletzt worden war.
Doch die Attraktion der Tiere scheint ungebrochen. Es ist die Optik der Tiere, vermutet Arlette Niederer, die deren Besitzer anspricht. Die sozialen Medien tun das Übrige, die Werbung nutzt die Schönheit der wilden Tiere für sich. Wer sich eine Hybridkatze anschaffe, tue das oft uninformiert und mittels «Spontankauf im Internet».
Auch dem Tierschutzverein Vier Pfoten ist die Problematik der Hybridkatzen bekannt. Gemäss Yasmine Wenk, Kampagnen-Koordinatorin Haustiere, ergab eine Umfrage unter Bengalkatzen-Besitzenden: «Die häufigsten Verhaltensprobleme sind zerstörerische Verhaltensweisen, wie zum Beispiel das Zerkratzen von Mobiliar, wenn sich die Tiere langweilen und nicht jagen können.»
Man weiss bei der Bengalkatze aber auch von der «Pica», einer Fressstörung, «bei der die Katzen Gegenstände fressen, die nicht zum Futter gehören». Typisch sei zudem eine gesteigerte Aggression gegen andere Tiere und sogar Menschen, die im gleichen Haushalt leben. Yasmine Wenk sagt unmissverständlich: «Vier Pfoten und andere Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet sind sich einig, Hybridkatzen eignen sich als Haustiere nicht.»
Die Ansicht von Vier Pfoten und der Untersuchung des STS widerspiegelt die offizielle Schweizer Tierstatistik Identitas: Im Juli 2016 waren in der Schweiz erst 4499 Bengalkatzen registriert. Corona führte zu einer ersten Zunahme der Tiere, womit sich im Juli 2020 bereits 8742 Bengalkatzen offiziell in der Schweiz befanden. Wieder vier Jahre später, im Juli 2024, waren laut Identitas 14'380 Bengalkatzen gemeldet. Wer, wie der Tierschutz, damit rechnet, dass lediglich ein Drittel der Katzenhalter ihr Tier registrieren lässt, kommt auf eine denkwürdige Zahl.
Hochgerechnet könnten sich aktuell bis zu 45'000 Bengalkatzen in der Schweiz befinden. Mit zunehmendem Druck auf die Hauskatzen - und auf die Beutetiere der Hybridkatzen, auf Vögel, auf Amphibien. Selbst Hühner und Kaninchen sind vor Bengalkatzen nicht sicher. Dem unkontrollierten Marodieren dieser Tiere wollen Tierschutzorganisationen nun einen Riegel schieben. Man reagiert auf die Umfrageergebnisse. Noch entschiedener als bisher soll für die Registrierungspflicht für Hauskatzen in der Schweiz gekämpft werden.
Das Interesse der gezähmten Menschen am wilden Tier ist alt. Früher hielten sich Hollywoodstars Geparde, Panther oder weisse Tiger und führten sie im Blitzlichtgewitter in der Öffentlichkeit an der Leine spazieren. Heute ist man exklusiv, wenn man sich eine Caracat, den Miniatur-Puma leisten kann oder einen wolfsähnlichen Hund, einen Tschechoslowakischen Wolfshund, eine Kreuzung von Deutschem Schäfer und Karpatenwolf. Denn auch in der Hundewelt ist der Nervenkitzel, sich einen Hybridhund zu halten, gross.
Wie bei den Hybridkatzen befinden sich die wichtigsten Zuchtstätten der Hunde, die mit einem Wolf eingekreuzt sind, im Ausland. Der STS bezeichnet die Mehrheit davon als «sehr dubios». Ihm sind zwei Fälle bekannt, bei denen es auch zu Wolfshybriden in der Schweiz kam. Wie hoch der Wolfsanteil war, ist unbekannt.
Mitten aus der Praxis kennt die anerkannte Hundetrainerin Vreni Guggisberg das Tierleid, das oft hinter Hybridtieren verborgen ist. Guggisberg, seit bald zwanzig Jahren im Grossraum Zürich aktiv, stellt fest: «Hybridhunde halten natürlicherweise meistens eine sehr grosse Distanz zum Menschen.» Auch im Umgang mit anderen Hunden sei das Tier oft überfordert, denn seine Körpersprache sei anders als jene des domestizierten Haushunds. Zudem fällt ihr auf: «Hybridhunde brauchen eine sehr lange Sozialisierungsphase.»
Sie selbst hat in einem besonders traurigen Fall einen Hybridhund kennengelernt, der aus einem Fuchs und einem Haushund gezüchtet worden war. Bewusst, wie die stolzen Besitzer erklärten. Das Urteil der Expertin deckt sich mit jenem der Tierschutzorganisationen: «Wer einen Hybridhund oder eine Hybridkatze hält, tut es einzig für sich. Dem Tier ist kein Dienst erwiesen.»
(aargauerzeitung.ch)
Dass man ein Tier einfach online kaufen kann, finde ich ganz schlecht.
Hundehalter müssen ihre Tiere registrieren, Kurse besuchen, haften für sie usw. - ich verstehe nicht wieso Katzenhalter mit allem davonkommen.