Wald ZH im Zürcher Oberland. Man glaubt es kaum, aber wenn man hier aufgewachsen ist, hat man es in der grossen weiten Welt (also eigentlich nur im Rest des Kantons Zürich) nicht immer so leicht. Speziell sollen die Leute von hier sein. Ich kenne Stadtzürcher, die müssen erst googeln, wo die Gemeinde liegt.
Darum hier ein Crashkurs: Eingeklemmt zwischen Bachtel und Scheidegg präsentiert sich das Fast-10'000-Einwohner-Dorf. Als «Manchester der Schweiz» war es Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, weil hier 16 Textilfabriken standen. Aus dieser Zeit stammt der (grosse) Dorfkern, der heute kantonal vom Regierungsrat abgesegnet als Ortsbild geschützt ist. Wer's kennt: Vom Bleicheareal mit dem «Schiltä-Achti» bis zur Elba-Turnhalle, das Sagenrain, hoch zur Bahnlinie, alles unterhalb der Gleise bis hinter den Bahnhof und von dort quer hinüber wieder zur Bleiche. Alles geschützt. Eindrücklich.
Dazu ist das Dorf gerüchtehalber nebelfrei. «Sunneland, Oberland», sagen wir hier. Darum bin ich doppelt erstaunt, dass die Sonne nicht gnadenlos vom Himmel brennt und es gar kurz regnet. Das gibt es hier sonst eigentlich. Wirklich.
Obwohl ich seit über zehn Jahren nicht mehr hier lebe, ist dies ganz klar meine Heimat. In Uster wohne ich, in Wald bin ich zuhause. Hier kenne ich jeden Stein. Der Hang, an dem ich Skifahren lernte; die Wiese, auf welcher wir selbst unsere Langlaufloipe spurten; der Weg, an welchem wir Bobbahnkurven für Schlittelwochen bauten:
Die Bäche, die wir stauten; die Wälder, in welchen wir auf jeden möglichen Baum kletterten oder ein Tarzanseil montierten; der Bauernhof, auf dem wir im Heustock spielten:
Der Schulweg über die Holzbrücke im Wald – jede Ecke steckt voller Erinnerungen:
In Wald erwarten mich Familie und Freunde. Auch mein Trauzeuge ist da. Er meint vielleicht, dass er dadurch jetzt nicht irgendwann einen Teil mit mir fahren muss. Er täuscht sich. Tief im Innern weiss er es genau.
Das Gefühl heimzukommen ist unbeschreiblich. Ihr kennt das. Wohl kaum von Wald, aber halt von sonstwo. Ich habe nur noch Ähnliches, wenn ich in Kapstadt auf dem Nelson Mandela Boulevard über den Hügel fahre und die City Bowl erblicke. Rechts das Meer, links der Tafelberg, geradeaus der Lion's Head (übrigens – man muss es sagen – der schönste Berg der Welt. Auf den Plätzen zwei bis 43 folgen dann Schweizer Gipfel). Es fühlt sich einfach richtig an. Wie Heimkommen.
Und dort – ganz Zuhause – lande ich am Abend. Meine ganze Familie ist hier. Essen bei meinen Eltern. Lasagne. Von mir gewünscht. Es ist wie immer: Papi fragt jedes Detail der Velotour und weiss meine bisherige Route fast besser als ich. Mami bringt eine Speise nach der anderen: Salat. Lasagne. Nochmals Lasagne. Wieder Salat. Wer will noch Salat? Willst du noch Poulet? – Ich platze! Ja gut, dann halt: Aprikosenkuchen. Linzer Torte. Gugelhopf. Ah, du willst Glace. Vanille? Erdbeere? Zitrone? Mango? Mit Rahm? Mit Beeren? – Ja, mit allem. Noch mehr Glace? Vielleicht noch Beeren? Oder doch noch Linzer Torte? Und morgen früh?
Mein Bruder sagt, ich möchte Spaghetti zum Zmorgen. Wirklich? Nein. Müsli reicht. Mit Beeren? Bananen? Nature- oder Fruchtjoghurt? Brot auch? Was, Bananen? Ja, vier. Wir lachen. Ich hab' nur eine. Das ist auch ok. Halt was du hast, einfach nichts Scharfes. Und Kaffee? Ich trinke keinen Kaffee. Mami weiss das eigentlich. Also Tee. – Ja, passt. Man muss sie einfach mögen.
Zuhause sein. Ein unbezahlbares Gefühl.