Das Ganze begann damit, dass ich mich seit vielen Jahren wieder mal bei Chatroulette anmeldete. Natürlich weiss ich, dass solche Seiten perfekte Plattformen für irgendwelche Sex-Videochats sind, doch danach suchte ich nicht. Man wird auf Chatroulette ja zufällig mit Nutzern aus aller Welt verbunden und kann drauflos chatten. Interessanterweise sieht man auch, woher der Chatpartner kommt.
Nach einigen teils sehr lustigen Gesprächen wurde ich mit einer Frau verbunden. Der Herkunftsort wurde nicht angezeigt, es stand nur «anonymous proxy», doch ich dachte mir nichts dabei. Das Gespräch begann mit den üblichen Floskeln wie «How are you?», «Where do you come from?». Sie gab an, sie sei Ukrainerin, lebe aber in den USA.
Wir wurden uns immer sympathischer. Nach einiger Zeit fragte sie, ob ich Lust auf Spass hätte, und begann, ohne auf meine Antwort zu warten, ihr Oberteil auszuziehen. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass ich in einer langjährigen Beziehung bin – so etwas war mir noch nie passiert. Nichtsdestotrotz reizte mich der Anblick.
Sie fragte mich, ob sie mir gefalle, ob mich der Anblick ihres Körpers errege. Ich bejahte. Nach einigen Minuten fragte sie, ob ich mich auch ausziehen würde, sie wolle masturbieren. Meine Alarmglocken läuteten, doch die Erregung war schon stärker als die Vernunft. Ausserdem machte sie auf mich einen ehrlichen und sympathischen Eindruck.
Nach langem Hin und Her kam ich der Bitte nach und begann, mich langsam auszuziehen. Meine Chat-Partnerin spielte mit ihren Brüsten, während ich mit der Hand langsam mein Glied berührte. Das ging ungefähr eine Minute so. Dann fror ihr Bild ein.
Ich dachte, das Problem lege sich gleich wieder, doch sie fragte mich, ob auch mein Bild eingefroren sei. Ich schaltete die Webcam ab und wieder an, aber irgendwie funktionierte es bei ihr nicht mehr. Deshalb fragte sie, ob wir auf Skype weiterchatten sollten. Ich sagte ihr, ich hätte keinen Account. Sie bat mich, einen zu erstellen, also tat ich das. Ich dachte mir immer noch nichts dabei. Sie gab mir ihren Nutzernamen, ich addete, wir begannen ein neues Gespräch. «Hi».
Sie fragte, ob ich immer noch «horny» sei, brach das Gespräch dann aber ab. Ihre Mutter sei gerade aufgetaucht. Nach ungefähr drei Minuten klingelte es – sie rief an, doch ich nahm nicht ab, da ich kein Mikrofon habe. Dann kam das böse Erwachen.
Sie schickte mir einen YouTube-Link und schrieb «Check this». Auf der Vorschau unter dem Link sah ich bereits ein Bild von mir – ohne Shirt. Ich klickte auf den Link, doch das Video war auf privat eingestellt. Dann begann sie, mir zu drohen.
Sie schickte mir den Link von meinem Facebook-Profil, dem meiner Freundin und einiger Bekannten. Weil ich mich dummerweise mit meiner normalen Mailadresse auf Chatroulette eingeloggt hatte, kannte sie meinen richtigen Namen.
Sie schickte mir den Link von Western Union – währenddessen schiss ich mir vor Angst fast in die Hose.
Mein Herz raste. Wie in Trance begann ich mit dem Registrieren auf Western Union.
Ich füllte das Formular weiter aus, als mir plötzlich ein Artikel in den Sinn kam, den ich vor Monaten mal gelesen hatte. Darin wird so ziemlich das Gleiche beschrieben, was ich gerade durchmachte. Ausserdem wird dazu geraten, auf keinen Fall zu bezahlen.
Ich hielt inne, lief mit dem Laptop zu meiner Mutter und erzählte ihr alles. Sie war geschockt, riet mir zur Ruhe, und las den erwähnten Artikel durch. Wir besprachen uns kurz, währenddessen mich die Frau mit gefühlt hundert Fragezeichen bombardierte.
Ich beschloss, nicht mehr zu reagieren, während die Frau – wobei ich mittlerweile glaubte, dass das Chatroulette-Video fake gewesen war und hinter dem Skype-Gespräch irgendjemand steckte – weitere Links von Facebook-Bekanntschaften schickte und mir drohte, allen das Video zu zeigen. Ich antwortete nicht.
Sie schickte mir einige Namen von Leuten, die den gleichen Nachnamen wie ich haben, doch ich reagierte weiterhin nicht. Sie schien nervöser zu werden und schickte mir ein weiteres Mal den YouTube-Link. Jetzt war er öffentlich. Ich schaute es mir an – sie hatte nicht geblufft: Man sah eindeutig mich mit erigiertem Penis.
Meine Angst stieg wieder, doch ich bewahrte kühlen Kopf und sagte nichts. Während sie mir weiter irgendwelche Nachrichten schrieb, sperrte ich mein Facebook-Profil. Dann, plötzlich, ein Hoffnungsschimmer: Sie schien tatsächlich unsicher zu werden.
Ich blieb dabei, ich schrieb nichts mehr. Es vergingen sagenhafte 30 Minuten, keiner meiner engsten Facebook-Freunde bekam den Link und das YouTube-Video war wieder im «Privat»-Modus. Ich beruhigte mich langsam. Offenbar hatte sie tatsächlich Angst, strafrechtlich belangt zu werden. Und dann lenkte sie auch noch plötzlich ein.
Ich antwortete nicht. Nach weiteren 15 Minuten kam die letzte Drohung:
Das war's. In den nächsten paar Stunden kontrollierte ich ständig den YouTube-Link. Es blieb dabei – nichts passierte. Ich ging ins Bett und schlief unruhig. Als ich am nächsten Morgen aufstand, existierte der Link nicht mehr. Ich googelte meinen Namen, suchte auf YouTube. Da war nichts. Ich loggte mich ein letztes Mal auf Skype ein und blockierte die Person.
Bis heute habe ich nichts mehr gehört. Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass sie Angst bekommen hat und die Masche wohl mit einem anderen Opfer durchzieht. Ich rate allen, die in so etwas geraten, sich sofort auszuklinken und nicht auf die Drohungen zu reagieren. Wie sagt man so schön: «Verhandle nicht mit Terroristen!»
Aufgezeichnet von Daria Wild