Es war ein seltener «Fang». Der Aargauer Kantonspolizei ging kürzlich einer dieser dubiosen Händler ins Netz, die gerade jetzt wieder auf zahllosen Flugblättern und in Inseraten ihre Dienste anbieten.
«Wir zahlen bis zu 7500 Franken für alte Pelze aller Art in bar!», heisst es auf einem Zettel, der in die Briefkästen verteilt wurde. «Pelz & Goldankauf» steht in Inseraten, oder: «Gold & Silber Ankauf». Für alte Schreibmaschinen gibt es «bis zu 500 Franken». Und: «Dringend gesucht: Rolex & Heuer, auch defekt». Ein anderer Händler stellt auch viel Bares für alte Nähmaschinen, Bierkrüge, ja sogar für alte Brillen in Aussicht.
Mit der Behauptung, viel Geld für einst teure, heute aber kaum mehr verkäuflich Waren wie alte Pelze zu zahlen, locken die Händler Kunden an. Die Überlegung dahinter ist einfach: Wer sich einst einen teuren Pelz leistete, hat vermutlich noch wahre Werte zu Hause. Und auf diese haben es die Gauner abgesehen.
Das Geschäft läuft in der Regel so: Die Ankäufer geben sich von der Qualität des Pelzes oder der anderen alten Ware enttäuscht. Sagen den Besitzern, ob sie nicht vielleicht noch Gold hätten, dann wäre das Geschäft trotzdem möglich. Schafft der Besitzer dann solche Wertsachen heran, redet der dubiose Käufer das Gold schlecht, bietet einen kleinen Bruchteil des Marktwerts.
Auch im konkreten Fall im Aargau versuchte der Käufer dem Vernehmen nach, bei einem Hausbesuch einen Kunden um einige Tausend Franken zu prellen. Für Gold bot er einen Bruchteil des Wertes. Offenbar versuchte er sich zuletzt sogar aus dem Staub zu machen, ohne zu bezahlen.
Die Betrugsmasche mit den Pelzen und dem Gold ist seit Jahren bekannt, aber sie funktioniert offensichtlich gut. Sonst würden von den Händlern nicht so viele Säli in Restaurants oder Hotels gemietet, Inserate geschaltet, Flugblätter verteilt. Gerade ältere, oft alleinstehende Menschen fallen auf die Märchen vom vielen Geld herein und lassen sich übers Ohr hauen, teils sogar bestehlen. Besonders gerne statten dubiose Händler ihren Opfern deshalb Hausbesuche ab.
Was im Aargau genau passiert ist, wollen derzeit weder Kantonspolizei noch Staatsanwaltschaft verraten. Adrian Schuler, Sprecher der Aargauer Staatsanwaltschaft, bestätigt aber, dass in der Sache ein Strafverfahren eröffnet wurde: «Eine Person wurde vorläufig festgenommen.»
Weitere Recherchen in der Branche deuten darauf hin, dass es sich beim dubiosen Goldhändler um ein Mitglied der Roma-Grossfamilie Goman handelte, die hinter vielen Inseraten und Flugblättern steht. Die Goman sind durch Heirat verbunden mit den Kwiek, einer anderen Roma-Grossfamilie. Beide sind in der Schweiz sehr aktiv, teils auch im Verbund, teils wechseln sie zur Verwirrung ihre Namen.
Die Goman wie die Kwiek stammen ursprünglich aus Polen, viele von ihnen wurden Opfer der Nazi. In den letzten Jahren machten allerdings kriminelle Angehörige dieser Familienclans in Deutschland Schlagzeilen mit Delikten diverser Art. Es geht um Geldwäsche, Falschgeld, aber auch um perfide Maschen wie Enkeltrick, Schock-Anrufe, Sozialbetrug, illegaler Waffenbesitz. Kriminelle Mitglieder der Gross-Familie, meist deutsche oder polnische Staatsbürger, leben in Saus und Braus, protzen mit Luxusautos und teuren Uhren.
Die grosse Mehrheit solcher Gross-Familien sind ehrliche Leute und leiden unter den kriminellen Verwandten. Sie werden öffentlich angefeindet, weil sie den gleichen Namen tragen wie die Dubiosen.
Die Schweiz mit ihren vielen älteren und oft einsamen Leuten und den liberalen Gesetzen ist beliebtes Ziel geworden. 2021 wurde die Stadt Bern aktiv, nachdem sich «die Clan-Familie mit ungültigen Miet- und Arbeitsverträgen beim Einwohneramt angemeldet» hatte, wie die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens berichtete. Fremdenpolizeichef Alexander Ott liess 16 Personen ausweisen, die in einer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung gemeldet waren und sich die Aufenthaltsgenehmigung erschlichen hatten.
An der gleichen Adresse hatte eine dubiose Firma namens Royal Teppich Siek ihren Sitz. Als verwirrende Anlehnung an Kwiek, die mit den Goman gekoppelte Roma-Familie. Firmenzweck laut Handelsregister: «Teppichreparatur, Teppichreinigung, Steinreinigung sowie Einkauf von Pelz und Schmuck.»
Das war in Bern, ist in anderen Kantonen und Städten nicht anders. Pascal Wenzel, Sprecher der Aargauer Kantonspolizei, hält fest: «Die Masche, Wertgegenstände zu einem viel zu tiefen Preis zu kaufen, ist der Kantonspolizei Aargau seit Jahren bekannt. Ebenfalls ist es bekannt, dass unter anderem Angehörige sogenannter Clans diese Masche nutzen. In den letzten Monaten wurden an verschiedenen Orten im Kanton mehrere solche Betrugsdelikte registriert.» Die Polizei setze verschiedene ermittlungstaktische Massnahmen ein, um begangene Straftaten aufzuklären und weitere zu verhindern, betont der Sprecher.
Der Firmenzweck im Berner Fall illustriert eindrücklich: Die dubiosen Goldhändler sind oft die gleichen Kreise, die seit Jahren auch als Teppich-Mafia bekannt sind. Sie zocken ihre Kunden mit Teppichreinigung ab und versuchen, ihnen Billigware als teure Orientteppiche zu verkaufen.
Dazu betreiben diese Kreise häufig Geschäfte mit Namen wie «Orientteppich-Haus». Das sind die Geschäfte, die immer geschlossen sind, an deren Schaufensterscheiben aber Zettel mit Hinweisen kleben wie: «Bin gerade bei einem Kundenbesuch. Bitte rufen Sie mich an.» Und dazu eine Telefonnummer.
Die Vermieter dieser Geistergeschäfte, in der Regel alteingesessene Schweizer, scheint das nicht zu beissen: Sie kassieren Miete von diesen dubiosen Kulissenschiebern.
Manche Opfer merken gar nicht, dass sie übers Ohr gehauen wurden. Andere, vor allem männliche Opfer, schämen sich und gehen nicht zur Polizei, erzählen es nicht mal den Verwandten. Behördenvertreter sprechen von einer «sehr hohen Dunkelziffer».
Seriöse Berufsleute wie der Aarauer Münzen- und Edelmetallhändler Patrick Huber ärgern sich nicht nur über die Dubiosen, unter denen ihr Geschäft leidet. Sondern auch über untaugliche Schweizer Gesetze und überforderte Behörden.
Huber kritisiert, dass das Anfang Jahr in Kraft getretene revidierte Edelmetallkontrollgesetz (EMKG) das Problem mit den Dubiosen kaum entschärft habe. Im Gegenteil: «Mittlerweile haben sämtliche dubiosen Marktteilnehmer die Bewilligung für den gewerblichen Ankauf von Altedelmetallen erhalten. Die Behörden scheinen unbedarft oder machtlos zu sein, dahinter eine Clan-Kriminalität zu erkennen.»
Worauf der Edelmetallhändler anspielt: Wer Gold und anderes «Altedelmetall» gewerbsmässig ankauft, muss sich seit Anfang Jahr beim Zentralamt für Edelmetallkontrolle in Bern registrieren lassen oder ein Bewilligungsgesuch stellen. Aber die Gesetzesänderung, die Bundesrat und Parlament 2021 beschlossen, ist eine Steilvorlage für Gauner.
So gilt die Tätigkeit nur als «gewerbsmässig» und damit registrierungs- oder bewilligungspflichtig, wenn der Ankäufer pro Kalenderjahr Waren im Wert von mehr als 50'000 Franken annimmt. «Die Händler sagen einfach, sie kommen nicht auf 50'000, sie verkaufen die Ware billig auf dem Flohmarkt», stellt Huber fest.
Diese Händler, die unter dem Radar fliegen, müssen im Gegensatz zu den Registrierten wie Huber nicht einmal Buch führen über die Ankäufe, die sie tätigen. Sie müssen auch die Verkäufer nicht überprüfen. Das öffne für Betrug und Geldwäscherei Tür und Tor, sagt Huber.
Eine weitere Fehlkonstruktion im revidierten Gesetz: Für die Registrierung reicht es aus, wenn der Ankäufer im Handelsregister eingetragen ist. Ob er einen sauberen Leumund hat oder nicht, spielt keine Rolle. In der Praxis heisst das, dass Dubiose dank einem simplen Firmeneintrag auf der vom Bund veröffentlichen Liste der Firmen mit Ankaufsbewilligung erscheinen. So hat es laut Insidern bisher mindestens ein halbes Dutzend Dubiose auf diese Liste geschafft, Tendenz steigend.
Laut Sprecher David Venetz vom zuständigen Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) war bei der Teilrevision des Edelmetallkontrollgesetzes ursprünglich eine «Gewährsprüfung für Ankäufer» vorgesehen, ein guter Leumund etwa Bedingung. Aber aufgrund der Rückmeldungen in der Vernehmlassung sei das für «Akteure, die bereits im Handelsregister eingetragen sind, in eine einfache Registrierungspflicht geändert» worden. Dadurch entfalle «eine eigentliche Prüfung des guten Rufs und der Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit der allermeisten Akteure», stellt der BAZG-Sprecher unverblümt fest.
Bahn frei also für Dubiose. Und diese spielen nach Gusto nicht nur mit Verkäufern, sondern auch mit Behörden Katz und Maus, indem sie ihre Identität verschleiern, mit ihren Namen spielen. In den Flugblättern und Inseraten fällt auf, dass meist nicht klar wird, wer dahintersteht. In der Regel ist nur eine Telefonnummer als Kontakt erwähnt, wenn es hochkommt ein Vorname. Auch Namen tatsächlich existierender Firmen sucht man meist vergeblich.
Dabei wäre, so das BAZG, «der Akteur verpflichtet, im Rahmen von Publikationen auf eine vorliegende Registrierung oder Bewilligung hinzuweisen». Sanktionen haben die Betrüger allerdings faktisch kaum zu befürchten.
In den Flugblättern und Inseraten, zu denen keiner stehen will, werden auch immer wieder Goldpreise versprochen, die weit über dem aktuellen Kurs liegen. Entweder sei das unlauterer Wettbewerb, sagt Edelmetallhändler Huber, oder aber falls der überhöhte Kurs tatsächlich bezahlt würde, Geldwäscherei.
Huber hofft auf rasche Nachbesserung am Gesetz. Helfen würde schon, sagt er, wenn ihm alle Akteure unterstellt wären, die Werbung für ihre Aktivitäten machten. «Denn kein einziger dieser Dubiosen kommt ohne Werbung aus.» Damit wären auch die fliegenden Händler verpflichtet, Buch über Verkäufer und Ankäufe zu führen. Dringend nötig seien Kontrollen vor Ort auch bei Ankäufern, die ihre Geschäfte in Hotels oder Restaurants abwickeln. Heute würden nur die fest installierten, also greifbaren Akteure kontrolliert.
Auch für das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG ist klar, «dass die Handhabung von ‹fliegenden Händlern› noch optimiert werden kann», wie sich Mediensprecher David Venetz ausdrückt. Das Amt wolle daher «in diesem Bereich verstärkt sensibilisieren, etwa mittels Publikation von entsprechenden Hinweisen.» Das BAZG empfehle, «nur bei registrierten Ankäufern zu verkaufen» und «jeweils mehrere Angebote einzuholen». Und «bei Ankäufern, die nicht registriert sind oder deren Identität sich nicht einem registrierten Ankäufer zuordnen lässt», rät das Bundesamt ausdrücklich «von einem Handel ab». Wichtig sei zudem, «sich in jedem Fall eine Quittung mit den genauen Angaben über den Verkäufer und die verkauften Artikel aushändigen zu lassen».
Die Kantonspolizei Aargau setzt ebenfalls stark auf Information und Sensibilisierung der Bevölkerung. Bei dubiosen Händlern und Angeboten sei generell Vorsicht geboten, so Sprecher Wenzel: «Eile ist hier ein schlechter Ratgeber. Wo Höchstpreise locken, droht meist Abzocke.» Auch die Kantonspolizei rät: «Zumindest sollte vor einem Verkauf im Fachhandel eine zweite Meinung eingeholt werden.» Aber nicht nur das: «Man sollte sich nie allein mit solchen Händlern treffen», so Kapo-Sprecher Wenzel, «und die üblichen Vorsichtsmassnahmen ergreifen, um einen möglichen Betrug oder (Trick-)Diebstahl zu verhindern.»
Und was machen die dubiosen Ankäufer mit dem billig erworbenen oder gar geklauten Gold? Sie bringen es laut Experten vermutlich in illegale Schmelzereien in Frankreich oder Deutschland. Dort wird es eingeschmolzen und sauber gewaschen neu in Verkehr gebracht. (aargauerzeitung.ch)
Dabei muss auch die Haftung von Familienmitgliedern einbezogen werden. Gerade bei Finanzdelikten. Wer in einem
Haus wohnt, das durch kriminelle Aktivitäten finanziert wurde, oder ein Konto führt, auf das illegales Geld überwiesen wird, der/die sollte zwingend gleich streng bestraft werden, als wäre sie/er selber an der kriminellen Handlung beteiligt.
Italien zeigt wie man die Mafia bekämpft - durch knallhartes und umfassendes Eingreifen beim Geld. Nicht ohne Grund ist die Guardia Di Finanza die schlagkräftigste Polizei Italiens.