Das unauffällige ältere Einfamilienhaus mit den dicken Vorhängen und den vielen geschlossenen Fensterläden steht in einem ruhigen, ehemaligen Arbeiterquartier zwischen Aarau und Solothurn.
Seit einigen Jahren lebt, zumindest auf dem Papier, ein junger Abkömmling eines berüchtigten Clans der kalabrischen 'Ndrangheta mitsamt seiner Familie in diesem bescheidenen Häuschen, das gut einen neuen Anstrich und neue Fenster gebrauchen könnte.
Sein Onkel, der Boss des Clans, der eng mit den Sizilianern arbeitet, gilt als wichtige Figur der jüngeren Mafia-Geschichte. Die Familie gilt in ihrer Gegend in Kalabrien als führend im Kokainhandel und im Geschäft mit Waffen, die sie laut Zeugen aus der Schweiz beziehe.
Ein Cousin des Häuschenbesitzers zog in die Nähe von Turin, dort flog sein Kokaingeschäft auf. Er sitzt jetzt im Gefängnis.
Ein zweiter Cousin organisierte im Verbund mit der Camorra und dem Casamonica-Clan in Rom das Kokaingeschäft. Das Kartell wusch in grossem Stil Geld mit dem Kauf von Liegenschaften und dem Betrieb von Restaurants und Klubs, häufig über ausländische Strohleute. Bis Justiz und Polizei die Bande vor einigen Jahren aushob. Liegenschaften und andere Vermögenswerte in Millionenhöhe wurden konfisziert.
Den Häuschenbesitzer zog es derweil in die sichere Schweiz, wie ein Kronzeuge im Prozess gegen den Onkel aussagte. Er arbeite hier glaublich «als Schmied».
Die Schweiz wird derzeit überschwemmt von vergleichsweise billigem Kokain von hohem Reinheitsgrad. Dominiert wird das Geschäft von der 'Ndrangheta, die aber insbesondere bei der Distribution der Drogen im Land mit anderen Akteuren und «Unterakkordanten» zusammenspannt. Wie die Grossverteiler Migros oder Coop brauchen auch die Drogenbarone eine eingespielte Logistik und möglichst viele Vertriebspunkte. Wie schon die Beispiele anderer 'Ndrangheta-Clans zeigten, lassen sich die Junior-Bosse zunehmend persönlich und möglichst unauffällig in der Schweiz nieder, um das Geschäft zu ordnen.
Gerade bescheidener Grundbesitz scheint es dubiosen Strukturen damit zunehmend angetan zu haben. Darauf weist auch ein anderes Beispiel hin.
Irgendwo im Schweizer Mittelland wechselte vor einigen Jahren eine ältere, renovationsbedürftige Liegenschaft den Besitzer. Im Parterre befand sich einst ein Gewerbe mit Verkaufsgeschäft, in den oberen Etagen zwei kleine Wohnungen. Neuer Besitzer ist ein vorläufig aufgenommener Ausländer, der unten im Haus eine Shishalounge installierte. Sie ist laut Beobachtern meist leer, die Fensterläden in den Wohnungen auch tagsüber geschlossen, obwohl häufig teure Autos vor dem Haus parkieren. Zeugen wollen mitbekommen haben, dass hier unter anderem illegale Glücksspiele stattfinden.
Sicher ist, dass in der Liegenschaft in letzter Zeit unter anderem zahlreiche Syrer, Vietnamesen und Angehörige weiterer Drittstaaten gemeldet waren. Wer den Namen nachgeht, stösst auf ein Netz von Akteuren, die in verschiedenen Milieus und Kantonen auftauchen.
So besitzt der Eigentümer des Hauses mit der Shishabar in einer anderen Region mindestens noch eine zweite, ähnliche Liegenschaft: Unten gibt es hier einen Barbershop, oben eine oder zwei Wohnungen.
Die Kombination gilt als typisch: Shishabars, Barbershops und Dönerbuden sind oft in den Händen der gleichen Akteure, meist aus dem arabischen Raum oder dem Balkan.
Zu all dem passt eine Entwicklung, die Strafverfolger in den letzten Jahren registrieren. «Der Betäubungsmittelhandel, insbesondere der Handel mit Kokain, hat sich in den vergangenen Jahren komplett verändert», sagt ein Staatsanwalt aus der Deutschschweiz.
Logisch, dass damit privates Wohneigentum interessanter wird. In Kombination mit einem Barbershop, einer Shishabar oder einer Pizzeria fällt das Kommen und Gehen spezieller Kundschaft, die Geldwäsche, weniger auf. Ein Lieferdienst kann diesen «Service» ideal ergänzen. Ein Hinweis ist oft, wenn Essenslieferungen ohne kostendeckenden Aufschlag über grosse Distanzen angeboten werden.
Clans spielt in die Hand, dass in der Schweiz mit Immobilien leicht auch grössere Beträge gewaschen werden können. Selbst wenn sie direkt aus dem Drogengeschäft kommen. Barzahlung von bis zu 100'000 Franken ist ohne irgendwelche Überprüfung zulässig, Zahlung mit Schwarzgeld ist gang und gäbe.
Aber wie wird man, auch als Nicht-EU-Ausländer, Besitzer von Gewerbeimmobilien mit Wohnanteil, selbst als Staatenloser?
Möglich machen es offenbar Ausnahmen in der Lex Koller: Betriebsstätte-Grundstücke können von Ausländern jeglicher Herkunft ohne Bewilligung erworben werden. «Ausnahmsweise können Wohnungen zur Betriebsstätte bewilligungsfrei miterworben werden, wenn sie für das Unternehmen betriebsnotwendig sind», schreibt das Bundesamt für Justiz im aktuellen Merkblatt zur Lex Koller. Warum auch immer: Die Wohnungen oberhalb solcher Barbershops oder Shishabars wurden also offenbar als «betriebsnotwendig» taxiert. Es braucht dazu einen Notar und ein Grundbuchamt, die die Transaktion vorbereiten und durchwinken.
Und ältere, renovationsbedürftige Liegenschaften, gerade ehemalige Gastronomiebetriebe, zumal in peripherer Lage, sind oft billig zu haben, weil sie sonst keiner will. Das habe, sagt ein kritischer Beobachter, mit der Gleichgültigkeit vieler vermögender Alteingesessener zu tun: «Sie hätten die Mittel, in solche Liegenschaften zu investieren, Betriebe zu retten oder neu aufzubauen.
Aber selbst wenn ihre Stammbeiz einzugehen droht, bleiben sie untätig.» Dieses zunehmende Desinteresse beobachte er seit etwa den 90er-Jahren:
Folge: Akteure mit manchmal zweifelhaftem Geld nutzen die Gelegenheit, sich festzusetzen und auszubreiten.
Manche dieser Clans sind am Aufwachsen, andere sind längst gross geworden - dank liberalen Gesetzen und fehlenden Kontrollen. Gerade mit Liegenschaften lassen sich riesige Gewinne erzielen und Gelder sicher anlegen. Vor allem im Verbund mit kriminellen Akteuren im Baugewerbe, die auf Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug setzen.
So erzählt ein Brancheninsider von einem sehr kapitalkräftigen Gebrauchtwagenhändler. Dieser wasche offensichtlich schon seit Jahren Geld in grossem Stil. Er kaufe immer wieder ältere, renovationsbedürftige Immobilien.
Man sehe dort Firmen an der Arbeit, die hätten nur zwei Angestellte, «aber auf der Baustelle beschäftigen sie plötzlich Dutzende».
Die Leute arbeiteten drei Monate lang für einen Hungerlohn, dann sei die Immobilie renoviert, die der Autohändler für wenig Geld gekauft habe. «Und das Geld ist, sogar noch mit Gewinn, gewaschen.» (aargauerzeitung.ch)
Es könnte einem wahrscheinlich schlecht werden.
Und warum hat die Schweiz keine Interesse dies zu stoppen?
Es ist eine Schande!