10'000 Franken für 1 Kilo: Diese Bauern wollen den Luxus-Trüffel in der Schweiz züchten
Da Gott die Geschicke der Welt autoritär lenkt, denkt der Mensch bisweilen zu viel über Veränderungen nach. Er zerbricht sich über vermeintliche Verbesserungen den Kopf und versucht, Grundprinzipien der Natur zu überwinden. Ikarus wurde das zum Verhängnis.
Wer etwa in der Nacht zu viel an Trüffel denkt, gar mit dem Gedanken eines Trüffelgartens spielt, wo man den Zauberpilz ohne Mühen ernten kann, wird wohl verrückt werden. Gut, gibt es da Leute wie Alain Jutzeler. Dieser Mann weiss nämlich alles über Trüffel. Das heisst am Ende, dass der Trüffelfarmer aus der Waadt weiss: Alles Trüffel-Wissen nützt nichts: Der Trüffel macht, was er will.
Jutzeler war ein Pionier im Trüffelzucht-Geschäft in der Waadt. Vor 20 Jahren begann er mit einem Bekannten auf einer Parzelle geeignete Bäume anzupflanzen. Seinen Kompagnon überredete er damals mit dem Argument: «Das ist ein Hobby für die Zeit nach der Pensionierung.» Vielleicht gar ein Investment für die Altersvorsorge.
Weisse Trüffel kosten ein Vermögen
Da wie dort träumte man davon, in seiner Farm Trüffel zu ernten und dann das Kilo für 10’000 Franken zu verkaufen. So viel kann ein Weisser Trüffel in der Schweiz kosten, im piemontesischen Trüffelzentrum Alba kostet ein Kilo zurzeit 5000 Euro.
Wachsen diese Goldknollen auch bald in Bonvillars, einem kleinen Nest nördlich von Yverdon? Mit den günstigeren Schwarzen – den Burgunder Trüffeln und den Perigord-Trüffeln – feiert man jedenfalls beachtliche Erfolge. Nicht nur, dass man sie seit je her in den Wäldern findet. Heute zählt man in der Gegend 24 Trüffelfarmen, die insgesamt 51 Hektaren gross sind.
Doch gemach. Wenn Jutzeler heute in der 1,6 Hektaren grossen Farm bei Bonvillars pro Woche ein Kilo erntet, ist das schon viel. «Im Wald kann jemand mehr finden, wenn er einen sehr guten Hund hat», sagt Jutzeler. Aber auch dann bleibe es mehr Hobby: Ein Kilo schwarzer Bonvillars-Trüffel kostet 600 bis 800 Franken.
Die Gemeinde unterstützt die Trüffel-Farmer
Das Interesse am Trüffel ist auch dank des Tourismus-Büros «Vaud Promotion» gestiegen. Und mithilfe der Gemeinde Bonvillars haben die Trüffelfreunde sogar die erste didaktische Trüffelfarm Europas anlegen können: Auf einer Fläche so gross wie ein Fussballfeld wurden 240 unterschiedliche Bäume angepflanzt – jeder bietet dem Trüffel eine Lebensgrundlage. Die Clique von Amateuren, wie sie Jutzeler nennt, kann diese Fläche als Experimentierfeld benutzen. Es gibt hier hohe Bäume, kleine Bonsai-Gewächse, belebte und stille Böden. Und die Trüffel wachsen.
Der althergebrachte Klassiker in der Nordwaadt sind die Burgunder Trüffel. Aber auf einer kleinen Parzelle in der Farm versucht man, auch Perigord-Trüffel anzubauen: «Der schwarze Diamant», nennt sie Jutzeler achtungsvoll. Vom Dezember bis Februar könnte man sie theoretisch ernten, sagt er und fügt an: «Jedenfalls dann, wenn der Boden nicht gefriert.» Das geschieht im Unterschied zu früher immer öfter.
So verwundert es nicht, dass in Bonvillars auch an der Zukunft geprobt wird. Man simuliert Bedingungen, die es im legendären Alba, einer Heimat der Weissen Trüffel, gibt. Dort, wo sie in Bonvillars wachsen sollen, hat man den pH-Wert des Bodens verändert, hat Kalk hingeschüttet, um den Boden saurer zu machen. Und das funktioniert, frage ich skeptisch. «Nein, wir haben noch kein deutliches Resultat», antwortet Jutzeler trocken.
Das Ereignis für die Trüffelfreunde ist jeweils der Trüffelmarkt in Bonvillars. Von den angebotenen Trüffeln stammen etwa 60 Prozent aus den Wäldern, der Rest von den Farmen. Deklarieren muss man das nicht. «Sie können keine Unterschiede ausmachen», so Jutzeler. Hauptsache sei die Qualität der einzelnen Pilze. Ein guter Trüffel ist rund, knackig und fest im Griff. Und doch kann man beim Zubereiten alles verlieren. «Unsere Trüffel dürfen nicht zu heiss werden. Einer, der über 60 Grad Temperatur bekommt, verliert sein Aroma.» Jutzeler rät, den Pilz zu raffeln und in etwas Fettigem – in Butter, Mayonnaise, Rahm oder Käse- zu mischen. Dann mache man am nächsten Tag eine Pasta, warte, bis sie nicht mehr so heiss sei und mische die Masse darunter.
Wein und Brote voller Trüffelbutter
Dass am Markttag auch die Weinbauern präsent sind, ist kein Zufall. Man hat gemerkt: Nur Trüffel ist zu wenig, «nur» Nordwaadtländische Weine auch. Und so steht man sich nicht nur vor den Marktständen auf den Füssen, sondern auch im Lager- und Verkaufslokal der «Viticulteurs de Bonvillars». Es wird degustiert, bestellt und die Brote dick mit Trüffelbutter bestrichen. Die Genossenschaft sorgt noch und noch für Weine, die grosse Auszeichnungen erhalten. Aber auch kleinere Betriebe wie etwa derjenige von Martial Du Pasquier mit seinem «Cave de Pasquier» sorgen für beachtliche Weine.
Jutzeler beim Trüffelfondue-Essen nach einem Glas Chasselas gefragt, ob Trüffel oder Trauben wertvoller seien, antwortet trocken: «Trauben. Jedenfalls momentan noch.» Dann lacht der Trüffel-Sokrates laut – auch ein wenig über sich selbst und sein Trüffelwissen. (aargauerzeitung.ch)
