Am Samstag kurz vor Mittag löst sich im Skigebiet Kreuzboden-Hohsaas in Saas-Grund oberhalb eines Bergrestaurants eine Lawine. Deren Schneemasse rutscht auf eine öffentliche Skipiste, erfasst dort einen Skifahrer und begräbt diesen unter einer ein Meter hohen Schneedecke. Der Skifahrer stirbt trotz Reanimation noch auf der Unfallstelle.
Der verstorbene Skifahrer hat nicht fahrlässig gehandelt, die Piste war freigegeben. Die Walliser Staatsanwaltschaft hat deshalb eine Strafuntersuchung eingeleitet, denn die Verantwortung für das Freigeben einer Piste liegt generell beim Bergbahnbetreiber, insbesondere bei dessen Sicherheitschef.
«Tödliche Lawinenunfälle auf geöffneten Skipisten sind selten», sagt Lukas Dürr vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos. Ob ein Lawinenunfall glimpflich oder tödlich verlaufe, hänge zu einem grossen Anteil vom Zufall ab. Daher sei es kaum möglich, die Opferzahlen klaren Gründen zuzuordnen. «Generell steigt das Risiko für tödliche Unfälle aber, wenn viele Leute abseits der Pisten unterwegs sind und gleichzeitig eine kritische Lawinensituation besteht», sagt Dürr. So wie zum Beispiel am letzten Wochenende bei schönem Wetter oder während der Ferien.
Am Wochenende war die Lawinengefahr in den Schweizer Alpen erheblich bis gross, das entspricht Gefahrenstufe 4. Aktuell ist sie noch erheblich bei Gefahrenstufe 3. Für das aktuelle Lawinenrisiko gibt es mehrere Gründe. Unter anderem haben wir in der Schweiz im Süden in den letzten Tagen enorme Neuschneemengen erhalten, die sich nun rasch stabilisieren. «Aber das Wettergeschehen ist weiterhin dynamisch. In den nächsten Tagen kommt in den Alpen Neuschnee dazu, dieser wird zusätzlich vom Wind verfrachtet, was die Lawinengefahr nochmals verschärfen könnte», sagt Dürr. Diese Neu- und Triebschneeschichten sind in den ersten Tagen immer potenziell gefährlich. Zum anderen gibt es vor allem in den inneralpinen Gebieten Graubündens schwache Schichten im Altschnee, welche nun noch länger störanfällig bleiben könnten.
Schon die Stufe 3 «erheblich» birgt grosse Risiken. «Erheblich ist für Schneesport abseits der Pisten eine kritische Situation. Es genügt oft das Gewicht einer einzelnen Person, um eine Lawine auszulösen und mehrere Tonnen Schnee in Bewegung zu setzen», erklärt Dürr. Für diese Gefahrenstufe gibt es typische Zeichen, die auf die Gefahr hinweisen. Zum Beispiel Setzungsgeräusche oder Risse beim Betreten der Schneedecke, frische Lawinen oder viel Neuschnee.
Allerdings besteht in jeder Gefahrenstufe ein Lawinenrisiko: Etwa die Hälfte aller Lawinenunfälle passieren bei erheblich, rund 30 Prozent bei mässig, also bei Stufe 2. Der Rest verteilt sich auf die Stufen gross und gering, wie die Lawinenunfall-Statistik des SLF zeigt.
Eine solch dramatische Lawinensituation mit Gefahrenstufe 4 wie am Wochenende ist für den Frühlingsanfang aussergewöhnlich. «Diese Stufe wird nur in 2 bis 3 Prozent des Winters vergeben», sagt Dürr. Nicht ungewöhnlich ist dagegen die Gefahrenstufe 3, die das Institut für Schnee- und Lawinenforschung während eines Drittels des Winters bestimmt. Von einem Lawinenwinter kann man im Moment aber trotz des tragischen Unfalls im Wallis nicht sprechen. Der Skifahrer ist der achte Lawinentote diesen Winter in den Schweizer Bergen. Durchschnittlich liegt die Zahl Anfang März bei 13 Opfern.
Wo es für Skitourer in den nächsten Tagen besonders gefährlich werden könnte, lasse sich nicht einfach beantworten. «Zum einen ändert die Lawinensituation rasch und zum anderen hängt das Risiko letztendlich auch mit dem konkreten Verhalten der Schneesportler zusammen», sagt Dürr. Grundsätzlich sei es wichtig, sich über die aktuelle Lawinensituation zu informieren, sich auszubilden oder einer geführten Gruppe anzuschliessen und die Notfallausrüstung bestehend aus Lawinenverschütteten-Suchgerät, Lawinensonde und Schaufel mitzuführen. Und deren Einsatz vorher auch zu trainieren.
Allerdings muss man (wie im Bericht erwähnt) ganz klar sagen, dass Tote auf geöffneten Pisten sehr, sehr selten sind. Aber ein solches Unglück wird man niemals ganz ausschliessen können. Ich war leider selber schon einmal an der Bergung eines Verschütteten auf einer geöffneten Piste beteiligt. Der Horror im Gesicht des mir bekannten Sicherheitschefs werd ich nie vergessen.
Trotzdem wehre ich mich mit Vehemenz gegen die Tendenz, dass aus dem hochalpinen Raum ein Nullrisiko-Bergdisneyland gemacht wird.