Am frühen Montagmorgen rückte in Sitten ein Grossaufgebot der Polizei aus: Bei einer Schiesserei an zwei verschiedenen Orten in der Walliser Hauptstadt wurden ein Mann und eine Frau getötet. Eine weitere Frau wurde schwer verletzt. Nach einer mehrstündigen Fahndung konnte die Polizei den 36-jährigen mutmasslichen Täter verhaften. Der Mann ergab sich und gestand die Tat.
Es war nicht das erste Mal, dass der Mann mit der Polizei in Kontakt kam. Er sei bereits in mehrere Gerichtsverfahren sowohl als Angeklagter als auch als Klager verwickelt gewesen, schreibt die Westschweizer Zeitung Le Nouvelliste. Ein Verfahren, bei dem ihm Beleidigungen, Drohungen und unerlaubte Gesprächsaufzeichnungen vorgeworfen werden, laufe noch immer.
Der für das Mittelwallis zuständige Oberstaatsanwalt, Olivier Elsig, gab keine weiteren Details zu den Verfahren bekannt, räumte aber ein:
Er bestätigte, dass der Mann den Justizbehörden bekannt gewesen sei, aber nicht als Risikoperson gegolten habe.
Die Morde schockierten den Kanton und schnell häuften sich Zeugenaussagen, die den Mann als problematisch und asozial beschrieben. Und das nicht erst seit Kurzem.
Sein erstes Opfer, eine 34-jährige Frau, die in der Nähe ihres Hauses erschossen worden war, kannte den mutmasslichen Täter. Details zur Beziehung zwischen dem Mann und der Frau gibt es keine, doch besonders gut dürfte das Verhältnis nicht gewesen sein: Gemäss Canal 9 habe die junge Frau erst vor wenigen Monaten eine einstweilige Verfügung der Ziviljustiz gegen ihren späteren mutmasslichen Mörder erwirkt.
Sie war offenbar nicht die einzige Frau, die sich vom Mann belästigt fühlte. Drei Frauen erzählten gegenüber Le Nouvelliste von ihren Erfahrungen.
Sie habe den Mann vor über 15 Jahren in der Automobilindustrie kennengelernt, so eine Frau zum Westschweizer Blatt. Sie sei mit Nachrichten und Telefonanrufen belästigt worden. Mindestens einmal pro Woche habe sie der Mann sogar mit dem Auto verfolgt.
Danach habe sie mehrere Jahre nichts mehr von ihm gehört. Bis er sich plötzlich wieder in ihrem Leben zurückmeldete: mit Blumen und Briefen vor ihrer Tür.
Dann habe er ihr an einem Tag die Liebe verkündet, um ihr am nächsten Tag damit zu drohen, ihr Leben zu ruinieren. Er habe Verwandte und ihren Arbeitgeber kontaktiert, ihnen Dinge über sie erzählt, die nicht stimmten.
Ihre Angst war gross. Sie traute sich nicht mehr aus dem Haus und ging schliesslich zur Polizei. Ohne Erfolg. Die Belästigungen seien nicht häufig und schwerwiegend genug, um etwas zu unternehmen, hiess es. Dass jetzt eine andere Frau wohl von ihm erschossen worden ist, gibt ihr zu denken:
Und nicht nur sie: Sie sei mit vier anderen Frauen in Kontakt gewesen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hätten.
Eine weitere Frau, die den mutmasslichen Täter seit über 10 Jahren durch einen Freund kennt, berichtet gegenüber Le Nouvelliste ebenfalls von Belästigungen. Auf den ersten Blick habe er freundlich und schüchtern gewirkt, doch dann habe sich das geändert. Er begann ihr viel zu schreiben, verfolgte sie mit dem Auto und begann Nachrichten über sie an ihre Facebook Kontakte zu schicken. An diesem Punkt, das war 2014, wollte sie Anzeige erstatten und wandte sich an die Polizei. Doch auch ihr sagten sie, dass es dafür zu wenig Anhaltspunkte gebe. Dass sie den Schritt nicht gemacht hat, verfolgt sie jetzt:
Er habe online häufig falsche Profile benutzt und wusste genau, wie weit er gehen konnte, um unter dem Radar zu fliegen.
Die dritte Frau, die mit Le Nouvelliste sprach, lernte den Mann über Online-Foren zu Autos kennen. Dort sei der mutmassliche Täter, als «der weisse Wolf» bekannt gewesen. Sie sei vor ihm gewarnt worden, da er schon früher andere Frauen belästigt haben soll.
Er machte auch vor ihr nicht Halt. Sie erzählt:
Teilweise habe er online ohne Auslöser anderen Männern gedroht.
Sein schlechter Ruf reicht bis über die Schweiz hinaus. Wie La Nouvelliste weiter schreibt, werde eine französische Werkstatt bereits seit sechs Jahren vom mutmasslichen Täter schikaniert. Dies, nachdem er in der Werkstatt Modifikationen an einem Fahrzeug hatte vornehmen lassen und es danach Meinungsverschiedenheiten dazu gegeben hatte. Ein französischer Mechaniker der Werkstatt erzählt gegenüber La Nouvelliste, dass sie sich am Montag sofort geschützt hätten, nachdem sie gehört hätten, was in der Schweiz vorgefallen sei.
Es steht die Frage im Raum, ob man nicht mehr hätte tun können, um diese Tragödie zu verhindern. Staatsanwalt Olivier Elsig zweifelt daran:
(saw)
Bei uns können Stalker:innen noch immer sehr lange gewähren, weil alle ihre Schritte separat betrachtet werden und so teilweise nicht mal strafrechtlich relevant sind.
Mehrere Frauen über Jahre hinweg massiv belästigen ist also „harmloses Verhalten“? Totale Arbeitsverweigerung nenne ich das!
Würde mich nicht wundern wenn er die Schusswaffe ganz legal erworben und offiziell registriert hat und keiner auch nur auf die Idee kam das sei etwas heikel bei einem Typen der notorisch Frauen belästigt und zu Drohungen neigt.