Kommandant Maurizio Dattrino blickt direkt in die Kamera. «Unser Auftrag wird – ich hoffe – langweilig sein.» Denn 99,9 Prozent der Zeit passiere nichts. «Es bleibt aber ein 0,1-Prozent-Risiko. Dafür müssen wir bereit sein», sagt er im Grusswort an die 5000 Armeeangehörigen, die am Weltwirtschaftsforum in Davos die zivilen Behörden unterstützen. Mit einem Grossaufgebot schützte die Armee letzte Woche Objekte, Personen und den Luftraum. Doch waren Dattrino und seine Männer gewappnet?
Nein, sagt der ehemalige Basler Polizeikommandant Markus Mohler. In einem rechtswissenschaftlichen Aufsatz, der bald in einem Fachjournal erscheinen wird, hat er die Assistenzdienste der Armee unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Armeeangehörige seien nicht ausreichend für heikle Situationen ausgebildet, in denen sie innert Sekundenbruchteilen entscheiden müssten, ob sie mit dem Sturmgewehr, einer Kriegswaffe, schiessen dürfen oder nicht.
Kritisch ist Mohler, wenn es um die Polizeibefugnisse geht. Diese werden der eingesetzten Truppe für die Dauer des WEF-Einsatzes von der Kantonspolizei Graubünden erteilt. So steht es in der Botschaft an das Parlament. Dadurch könne die Truppe auch polizeiliche Zwangsmassnahmen anwenden, etwa Personenkontrollen, Festnahmen oder als letztes Mittel der Gebrauch einer Schusswaffe. Dies entspricht aber nicht der Rechtslage nach Gesetz und Verordnungen.
«Was Berufspolizisten – nach sorgfältiger Selektion in Bezug auf ihre Eignung für den Beruf – im Rahmen einer zweijährigen Ausbildung lernen, kann die Armee nicht innert weniger Tage schaffen», kritisiert Mohler. Zum Beleg verweist er auf eine Medienmitteilung der Armee von Anfang letzter Woche. Dort heisst es, Armeeangehörige würden in den nächsten Tagen über den allfälligen Einsatz polizeilicher Zwangsmassnahmen «vorbereitet und zertifiziert».
«Die im Sicherheitsbereich eingesetzten Armeeangehörigen sind gut ausgebildet», beschwichtigt Armeesprecher Urs Müller. Die sechstägige einsatzbezogene Ausbildung diene «lediglich als Auffrischung des Gelernten». Für ihre jeweiligen Aufgaben seien die Armeeangehörigen «im Grundausbildungsdienst gründlich ausgebildet» und «in jährlichen Wiederholungskursen auf dem aktuellen Stand» gehalten worden.
Für Mohler ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Diese Ausbildung genüge nicht, um die UNO-Grundprinzipien zur Anwendung von Gewalt und Schusswaffen durch Sicherheitskräfte, ob Polizei oder Militär, zu erfüllen. Diese setzten ein professionelles Training voraus und eine periodische Überprüfung der verlangten Qualitäten anhand dieser Prinzipien.
Laut Mohler hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mehreren Urteilen über den Schusswaffeneinsatz staatlicher Ordnungskräfte diese Prinzipien als Massstab zu Grunde gelegt. Es geht um den Grundrechtsschutz. Auch das Bundesgericht urteilte 2013, die Einhaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips setze «eine spezifische Schulung für diese Aufgabe» voraus. Zudem müssten die einzusetzenden Mittel auch verhältnismässig sein. Das Sturmgewehr ist es nicht.
In den Augen von Mohler geht es dabei nicht nur um den Waffengebrauch, der in der Schweiz ohnehin selten vorkommt. So registrierten die Schweizer Polizeikorps 2022 lediglich sechs Schusswaffeneinsätze. Ein ebenso wichtiger Teil der Ausbildung sei das taktische Training – also die Frage, wie sich unmittelbar lebensbedrohliche Situationen vermeiden liessen. Für Mohler erfüllt innerhalb der Armee einzig die Militärpolizei diese Anforderungen.
Auf Nachfrage lässt die Armee diese Einwände nicht gelten: «Weder das Bundesgericht noch der EGMR legen Mindestanforderungen für die Schusswaffenausbildung für Sicherheitskräfte fest», schreibt sie. Das könne «höchstens im konkreten Einzelfall» beurteilt werden. Diese Aussage verneine, dass auch Urteile die Rechtslage gestalten; sie verneint deren präjudizielle Wirkung. «Das ist starker Tobak», antwortet Mohler.
Es ist nicht die einzige Kritik des ehemaligen Polizeikommandanten. Er zweifelt generell daran, dass die gesetzliche Grundlage für die Armeeeinsätze am WEF ausreicht. «Es ist ein riesiges Durcheinander unterschiedlicher Gesetze und Verordnungen, die sich teilweise widersprechen.» (aargauerzeitung.ch)
Wer Pauschal behauptet, das Sturmgewehr sei nicht verhältnismässig, hat den Begriff Verhältnismässigkeit nicht verstanden.
Andere Aufträge kann die Polizi zudem gar nicht. Schutz des Luftraumes z.B. kann nur die Armee. 🤷♂️
2. Euer gewähltes Bild ist irreführend: Man sieht AdA, die Ter Gitter aufstellen und somit ein Objekt härten - die sind (ohne Ausrüstung!) nicht im Sicherungseinsatz.