Die Sonne brennt im Berner Marzilibad bereits um 10 Uhr morgens erbarmungslos vom stahlblauen Himmel. Braungebrannte «Sünneler» breiten ihr Badetuch auf den Holzpritschen an der Aare aus. Auf den ersten Blick zeugen nur der verschlammte Rasen sowie einige Absperrbänder vom Hochwasser, welches das grösste Flussbad Europas letzte Woche heimgesucht hat.
Eines trifft die Bernerinnen und Berner jedoch mitten ins Herz: Trotz Hochsommerwetter ist die Aare nicht bebadbar. Denn wie in vielen anderen Schweizer Flüssen herrscht in der Aare Bade- und Böötliverbot. Nach dem Corona-Frühling und dem verregneten Sommer-Anfang vermiest nun das Hochwasser die Badefreuden: «Das ist die schlechteste Aare-Saison, die ich je erlebt habe», sagt der 77-jährige Berner Jürg Eymann, der im Marzili-Quartier aufgewachsen ist.
Nach der Sintflut von letzter Woche hat sich zwar die Farbe der Berner Lebensader von dunkelbraun zu milchigem smaragdgrün verändert. Mit 370 Kubikmeter pro Sekunde führt der Fluss aber nach wie vor extrem viel Wasser. Strudel am Ufer zeugen von der immensen Kraft, die die Strömung derzeit hat; mit gut 14 Grad ist das Wasser für die Saison zudem eisig kalt. Der Jahresrekord für 2021 liegt bei äusserst bescheidenen 18,6 Grad (20. Juni, Bern-Schönau).
Trotzdem hat der rüstige Rentner Jürg Eymann einen kurzen Aareschwumm gewagt. Wie einige andere meist ältere Zeitgenossen. «Den Aareschwumm lasse ich mir nicht auch noch verbieten. Man muss aber natürlich bei dieser Strömung sehr gut aufpassen. Aber ich bin kein Grünschnabel, sondern kenne jeden Millimeter der Aare», so Eymann, der als Segler schon zwei Mal den Atlantik überquerte.
In die Aare oder nicht? Diese Frage sorgt für Diskussionen auf der Holzpritsche: «Bei diesem Wasserstand gehe ich sicher nicht ins Wasser, das ist einfach dumm. Ich bin schon einmal fast ertrunken», sagt Carla Brunner (71). Die Polizei appelliert derweil an die Eigenverantwortung der Menschen. Im Rahmen der üblichen Patrouillen sei man auch bei den Gewässern unterwegs: «Wer trotz des Verbots schwimmt und auch im Gespräch keine Einsicht zeigt, muss mit einer Anzeige rechnen», sagt Kapo-Sprecherin Lena Zurbuchen.
Ein Aareschwumm als No-Go. Darob blutet auch Kaspar Allenbach das Herz. «Schnäu, schneuer, Boumstamm»: Der Betreiber der Kult-App «aare.guru» erheitert die User mit flotten Sprüchen. Seine Stimmung ist dennoch ziemlich im Keller, da trotz Hochsommer kein Sprung in die kühle Aare drin liegt. «Es fühlt sich an, wie wenn einem die Speckschwarte vor dem Mund durchgezogen wird. Es ‹schisst› total an», so der Grafiker.
Himmuheilandtonnersiech.
— Aare Guru (@Aareguru) June 29, 2021
Iz langsam schisserlets mi de so richtig a. Mis Zen Reservoir isch ufbrucht. Was söu das geschiffe die ganzi Zit. I bi so Aare ready, aber neeeeei, es söu ja ndi si. So reduziertsech di Wassermängi ja nie.
I bi mit dr Gsamtsituation unzfride!
«Not amused» über die Launen von Petrus sind auch die Vermieter von Aare-Schlauchbooten. «Im Juni und Juli habe ich kaum ein Boot vermietet. Und jetzt können wir nur auf bessere Zeiten hoffen, aber so ist halt die Natur», sagt Ruedi Brunner, Inhaber der Schlauchbootvermietung aareboot.ch. Im Gegensatz zu den anderen grossen Schlauchboot-Firmen, welche bis 50 Boote besitzen, habe er als Einzelfirma immerhin keine Angestellten, die er bezahlen müsse. «Jetzt hoffen wir alle einfach auf einen schönen August und einen warmen September», so Brunner.
Die Wetterprognosen verheissen allerdings nichts Gutes. Meteorologen warnen für das kommende Wochenende vor unwetterartigen Gewittern. Somit steht weiter in den Sternen, wann die Abflüsse der Aare, Limmat & Co. ein saisongerechtes Level erreichen – und die Aare wieder bebadbar ist. Und wann das Badeverbot durch die Regierungsstatthalter aufgehoben werden kann.
Dann geht doch die nächsten Tage in ein Freibad. Kauft euch ein Raketenglacé und eine Portion Fritten.
Also wirklich.
Die da oben wieder...