Vor kurzem waren wir noch in Sorge wegen des verbrannten, bräunlichen Rasens und der welkenden Tomatenpflanzen im Garten. Nun regnet es schon seit zwei Wochen täglich und die Rasenhalme sind wieder sattgrün. Die Bergspitzen dagegen sind weiss. Bis auf unter 2000 Meter hat es in der Nacht auf den Montag geschneit, was zu ungewohnten Winterbildern führte. Ein Zuckerguss liegt auf dem Säntis, dem Jochpass und auf der Baustelle der Station Stand bei den Titlisbahnen.
«Damit es in den Alpen im August zu Schneefällen bis in mittlere Lagen kommt, muss die Luft ursprünglich aus den polaren Regionen Europas stammen», erklärt Cornelia Schwierz von Meteo Schweiz. «Mit einer kräftigen Nordwest- bis Nordströmung, wie wir sie am Sonntag und am Montag hatten, gelangt diese kalte Luft so rasch zu den Alpen, dass sie sich unterwegs kaum erwärmen kann.» Und so wird aus dem Regen der für die Jahreszeit ungewöhnliche Schneefall bis in tiefere Lagen.
Und dieser Regen war deftig in den vergangenen Tagen. Von Freitagabend bis am Samstagmorgen sind innert 24 Stunden am Alpennordhang verbreitet zwischen 30 und 50 Millimeter Regen pro Quadratmeter gefallen. An einigen Orten kamen allein in nur zwölf Stunden sogar über 60 Millimeter zusammen. Da in St.Gallen noch ein Gewitter dazu kam, reichte es in nur sechs Stunden sogar für 65 Millimeter. Dies entspricht nach Meteo Schweiz der dritthöchsten Niederschlagssumme in sechs Stunden seit Messbeginn vor über 150 Jahren.
Der Samstag war dann etwas ruhiger wegen eines Zwischenhochs. Während sich die Restfeuchte weiterhin in den Alpen staute, lockerte die Bewölkung in den Niederungen der Alpennordseite vorübergehend auf und machte zum Teil der Sonne Platz. Wer es noch sonniger wollte, musste ins Tessin reisen, wo ein kräftiger Nordwind für trockene und sonnige Verhältnisse sorgte.
Am Sonntag machte sich dann aber das Tief über den britischen Inseln stark bemerkbar. Von dort wurde durch die für die Jahreszeit sehr kühle Luft zu den Alpen geführt und am Alpennordhang gestaut. Darauf sank die Schneefallgrenze bis unter 2000 Meter.
Die Kälte verdirbt einigen die Ferien und den Seilbahnbetreibern kostet sie Kundinnen und Kunden. Über Sommerschnee in den Bergen hätte sich im letzten Jahrhundert noch kaum jemand aufgeregt. Solche Kaltlufteinbrüche im Sommer mit Schnee bis in die Höhenlagen von Alpweiden und Pässen waren bis vor einigen Jahrzehnten ein fast jährliches Ereignis, schreibt Meteo Schweiz. Nun gehen als Folge des Klimawandels viele subjektiv davon aus, dass es in den letzten Jahren weniger solche Schneefälle im Sommer gegeben hat.
Um diese Frage zu klären, haben Cornelia Schwierz und ihre Kollegen von der Abteilung Klima von Meteo Schweiz Daten von drei Messstationen in den Ostalpen ausgewertet. Und zwar die jährliche Anzahl der Tage, an denen im Juli oder August an den Messstationen Arosa, Weissfluhjoch sowie am 2500 Meter hohen Säntis Neuschnee gemessen wurde.
Dabei zeigt sich deutlich, dass die Anzahl der Neuschneetage im Laufe der Jahrzehnte abgenommen hat. Am deutlichsten jedoch in den letzten zehn Jahren. Sieht man sich nicht die Neuschneetage an, sondern die Schneemenge in den letzten 60 Jahren, ist die Beobachtung die gleiche.
Die Alpen oberhalb 2000 m wurden etwas angezuckert, auf dem #Säntis gab es 6 cm #Neuschnee. Nun wird es aber von Tag zu Tag wärmer. ^sba pic.twitter.com/M2d9ENY9E2
— SRF Meteo (@srfmeteo) August 7, 2023
In den Hochsommermonaten hatte es in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren deutlich mehr Schnee als in den letzten 10 Jahren. Das spiegelt die starke Erderwärmung gerade in der Schweiz in den letzten Jahren wieder. In Höhenlagen um 2500 Meter gibt es im Sommer immer weniger Neuschnee im Vergleich zur zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. «Der Eindruck, dass sommerliche Kaltlufteinbrüche in den vergangenen Jahren deutlich seltener geworden sind, trügt also nicht», erklärt Schwierz.
An Skifahren muss wegen des Neuschnees niemand denken. «Allzu lange dürfte der Schnee nicht liegen bleiben», sagt Patrick Stierli von Meteo Schweiz. Schon am Montagnachmittag ist unterhalb von 2500 m ü. M. bereits wieder einiges weggeschmolzen. Am Dienstag steigt zudem die Nullgradgrenze wieder über 3000 Meter, womit bis am Dienstagabend unterhalb davon kaum mehr etwas übrig sein dürfte. «Zumal es ja ohnehin nicht überall weiss geworden ist», sagt Stierli. In den kommenden Tagen wird ein Hochdruck über dem Mittelmeerraum und Mitteleuropa das Wetter prägen. Schon am Donnerstag wird es 26 Grad und am Freitag 29 Grad. Die nächste Woche werden über 30 Grad vorausgesagt.