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Wetter

Kaum Regen in der Schweiz: Gut für unsere Seelen, schlecht für die Natur

Frühlingsgefühle statt Corona-Blues auch in Morges.
Frühlingsgefühle statt Corona-Blues auch in Morges.bild: keystone

Seit dem Lockdown fällt kaum Regen – gut für unsere Seelen, aber schlecht für die Natur

Das Licht der Sonne manipuliert unsere Gefühle positiv. Die Trockenperiode kommt uns also gelegen – der Vegetation weniger.
15.04.2020, 06:33
Katja Fischer De Santi / ch media
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Was sind das für Tage! Während uns die Coronakrise verängstigt und einschränkt, explodiert draussen die Natur. Pralles grünes Leben wo man hinblickt, Sonnenschein bei 20 Grad, wolkenloser Himmel tagelang. Es könnte fast nicht schöner sein. Und während man im Liegestuhl das ideale Verhältnis von Licht und Schatten sucht, ereilt einen der Gedanke, dass sich da ein Wettergott an Wiedergutmachung versucht. Denn der April, das war einmal der Monat, in dem es abwechslungsweise schneite, hagelte und regnete.

Blühende Bäume Mitte April und Waldbrandgefahr

Nicht so dieses Jahr. An vielen Orten gab es seit vier Wochen – just als der Lockdown begann – keinen oder kaum mehr Niederschlag. Auch die Temperaturen stiegen seither kontinuierlich und weit über das übliche ­Monatsmittel hinaus. Bereits blüht der Raps, die ersten Birn- und Apfelbäume stehen im ­Mittel­land im vollem Bluest, Wochen früher als üblich. Die Kehr­seite davon: Die Waldbrandgefahr steigt jeden Tag, erste Kantone sprachen ein Feuerverbot aus, die Äcker sind staubtrocken, Flüsse wie Aare, Reuss, Limmat und Hochrhein weisen zu tiefe Pegelstände aus. «Gerade jetzt in der eigentlichen Vegetationsphase fehlt das Wasser völlig», schreibt Meteorologe Felix Blumer auf «SRF Meteo».

Ein Velofahrer geniesst die herrliche Frühlingslandschaft in Ennetmoos im Kanton Nidwalden.
Ein Velofahrer geniesst die herrliche Frühlingslandschaft in Ennetmoos im Kanton Nidwalden.bild: keystone

April wird zum Frühsommermonat

Doch zumindest die hohen Temperaturen seien nicht so unüblich, führt Blumer aus. «Der April ist einer der Monate, die sich in den letzten 20 Jahren am stärksten verändert haben». Seit 2007 würde die mittlere April-Temperatur immer häufiger über 12 Grad liegen, zweimal davon gar über 14 Grad. «Auch dieses Jahr werden wir wohl wieder deutlich über dem Schnitt von 10 Grad liegen mit trockenem Wetter und Temperaturen wie im Frühsommer», heisst es bei «SRF Meteo».

Bereits liest man erste Warnungen vor einem erneuten Dürresommer. «Die Disposition, in eine Trockenheit hineinzurutschen, ist gegeben», sagte Massimiliano Zappa von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL gegenüber der «NZZ am Sonntag». Doch solche Meldungen klicken wir jetzt schnell weg. Wenigstens am schönen Wetter wollen wir uns erfreuen dürfen. Es bleibt ja sonst nicht viel zum Freuen, ausser das dritte selbstgemachte Bananenbrot.

Ein trockenes Feld mit Winterzwiebeln in Bad Ragaz. Seit Mitte März hatte es auch hier kaum geregnet.
Ein trockenes Feld mit Winterzwiebeln in Bad Ragaz. Seit Mitte März hatte es auch hier kaum geregnet.bild: keystone

Biopsychologen attestieren uns schon lange eine «intime Grundbeziehung» zum Wetter. Was nichts anderes bedeutet, als dass wir, obwohl nicht mehr auf Gedeih und Verderb einem Wettergott ausgeliefert, unser Handeln und Fühlen nach der Sonne richten. Teilweise lässt sich das mit unserem Hormonhaushalt erklären. Strahlt das Sonnenlicht intensiver, schüttet unser Körper weniger vom Schlafhormon Melatonin aus, wir fühlen uns fitter und frischer. Und durch das Licht zirkuliert in unserem Körper mehr des Glückshormon Serotonin. Der Botenstoff unterstützt Vitalität und Lebensfreude und mildert Ängste ab.

Der Frühling und die Sonne helfen gegen den Corona-Blues

Natürlich, bei schlechtem Wetter hätte die Polizei weniger damit zu tun, in Pärken und an Uferpromenaden Menschenansammlungen aufzulösen, dafür müsste sie wohl häufiger wegen häuslicher Gewalt ausrücken. Auch bei den Psychologen und Psychiatern würde bei Dauerregen das Notfalltelefon noch häufiger klingen. Er wolle sich gar nicht vorstellen, wie es einigen seiner Patienten jetzt gehen würde, wenn das Wetter garstig wäre, sagt ein Ostschweizer Psychologe. «Die erwachende Natur hilft den Menschen sehr, an eine positive Zukunft zu glauben.» Er rate allen, sich jetzt an der Natur zu erfreuen. «Nichts ist einfacher, nichts effektiver für die Psyche als ein Spaziergang bei Sonnenschein.»

Dass uns schönes Wetter tatsächlich hilft freundlicher und sozialer zu sein, stellte Nicolas Guéguen, Soziologe an der französischen Universität in Vannes, mit einem einfachen Experiment fest. Er liess zwei Männer und zwei Frauen bei unterschiedlichen Wetterlagen autostoppen. Nach fast 3000 Versuchen kam er zu einem eindeutigen Ergebnis: An sonnigen Tagen hielten mehr Autofahrer als an bewölkten.

Menschen geniessen in Luzern das Wetter beim Tribschen unterhalb des Richard-Wagner-Museums.
Menschen geniessen in Luzern das Wetter beim Tribschen unterhalb des Richard-Wagner-Museums.bild: keystone

Sogar Börsenkurse steigen bei Sonnenschein am Morgen

Das Gleiche gilt für Flirtversuche. Bei wolkenlosem Himmel lag die Erfolgsquote der Probanden bei 22 Prozent, bei bedecktem Himmel nur bei 14 Prozent. Aber nicht nur auf das Flirten auch auf Aktienkurse hat das Wetter einen Einfluss. An Börsen steigen die Kurse, wenn morgens die Sonne scheint. Das konnten zwei amerikanische Wirtschaftswissenschafter anhand der Wetterdaten und Kursverläufe nachweisen.

Die SIX Group hat für 2019 einen höheren operativen Gewinn gemeldet. (Archivbild)
Die Sonne scheint in der Finanzwelt nicht richtig.Bild: KEYSTONE

Dass das mehr als Gefühlsduseleien sind, zeigten bildgebende Verfahren. Sie dokumentierten, dass heisse oder kalte Stimuli eine starke Aktivität im Inselcortex auslösen, dem Teil des Hirns also, in dem das Glück wohnt und in dem unsere empathischen Fähigkeiten zu Hause sind.

Es ist also ein Fakt, dass das Licht und die Wärme der Sonne unsere Gefühle manipulieren. Sollte sie tatsächlich wie prognostiziert bis Ende April scheinen, so wäre uns das aus psychischen Gründen recht. Der Natur würden wir aber ein paar Regengüsse mehr als gönnen. Das satte Grün soll uns ja erfreuen und nicht verdorren.

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7 Kommentare
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PrinzLionel
15.04.2020 07:16registriert November 2018
Und dass es nie regnet in dieser Zeit, bedeutet auch, dass die Pollenallergiker viel mehr leiden. Ich wäre wegen der Natur und wegen der Allergie sehr froh, wenn es aktuell mehr regnen würde.
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