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Winter

Bagger sollen in Zermatt Gletscher für Ski-Rennen zerstören

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Das Ski-Gebiet in Zermatt liegt so hoch, dass auch im Sommer Ski gefahren werden kann. Nun sollen in diesem Gebiet auch Ski-Weltcup-Rennen stattfinden.Bild: Shutterstock

Bagger sollen in Zermatt Gletscher für Ski-Rennen zerstören – das steckt dahinter

18.10.2023, 10:3218.10.2023, 15:26
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«Bagger zermalmen Gletscher in Zermatt für Weltcup-Skirennen» titelte 20 Minuten am Montag einen Beitrag, der bei Lesenden für Empörung sorgte.

Darin wird beschrieben, wie sich am Theodulgletscher bei Zermatt Bagger ins Eis graben würden. Dahinter stecke die im November anstehenden Ski-Weltcuprennen. Bei den Abfahrten am 11. und 12. November werden die Männer und am 18. und 19. Frauen in Höchstgeschwindigkeiten über den Gletscher brettern. Gestartet wird in Gobba di Rollin in der Schweiz, ins Ziel eingefahren wird im italienischen Laghi Cime Bianche. Dazwischen führten laut dem Veranstalter zwei Drittel der Strecke über den Gletscher. Dieser müsse in Vorbereitung auf die Rennen präpariert werden.

Die Bagger, die während Wochen auf dem Gletscher zu Werke waren, warfen aber bei vielen Beobachtern und Beobachterinnen Fragezeichen auf. Auf Bildern der Bagger macht es den Anschein, als würden sich diese regelrecht durch den Gletscher fressen und die Oberfläche abtragen. Angesichts der voranschreitenden Gletscherschmelze, die laut jüngsten Berichten besonders das südliche Wallis betrifft, für viele ein schmerzhafter Anblick.

Hinzu kommt noch der Vorwurf von 20 Minutes, dem französischen Ableger von 20 Minuten, dass einige der bearbeiteten Bereiche nicht Teil des kommunalen Nutzungsplans gewesen seien.

Was ist an den Vorwürfen dran?

Gegen diese Behauptungen wehrte sich Zermatter OK-Chef Franz Julen am Dienstag gegenüber 20 Minuten:

«Wir haben nichts zum Verbergen. Wenn die Behörden die Situation anschauen wollen, können sie das gerne machen. Wir weisen alle Vorwürfe entschieden zurück. Wir wurden mit Pistenplänen und Streckenrückführungen konfrontiert, die nicht der Realität entsprechen.»
Franz Julen, Verwaltungsratspraesident Zermatt Bergbahnen, holding a speech at the valley station Testa Grigia of the new gondola during the official opening of the new Matterhorn Glacier Ride II from ...
Franz Julen bei der Eröffnung der neuen Gondel Glacier Ride II am 30. Juni 2023 in Zermatt.Bild: keystone

Es sei zwar korrekt, so Julen weiter, dass drei Bagger während drei Wochen auf dem Gletscher gearbeitet hätten, diese hätten jedoch nichts «abgebrochen». Stattdessen seien Spalten mit Eis und Schnee gefüllt worden, um so die Piste zu sichern.

Dem Zermatter OK-Chef gehen diese Vorwürfe nah. Er betont:

«Niemand kennt das Gletschersterben so gut wie wir in Zermatt. Wir wissen, um was es geht und nehmen dieses sensible Thema ernst.»

Dass sie nun zum Sündenbock gemacht würden, sei nicht verhältnismässig, so Julen weiter. Er verweist auf China, wo für Olympia neue Skigebiete aus dem Boden gestampft worden seien. In Katar seien derweil neue Fussballstadien gebaut worden, die noch hätten heruntergekühlt werden müssen.

Nicht nur der Ski-Weltcup ist das Problem

Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, gibt auf Anfrage von 20 Minuten Entwarnung: Bauarbeiten durch Baumaschinen hätten zwar einen lokalen Einfluss auf die Eisdicke, seien aber insofern nicht schädlicher für den Gletscher als der normale Skibetrieb. Die Gletscherschmelze werde durch Skipisten weder beschleunigt noch gebremst. Er verweist allerdings im Allgemeinen auf die Problematik des Skitourismus im Hochgebirge. Mit dem Aufbau der ganzen Infrastruktur sei der Eingriff in die Natur stark. Zudem verursache der Betrieb Emissionen und lokale Verschmutzung.

Matthias Huss, glaciologue a l'Ecole polytechnique de Zurich (ETH Zurich), parle aux journalistes devant une station meteorologique automatique lors du releve des mesures du bilan de masse pour d ...
Gletscher-Experte Matthias Huss.Bild: keystone

In dem bereits bekannten Skigebiet in Zermatt wurde bisher noch nie ein Fis Ski-Weltcup-Rennen durchgeführt. Die Premiere des neuen Weltcup-Austrageorts hätte zwar bereits letztes Jahr stattfinden sollen, musste aber aufgrund Schneemangel abgesagt werden. Dieses Jahr sieht die Lage trotz des heissen Sommers besser aus. Die Temperaturen sind tief und in den nächsten Tagen dürfte es schneien. Bereits Anfang Oktober äusserte sich Franz Julen optimistisch gegenüber SRF:

«Wir sind organisatorisch bereit und davon überzeugt, dass die Piste Ende Oktober für die Schneekontrolle bereit ist.»

Die Weltcup-Saison der Skirennfahrerinnen und Skifahrer wird am 28. und 29. Oktober im Tiroler Skiort Sölden eröffnet. (saw)

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Individuum
18.10.2023 10:46registriert Januar 2019
Auch wenn dies keinen Einfluss auf das Gletschersterben haben sollte, ist dies einfach nur Gaga... Da fässt man sich halt schon einfach nur an die Stirn, wenn man die Bilder sieht.
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El_Chorche
18.10.2023 11:25registriert März 2021
"Wenn die Behörden die Situation anschauen wollen, können sie das gerne machen."

Ich wette, die Behörden die er da meint, kommen aus dem Wallis. Ausserkantonale Prüfer könnten ja zu einem für das Wallis ungünstigen Schluss kommen.
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Tiefe7
18.10.2023 12:26registriert Juni 2023
Einen Einfluss auf den Gletscher hat das sicher nicht, aber als „halber Walliser“ weiss ich aus Erfahrung, dass es die Walliser mit dem Gesetz nicht immer so genau nehmen: Siehe Autobahnbau A9, siehe Zweitwohnungs-Initiative, siehe Beschneiungsanlagen oder siehe Bergbahn-Neubauten aufgrund gefälschter Bilanzen 😊
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