Post und Coop entdecken den Prämienherbst und mischen im Geschäft mit Krankenkassen mit
Krankenkasse wechseln? «Wir helfen Ihnen dabei.» Dieses Versprechen stammt nicht etwa von einem Versicherungsprofi oder einem Experten für Gesundheitsfragen, sondern von der Post. In einem Mail an Kundinnen und Kunden verspricht der Bundesbetrieb eine persönliche Beratung «ohne Druck». Diese sei «kostenlos und unkompliziert» und werde von «kompetenten Beratern» durchgeführt.
«Spinnts denen?», fragt eine Leserin, die ein entsprechendes Mail erhalten hat. Sie landete auf dem Verteiler der Post, weil sie elektronische Dienste des Konzerns nutzt. Dass die Post als Staatskonzern Krankenkassen vermittelt, hält sie für problematisch. Tatsächlich ist das Angebot weniger objektiv, als es den Eindruck machen könnte: Die Post vermittelt nämlich nur Termine, bei denen Versicherungen der Assura, Sympany und Groupe Mutuel verkauft werden. Diese Kassen haben sich in den Postfilialen eingemietet.
Das Mail ging an fast 100'000 Personen in den Kantonen Bern, Zürich, St. Gallen und Neuenburg, die im Umkreis einer sogenannten Beratungsfiliale der Post wohnen, sagt Post-Sprecher Patrick Stöpper. Dabei handelt es sich um jene 40 Filialen, in denen die drei genannten Krankenkassen – oder einzelne davon – eingemietet sind.
Dass die Post nur Angebote dieser drei Kassen vermittle, werde für die Kundinnen und Kunden auf der Website sichtbar, die im Mail verlinkt sei, sagt Stöpper. «Wir verstehen aber, dass die Marketing-E-Mail missverständlich sein kann». Intern werde nun geprüft, wie die Post «weiterhin eine transparente Kommunikation sicherstellen kann».
Post-Personal vermittelt Krankenkassenangebote
Das Angebot sei gesetzeskonform, betont Stöpper. Die Post agiere nicht als Maklerin, sondern als «gebundene Vermittlerin». Das Mail habe nur Kundinnen und Kunden erreicht, die bei Online-Anwendungen der Post ihre Einwilligung zu postbezogener Werbung erteilt hätten. Dass die Vermittlung einer Krankenversicherung als «postbezogen» gilt, dürfte sich jedoch nicht allen erschliessen.
Die Zusammenarbeit des Staatsbetriebs mit den Krankenkassen sorgte bereits in der Vergangenheit für Kritik. So berichtete CH Media vor zwei Jahren von einem Fall, in dem eine Mitarbeiterin der Post einem Kunden eine Versicherung der Assura empfahl, weil ihr aufgefallen war, dass dieser einen eingeschriebenen Brief an eine andere Krankenkasse aufgab. Die Post bestätigte damals, dass ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kundschaft auf die Angebote der Kassen aufmerksam machen sollen, mit denen sie zusammenarbeitet.
Ähnliche Angebote bietet die Post auch für Rechtsschutzversicherungen oder Behördendienstleistungen. Angesichts des hohen Volumens tobt der Kampf um neue Kundinnen und Kunden bei den Krankenkassen aber besonders hart.
Coop-Superpunkte im Tausch gegen eine CSS-Offerte
Das zeigt auch eine aktuelle Marketingkampagne der CSS. Diese spannt mit dem Detailhändler Coop zusammen. Viele Besitzerinnen und Besitzer einer Supercard erhielten in den vergangenen Tagen zum Teil mehrere Mails von Coop mit einem Spezialangebot: Wer sich eine Krankenkassen-Offerte von der CSS zukommen lässt, erhält 555 Superpunkte.
Das entspricht umgerechnet einem Warenwert von 5.55 Franken. «Klingt nach einem gesunden Deal», heisst es im Mail von Coop. Das Kalkül der CSS dürfte sein, dass viele Interessierte eine Offerte auch gleich annehmen, wenn sie sich schon die Zeit genommen haben, diese auszufüllen und offensichtlich auf der Suche nach einer neuen Kasse sind. Dass auch Kundinnen und Kunden von den Superpunkten profitieren, die die Offerte ignorieren, dürfte einkalkuliert sein.
Ob und wie viel Geld dafür von der CSS an Coop fliesst, will der Detailhändler nicht sagen. Man äussere sich zu Vertragsinhalten nicht öffentlich, sagt Sprecherin Sina Gebel. Die Kooperation sei in den vergangenen Jahren von der Kundschaft aber «sehr positiv» wahrgenommen worden.
Auf finanzielle Anreize setzen auch die Kassen Atupri und KPT. Sie spannen mit der Digitalbank Neon zusammen. Kundinnen und Kunden, die eine Offerte der beiden Kassen einholen, erhalten 20 Franken auf ihr Konto überwiesen – «selbst wenn du keines der Angebote annimmst», wie Neon im Mail an die Kundschaft verspricht.
Der Werbespuk dauert noch bis Ende November. Bis dann kann die Grundversicherung gewechselt werden. Die Kassen setzen bei der Akquise nicht nur auf Post-Dienste, Superpunkte und Bargeldgeschenke, sondern auch auf emotionale Werbung im Fernsehen oder in sozialen Medien. Viele Wechselwillige prüfen aber auch Angebote auf – vermeintlich – unabhängigen Vergleichsportalen. Dass auch diese nicht immer neutral sind, zeigte ein Fall aus dem Jahr 2023. Damals berichtete der «Tages-Anzeiger», dass Comparis eine kleinere Krankenkasse nicht mehr in seinem Vergleich aufführte, weil sie keine Provisionszahlungen leisten wollte. (aargauerzeitung.ch)