Schweiz
Wirtschaft

Besuch beim beliebtesten Arbeitgeber der Schweiz: «Nein, wir haben keine Rutschbahn»

Besuch beim beliebtesten Arbeitgeber der Schweiz: «Nein, wir haben keine Rutschbahn»

Die Firma Soudronic stellt Produktionsanlagen für Blechdosen her. Das Unternehmen aus Bergdietikon AG ist der beliebteste Arbeitgeber der Schweiz — trotz harzendem Geschäftsgang.
05.10.2015, 08:2605.10.2015, 09:12
Peter Brühwiler / Aargauer Zeitung
Mehr «Schweiz»

Der Himmel drückt grau auf das Industriegebiet in Bergdietikon und die Hallen der Soudronic AG. Etwas eingetrübt hat sich auch der Geschäftsgang des aargauischen Herstellers von Produktionsanlagen für Blechdosen – schuld ist für einmal weniger der starke Franken als das Ausbleiben von Grossaufträgen aus dem chinesischen Markt.

«Die meisten von Ihnen werden sicher auch am Arbeitsplatz gemerkt haben, dass wir generell weniger Arbeit haben», schreibt Soudronic-CEO Jakob Guyer in der aktuellen Mitarbeiterzeitung. «Der Arbeitsvorrat für Fertigung, Vormontage und Montage ist auf besorgniserregend tiefem Niveau».

Ein paar Zeitungsseiten weiter hinten folgt dann die Kontrastnachricht: Die Soudronic gewinnt den «Swiss Arbeitgeber Award». Die Zürcher icommit GmbH befragte die Mitarbeitenden von 118 Schweizer Unternehmen – und die Soudronic schwingt in der Kategorie «250 bis 1000 Mitarbeiter» obenaus.

Soudronic sorgt für seine Mitarbeiter.
Soudronic sorgt für seine Mitarbeiter.
bild: pr

Personalchefin Brenda Haas stellt zufrieden fest: «Die Identifikation der Angestellten mit der Firma ist riesig.» Teilgenommen habe man an der Umfrage nicht wegen der Trophäe, sondern «um zu sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind». Das scheint man zu sein, und möglicherweise hat die wirtschaftlich schwierige Phase das Zusammengehörigkeits-Gefühl sogar noch verstärkt? Kaum, meint Haas: «Erfolg bringt die Leute zusammen, unsichere Zeiten hingegen lösen Ängste aus.»

Entsprechend wichtig sei die offene Kommunikation der Geschäftsleitung, persönlich vor der Belegschaft oder eben auch in der vierteljährlich erscheinenden Mitarbeiterzeitung: «Die Angestellten müssen wissen, woran sie sind.» Ganz so schlecht, betont Haas, sei die Lage allerdings auch gar nicht. «In den letzten zwei Jahren, die vom Geschäftsgang her die besten in der Soudronic-Geschichte waren, haben wir den Personalbestand stabil gehalten und die Spitzen mit Temporären abgedeckt.»

Brenda Haas ist Personalverantwortliche der Dosen-Maschinenherstellerin Soudronic AG in Bergdietikon AG.
Brenda Haas ist Personalverantwortliche der Dosen-Maschinenherstellerin Soudronic AG in Bergdietikon AG.
bild: Alex Spichale

Für die Festangestellten habe das zwar zu einer höheren Arbeitsbelastung geführt. «Dafür droht jetzt aber auch keine Massenentlassung», sagt Brenda Haas. Nun reicht das Vermitteln von Arbeitsplatzsicherheit für das Prädikat «bester Arbeitgeber» aber wohl kaum. In den USA gibt es, wie «Die Welt» kürzlich berichtete, eine neue Berufsbezeichnung: den Chief Happiness Officer.

Ein Trendsetter ist diesbezüglich der IT-Gigant Google. Am Sitz in Zürich können dessen Mitarbeiter am Billardtisch oder in nach speziellen Motiven gestalteten Pausenräumen ausspannen. Und in Bergdietikon? «Wir haben keine Rutschbahn und auch keine Seilbahn», erklärt Haas schmunzelnd. Einen Swimmingpool gibt’s zwar, aber der wird im nächsten Sommer nicht mehr gefüllt. Benutzt hätten ihn, so Haas, höchstens ein paar Lernende.

Auszubildende bei der Aargauer Firma.
Auszubildende bei der Aargauer Firma.
bild: pr

Man merkt: Von Spielereien à la Google hält die Soudronic-Personalchefin, die selber vor 14 Jahren aus der IT-Branche nach Bergdietikon wechselte, wenig. «Der Zusammenhalt entsteht bei uns über den Job», betont sie. In der Umfrage hat Soudronic denn auch beim Kriterium Arbeitsinhalt besonders gut abgeschnitten. Das heisst: Die Mitarbeitenden fühlen sich ihren Stärken entsprechend eingesetzt.

Rekordtiefe Fluktuationsrate

«Wenn sie ihren Aufgabenbereich ändern oder erweitern wollen, dann unterstützen wir sie dabei», erklärt Haas. So sei ein ehemaliger Automatiker-Lehrling heute zum Beispiel der Leiter des Bereichs Softwareentwicklung.

Ihren Wechsel aus der IT- in die etwas konservativere Industriewelt bereut sie bis heute nicht. «Während auf ein iPhone-Modell jeweils in kurzer Zeit das nächste folgt, sind unsere Maschinen teilweise 35-jährig und immer noch in Betrieb», so Haas. «Das wirkt sich schon auch auf die Mitarbeiter aus.» Soudronic sei – und das meint Haas natürlich im positiven Sinn – «wie ein Kaugummi, der an den Füssen klebt».

Jetzt auf

Die rekordtiefe Fluktuationsrate von unter einem Prozent unterstreicht ihre Einschätzung. Mit hohen Löhnen «erkauft» wird die Treue dabei nicht. «Im Branchenvergleich liegen wir bei 80 bis 90 Prozent», sagt Haas. Entscheidend seien nicht Top-Saläre, sondern eine transparente und nachvollziehbare Lohnpolitik. Auch das ein Unterschied zur schnelllebigeren IT-Welt.

(aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Alnothur
05.10.2015 09:54registriert April 2014
«Swiss Arbeitgeber Award» - wer sich den Namen ausgesucht hat, gehört eigentlich gebüsst, das tut ja in den Augen weh...
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zeit_Genosse
05.10.2015 09:08registriert Februar 2014
Das amerikanische Modell à la Google, wo es darum geht, die Loyalität und Leistungsbereitschaft mit vielen Nebensächlichkeiten zu kaufen, um die Mitarbeitenden 16h auf Standby und 12h im Einsatz zu haben, zieht höchsten bei jungen Leuten und solchen, die später ein Zeugnis von Google als Eintrittskarte in andere Bereiche sehen. Den Loyalität ist nicht das Ziel dort, sondern kurzfristiger Erfolg. Trotzdem/Deshalb melden sich bis 5'000 internationale Bewerber pro Tag. Google ist ein Kontrastbeispiel für viele Unternehmen, nicht nur für Soudronic.
00
Melden
Zum Kommentar
6
    Strom direkt verkaufen: Eigenheimbesitzer bekommen mehr Freiheiten
    Strommarktöffnung durch die Hintertür: Künftig sollen Privathaushalte mit ihrem Solarstrom auch ihre Nachbarn im Quartier oder in der Gemeinde versorgen können.

    Eigentlich ist es eine kleine Revolution, die mit der Revision des Stromversorgungsgesetzes angestossen wurde, eine Art lokale Marktöffnung. Denn ab 2026 können Eigenheimbesitzer, falls ihre Häuser in der gleichen politischen Gemeinde und im gleichen Netzgebiet stehen, nicht nur Strom für den Eigenbedarf produzieren, sondern ihn auch untereinander handeln.

    Zur Story