Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Am Donnerstag hat der Bundesrat die Schliessung aller Einkaufsläden aufgrund der Coronapandemie bis mindestens am 11. Mai verlängert. Noch nicht einmal ein Datum für die Wiedereröffnung gibt es für die Restaurants. Ein Teil der geschlossenen Betriebe weigert sich inzwischen, die Geschäftsmieten für zwangsgeschlossene Räumlichkeiten zu überweisen.
Der Verband der Geschäftsmieter gibt gegenüber CH Media an, dass rund 80 Prozent seiner 500 Mitgliederunternehmen die Miete für ihre rund 2000 Geschäftslokale nicht mehr bezahlen könnten und wollten. Als Reaktion träfen bei den Betrieben zahlreiche Kündigungsandrohungen der Immobilienbesitzer ein.
Die Geschäftsmieter bereiteten sich auf «massenweise» Gerichtsverfahren vor. Der Verband unterstützt seine Mitglieder mit Musterdokumenten zur Anfechtung von Kündigungen und zur Abwehr von Betreibungen, hofft aber immer noch, dass das Parlament den zwangsgeschlossenen Betrieben mit finanziellen Entschädigungen zur Hilfe eilt.
Der Bundesrat lehnt ein Hilfspaket per Notrecht ab und dürfte gemäss gut informierten Kreisen dabei bleiben. Die Wirtschaftskommissionen beider Parlamentskammern befassen sich kommende Woche erneut mit einer Lösung des Mieterstreits.
Eine neue Analyse des emeritierten Rechtsprofessors Paul Richli gibt den Befürwortern einer staatlichen Entschädigung Auftrieb. Der ehemalige Rektor der Universität Luzern kritisiert in dem dreiseitigen Papier das Vorgehen des Bundesrates bei den coronabedingten Betriebsschliessungen.
Die Landesregierung dürfe zur Eindämmung der Pandemie zwar Notrecht anwenden, aber das legitimiere nicht «jedweden entschädigungslosen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie».
Der Jurist spricht sich für eine finanzielle Beteiligung des Bundes an den Mieten für geschlossene Betriebe aus. Es reiche nicht, wenn der Bundesrat Vermieter und Mieter dazu aufrufe, sich über die Frage einer allfälligen Mietzinsreduktion zu einigen. Die Landesregierung übergehe damit mehrere Anhaltspunkte im geltenden Recht für den Umgang mit der aktuellen Situation.
So sehe das Landesversorgungsgesetz vor, dass der Bund bei schweren Mangellagen Geschäftsräume oder Transportfahrzeuge von Unternehmen beschlagnahmen oder ganze Betriebe schliessen könne, um die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen.
Für die betroffenen Firmen seien zur Milderung der «auferlegten Last» aber Abgeltungen vorgesehen. Bei den aktuellen Zwangsschliessungen handle es sich zwar nicht um Beschlagnahmungen, diese wirkten sich für die Betriebe aber ähnlich aus. «Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Bund nicht auch entschädigungspflichtig werden sollte.»
Einen zweiten Anhaltspunkt für eine teilweise Übernahme der Geschäftsmieten durch den Bund ortet Richli im Epidemiengesetz. Darin sei festgelegt, dass die Behörden Personen entschädigen können, die aufgrund der behördlichen Massnahmen zur Eindämmung einer Pandemie Schäden erlitten. Eine Entschädigung sei auch für Personen vorgesehen, die wegen Krankheit, Krankheits- oder Ansteckungsverdacht ihren Beruf nicht mehr ausüben könnten.
Schliesslich sieht der emeritierte Rechtsprofessor auch die Vermieter und Immobilienbesitzer in der Pflicht, sich auf eine vertragliche Mietzinsreduktion einzulassen. Ein wichtiger Grundsatz im privaten und im öffentlichen Recht besage nämlich, dass ein Vertragspartner Anspruch auf eine Anpassung eines Vertrages habe, wenn sich die Umstände ausserordentlich und unvorhersehbar änderten und als Folge ein krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung entstehe.
Zur Beilegung des Mieterstreits schlägt Paul Richli dem Bund und den Mietparteien zwei Varianten vor: Die erste beinhaltet, dass Bund, Vermieter und Mieter über den Zeitraum der Geschäftsschliessungen je einen Drittel der Mieten übernehmen. Die zweite Variante sieht vor, dass der Bund die Hälfte, die Immobilienbesitzer einen Drittel und die Mieter einen Sechstel der Miete tragen.
Die Kosten für den Bund würden sich vermutlich auf mehrere Hundert Millionen Franken belaufen, wenn man eine Studie des Beratungsunternehmens Wüest Partner als Basis nimmt: Die Immobilienexperten schätzen die monatliche Mietsumme für die gesperrten Geschäftsflächen auf 430 Millionen Franken pro Jahr.
Sollte der Bundesrat eine notrechtliche Lösung weiterhin ablehnen, bringt der Luzerner CVP-Wirtschaftspolitiker Leo Müller die Option ins Spiel, in der ausserordentlichen Session vom Mai auf parlamentarischen Weg den Bundesrat zu beauftragen, eine Lösung zur Entschädigung von geschlossenen Betrieben zu erarbeiten.
Der Begriff unternehmerisches Risiko ist leider im aktuellen Sozial- und Staatswahn komplett vergessen gegangen. Die Unternehmen bezahlen auch nicht besonders viel Steuern, wenn es bei ihnen mal besonders gut läuft.
Bildet mehr Reserven, dann seid ihr das nächste Mal vorbereitet.