Stinksauer. So lässt sich Karin Keller-Sutters Laune in etwa umschreiben, nachdem sie am Dienstag über den neusten Coup der Bankfreunde informiert worden war. Diese hatten mit freundlicher Mitwirkung der Wirtschaftskommission des Nationalrats ihren gestaffelten Fahrplan zur Bankenregulierung sabotiert – oder zumindest verzögert.
Vielleicht schwingt bei der Finanzministerin auch etwas Ärger über sich selbst mit: Immerhin war sie es gewesen, die die Verschärfung der Eigenmittelvorschriften – durchaus im Sinne der UBS – von der Verordnungsebene auf die langwierige Gesetzesstufe gehievt und dem Parlament so den Weg für Störmanöver freigemacht hatte.
Ein erstes solches Störmanöver wurde nun ausgerechnet von Keller-Sutters Parteikollege Beat Walti eingefädelt, dem Aushängeschild des Zürcher Wirtschaftsfreisinns. Für Beobachter überraschend hat er diese Woche in der Sitzung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK) den Antrag eingereicht, dass der Bundesrat dem Parlament bei der Bankenregulierung ein «Gesamtpaket» vorlege, damit eine «umfassende Beurteilung» vorgenommen werden könne.
Oder anders ausgedrückt: Er verbietet dem Bundesrat, einzelne Teilmassnahmen vorzeitig zu verabschieden – auch nicht auf dem schnelleren Verordnungsweg, der normalerweise am Parlament vorbeiführt. Der Vorstoss wurde zur Kommissionsmotion umgewandelt und am Dienstag mit Stichentscheid des Präsidenten, also von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, gutgeheissen.
Konkret könnte Waltis Motion zur Folge haben, dass die Umsetzung der bereits im Vernehmlassungsprozess stehenden Eigenmittelverordnung für systemrelevante Banken um ein halbes Jahr oder vielleicht sogar noch länger verzögert wird – ebenso wie die angedachte Lex UBS, mit der die ausländischen Töchter der Grossbank vollständig mit Kapital unterlegt werden sollen.
Die Motion muss freilich noch vom Parlament verabschiedet werden. Sollte der Nationalrat als Erstrat dem Anliegen zustimmen, wären die Signale an den Bundesrat nicht zu überhören. «Es ist ein offensichtlich aus der Grossbankenzentrale bestellter Vorstoss», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth, der sich in der WAK erfolglos gegen Waltis Motion gewehrt hatte.
Die Verzögerung um ein paar Monate tönt a priori nicht allzu dramatisch – auch wenn es um eine volkswirtschaftlich und politisch so wichtige Frage geht wie jene der UBS-Kapitalausstattung. Doch für die UBS machen auch sechs Monate mehr oder weniger einen Unterschied. Die Bank verfolgt derzeit unverändert ehrgeizige Ausschüttungspläne zugunsten ihrer Aktionäre, obschon sich die kurzfristigen Gewinnperspektiven eher zu verschlechtern scheinen. In dieser auch politisch heiklen Situation käme ein Zwischenhalt in der Umsetzung des vom Bundesrat am 6. Juni kommunizierten Massnahmenplans zur Verbesserung der Bankenstabilität natürlich wie gerufen.
Am gleichen 6. Juni kommunizierte die UBS, dass sie an ihren für 2025 angekündigten Kapitalrückführungsplänen festzuhalten gedenke. Sie verspricht ihren Aktionären seit geraumer Zeit, die Dividende für das Geschäftsjahr 2025 um weitere rund 10 Prozent pro Aktie auf gut 3 Milliarden Dollar zu erhöhen und zudem 3 Milliarden Dollar in Aktienrückkäufe zu investieren. Insgesamt verspricht die Bank ihren Aktionären also, dass ihnen aus dem laufenden Geschäftsjahr direkt oder indirekt mindestens 6 Milliarden Dollar zufliessen werden.
Doch verdient die UBS überhaupt genügend Geld dafür? 2024 hatte sich ihr Gewinn auf knapp 5,1 Milliarden Dollar belaufen. Für 2025 erwarten die Finanzanalysten ziemlich genau 1 Milliarde mehr Gewinn. Das geht aus dem Durchschnitt der Analystenschätzungen hervor, welche die UBS regelmässig zusammenträgt und als Analystenkonsens auf der eigenen Website veröffentlicht.
Der aktuelle Konsenswert ist allerdings nicht mehr taufrisch. Tatsächlich ist aufgrund der neusten Entwicklungen im inländischen und internationalen Banken- und Finanzmarkt zu bezweifeln, dass die UBS heuer eine Gewinnsteigerung von 20 Prozent schaffen kann. Umso mehr, als schon in den ersten drei Monaten keine Gewinnverbesserung erreicht werden konnte und damit der von den Analysten erwartete Gewinnzuwachs in den verbleibenden 9 Monaten verdient werden müsste.
Die Geschäftsbedingungen haben sich seit Ende März nicht verbessert: In der Schweiz hat die Nationalbank den Leitzins auf null gesenkt, was die Zinserträge der Banken abschmelzen lässt. Gleichzeitig verlangsamt sich in den wichtigsten Industrieländern das Wirtschaftswachstum, und die politischen Unsicherheiten dämpfen die Lust der Investoren, in den Finanzmärkten Geld anzulegen. Alles in allem ist es deshalb gut möglich, dass die UBS 2025 nicht mehr, sondern weniger Gewinn als 2024 erwirtschaften wird.
Vor diesem Hintergrund würden Ausschüttungen von 6 Milliarden Dollar ein fragwürdiges Signal aussenden. Sie hätten das Potenzial, die Erwartungen im Aktionärskreis auf weiter steigende Ausschüttungen zu befeuern, was mindestens kurzfristig zu einem Zielkonflikt mit den behördlichen Eigenmittelplänen führen dürfte.
Steigen die Hoffnungen der Investoren, steigt typischerweise auch der Aktienkurs. Und dieser kann den Spielraum für Behörden und Gesetzgeber begrenzen. Denn welcher Politiker oder Bankenaufseher will schon das Risiko eingehen, von der UBS und ihren politischen Helfern als Kapitalvernichter dargestellt zu werden, wenn die Eigenmittelvorschriften am Ende doch schärfer ausfallen, als die Investoren geglaubt oder gehofft hatten.
So kann ein Aktienkurs eine Art «fait accompli» schaffen: Das Risiko, die Investoren zu enttäuschen und einen starken Kurseinbruch zu provozieren, kann die Regulatoren gefügiger machen, als sie es gerne wären.
Gleichzeitig verzichtet der Bundesrat auf kostendämpfende Massnahmen in der Grundversicherung, die im Vergleich läppische 10-15mio pro Jahr gekostet hätten.
Politiker sollten in den Ausstand treten müssen, wenn Sie selbst oder ihre Partei (über die letzten Jahre) Spenden von den hauptbetroffenen Firmen eines Gesetzes entgegennahmen...