Fabienne Patriarca ärgerte sich über ihre Zahnfehlstellung. Bis ihr vermehrt Werbeplakate aufgefallen sind: «Change your life. Secretly.» – und zwar ab 40 Franken im Monat. Damit wirbt die Zahnarzt-Kette Bestsmile, die sich auf transparente Zahnspangen spezialisiert hat. Patriarca entschied sich, dort eine Behandlung anzufangen, wie sie zu watson sagt.
Die Luzernerin erhielt eine Box mit mehreren für sie angefertigten Zahnspangen – doch bereits die erste passte ihr nicht. «Ich hatte Schmerzen und mein Zahnfleisch wurde aufgerissen», sagt Patriarca. Die Bestsmile-Zahnärztin habe die Schiene dann passend «zugeschliffen». Kurz darauf sei sie aber kaputtgegangen. Dasselbe Problem bestand zwar nicht bei allen Schienen, doch bei mehreren. Auch das Versprechen, ihr eine neue Box zuzusenden, sei nicht eingelöst worden.
Patriarca ist enttäuscht: «Rückblickend betrachtet wäre ich besser direkt zu einem Spezialisten gegangen.» Das Endergebnis habe sie nun bald erreicht, doch der Weg dahin würde sie «anderen nicht empfehlen und selbst kein zweites Mal mehr machen». Der Preis wurde von Bestsmile jedoch eingehalten, gekostet habe das Ganze knapp 5000 Franken. Die Luzernerin teilte dennoch in einer Google-Bewertung ihre Unzufriedenheit mit.
Obwohl die meisten Bestsmile-Filialen auf Google über 4 von 5 Sternen haben, gibt es auch Kommentierende, die negative Erlebnisse schildern, wie Kopfschmerzen beim Tragen der Schienen oder eine unzureichende Betreuung durch medizinisches Fachpersonal. Auch die Qualität der Zahnspangen wird zum Teil infrage gestellt. Was sagt Bestsmile dazu?
Auf Anfrage von watson teilt eine Sprecherin des Migros-Genossenschaft-Bundes (MGB) über die Google-Bewertungen mit: «Wir haben seit der Gründung über 39’000 Kundinnen und Kunden behandelt und nehmen ihr Feedback laufend aktiv entgegen. Die Rezensionen über die letzten Jahre zeigen uns, dass Bestsmile-Kunden überdurchschnittlich zufrieden sind.»
Skepsis gegenüber der Zahnarzt-Kette äussern jedoch nicht nur einige Kunden. Auch Verbände aus der Zahnmedizin-Branche haben Vorbehalte gegenüber dem Konkurrenten und Schweizer Marktführer Bestsmile. Sie kritisieren vor allem eine ungenügende Beratung, gerade auch für Jugendliche, Lockvogel-Preise und die Qualität der Arbeit.
Seit diesem April hat Bestsmile das Angebot für die transparenten Aligner-Zahnspangen auf Jugendliche ab 11 Jahren ausgeweitet. Dafür musste die Migros-Tochter die Kompetenzen in der Kieferorthopädie ausbauen. Peter Suter, Präsident der Vereinigung der Kantonszahnärztinnen und Kantonszahnärzte der Schweiz (VKZS), schreibt dazu: «Die Behandlung von Jugendlichen mit kieferorthopädischen Apparaturen und Alignern verlangt besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Da sich diese Personengruppe im Wachstum befindet, ist ein fundiertes kieferorthopädisches Wissen und Können gefragt. Ob man diese Kompetenzen hat, muss jeder Zahnarzt oder jede Zahnärztin für sich entscheiden.»
Alexander Johner ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kieferorthopädie (SGK) und führt selbst eine Praxis in Murten. Er sagt: «Aligner wie Bestsmile eignen sich nicht zur Behandlung aller Fehlstellungen. Sie sind lediglich eine Möglichkeit unter vielen, die ein Fachzahnarzt beherrschen sollte.» Bei Kindern und Jugendlichen sei deshalb eine umfassende Diagnostik zentral – auch für eine allfällige Kostenübernahme der Invalidenversicherung oder der Grundversicherung.
Bei Bestsmile sieht der Kieferorthopäde andere Dinge im Vordergrund. «Bestsmile suggeriert kurze Behandlungen, selektioniert aber bewusst einfache Zahnfehlstellungen, deren Behandlung beim Fachzahnarzt für Kieferorthopädie oft weder teurer noch länger wäre», sagt Johner. Die SGK habe zudem eine Begutachtungskommission gegründet, quasi eine Ombudsstelle, bei der sich Patienten melden können, welche die Behandlung ihres Zahnarztes infrage stellen. «Da hatten wir auch schon einzelne Fälle von Bestsmile-Kunden», erklärt der SGK-Präsident. Details dürfe er aus Datenschutzgründen keine nennen.
Diese Kritik weist die Migros zurück und erklärt: «Die Behandlungsempfehlungen sind immer medizinisch begründet.» Es würden erfahrene Fachzahnärzte für Kieferorthopädie die Aligner-Therapie für Jugendliche durchführen. Zum Vorwurf, bewusst einfache Zahnfehlstellungen zu selektionieren, schreibt die Migros: «Wir können eine überdurchschnittliche Behandlungsqualität anbieten und unterstützen Patienten darin, für Leistungen, die wir nicht anbieten, einen geeigneten Spezialisten zu finden.»
Kieferorthopäde Johner ist nicht der Einzige, der die Preis-Taktik von Bestsmile kritisiert. Auch bei der Zürcher Sektion der Schweizerischen Zahnärzte Gesellschaft (SSO) nimmt man Bestsmile mit Vorbehalten wahr. «Sie machen direkt beim Endkunden Werbung, versprechen schöne Zähne praktisch über Nacht und günstige Preise mit Ratenzahlung. Das ist eine Lockvogel-Taktik, die wir beim Verband bei unseren Mitgliedern nicht tolerieren und dagegen vorgehen», sagt SSO-Zürich-Präsident Roger Naef zu watson. Bestsmile sei aber kein Mitglied beim SSO.
Die Migros jedoch dementiert die Lockvogel-Taktik bei den Preisen: «Bei Bestsmile gibt es einen vor Behandlungsbeginn transparent kommunizierten Fixpreis und Monatskosten und damit keine unvorhergesehenen Zusatzkosten. Weil wir die gesamte Wertschöpfungskette – von der Untersuchung über die Behandlung bis zur Produktion in Winterthur – inhouse abdecken, sind wir in der Lage, eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Behandlungsmethoden anzubieten.»
Dies sieht Roger Naef anders. «Oftmals fallen die Kosten am Ende trotzdem ähnlich hoch aus wie bei anderen Zahnärzten», sagt der SSO-Zürich-Präsident, der selbst eine Zahnarztpraxis in Zürich führt. Noch teurer werde es, wenn andere Zahnärzte Ausbesserungen vornehmen müssten, das habe er selbst schon erlebt. Naef hat persönlich Erfahrungen gemacht mit Veneers von ehemaligen Bestsmile-Kunden. «Ihre Veneers, die ich gesehen habe, waren qualitativ katastrophal. Die hatten nichts mit einem ästhetischen Lächeln zu tun, sondern sahen aus wie Klavier-Zähne, und sie passten nicht richtig auf die Zähne», sagt Naef.
Die Qualität der Arbeit stellt auch der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (SGAO), Phil Scheurer, infrage. Er sagt zu watson: «Ein Blick auf die Vorher-Nachher-Bilder auf der Website von Bestsmile genügt, um zu sehen, dass ihre gezeigten Resultate alle inakzeptabel sind», sagt Scheurer. Seiner Meinung nach bestehen zum Teil «gravierende Behandlungsfehler».
Scheurer, selbst Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, hat für watson eines der Vorher-Nachher-Bilder kommentiert. Er hat eingezeichnet, was dabei falsch lief: «Der Kreuz-/Zwangsbiss auf der rechten Seite des Patienten, welcher für das Kiefergelenk eine sehr hohe Behandlungsnotwendigkeit darstellt, ist am Schluss immer noch vorhanden.» Dies, obwohl eine Korrektur einfach gewesen wäre. Das Fazit des SGAO-Präsidenten: «Die Zähne stehen besser, aber bei Weitem noch nicht gut. Dem Patienten wurde also nicht geholfen.»
watson hat das Vorher-Nachher-Beispiel von der Bestsmile-Website Professor Theodore Eliades gezeigt, Direktor der Klinik für Kieferorthopädie und Kinderzahnmedizin an der Universität Zürich. Er stimmt dem Urteil von Scheurer zu und schreibt weiter: «Die Effizienz einer Behandlungsmethode kann sich nicht darauf beschränken, aus einer Fehlstellung eine neue zu erzeugen.»
Damit stellt sich die Frage, weshalb Bestsmile mit Ergebnissen wirbt, die qualitativ nicht ausreichen. «Wenn von 30’000 Kunden das die besten Fälle sind, ist das erschreckend», sagt SAGO-Präsident Phil Scheurer dazu. Wenn bei einem Patienten am Schluss die Zähne ein wenig schöner dastehen würden, aber das medizinische Problem ungelöst bleibe, sei das eine klare Fehlbehandlung.
Die Migros wiederum hält an der eigenen Qualität fest. «Dank unserer eigenen Produktion in Winterthur sind die Zahnschienen von hoher Qualität.» Mangelhafte Produkte würden «selbstverständlich ersetzt». «Zudem werden die Kunden während der gesamten Behandlungsdauer eng von den Medizinern betreut», schreibt die MGB-Sprecherin. Auch die Kritik an der Wirksamkeit der Aligner und Veneers möchten sie entkräften: «Die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind spezialisiert auf die Behandlung von Zahnfehlstellungen. Mit über 5000 erfolgreich durchgeführten Behandlungen sind sie mit ihrer Erfahrung branchenführend.»
Klar, es ist ne tolle Möglichkeit für wirklich schlechte Zähne, aber darüber hinaus verstehe ichs nicht ganz.
Und das alles, was möglichst billig daher kommt, nicht unbedingt top Qualitat beinhaltet, sollte klar sein. Das heisst aber noch lange nicht, dass überrissene Preise gerechtfertigt sein müssen.