Schweiz
Wirtschaft

Olma 2023: Wie die Olma ums Überleben kämpft

Olma Plakat 2023
Das diesjährige Sujet der Olma ist passenderweise ein Säuli.Bild: zvg

Ist bald Schluss mit bundesrätlichen Säuli-Fotos? Wie die Olma ums Überleben kämpft

Seit der Pandemie kämpft die Olma gegen den Konkurs an. Eine ihrer letzten Hoffnungen: Ostschweizerinnen und Ostschweizer, die an ihr hängen und Aktien kaufen. Zum Start der Olma ein Überblick über ihre Anfänge und die letzten turbulenten Jahre.
15.10.2023, 03:38
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Ignazio Cassis hat es getan. Alain Berset hat es getan. Ueli Maurer hat es schon zwei Mal getan. Und am Donnerstag hat es nun auch Karin Keller-Sutter getan: zur Eröffnung der grössten Publikumsmesse der Schweiz, der Olma in St.Gallen, lächelnd ein Ferkel in die Kamera gehalten.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter und der St. Galler Regierungspraesident Stefan Koelliker mit einem Saeuli, bei der Eroeffnung der 80. OLMA Schweizer Messe fuer Landwirtschaft und Ernaehrung, am Donne ...
Bundesrätin Karin Keller-Sutter streichelt an der Olma ein Säuli.Bild: KEYSTONE

Das Säuli-Foto gehört ebenso zur Olma wie die Bratwurst ohne Senf. Bis ins Jahr 2014 war die Eröffnungsrede an der Olma und das dazugehörige Säuli-Streicheln für den Bundesrat Pflicht. Doch auch ohne das Obligatorium kommen die Bundesrätinnen und Bundesräte jedes Jahr an die Olma. Das zeigt, welchen Stellenwert die Landwirtschaftsmesse hat. Ganz besonders für die Ostschweiz.

Karin Keller-Sutter weiss als St.Gallerin, wovon sie spricht, als sie die Olma mit folgenden Worten eröffnet: «Sie ist ein Fixpunkt im Jahreskalender, eine eigene Jahreszeit, die grösste Publikumsmesse der Schweiz. Ein Ereignis, auf das die Ostschweiz zu Recht stolz ist.»

Die «fünfte Jahreszeit» wird in St.Gallen jedes Jahr sehnlichst erwartet. Wenn man sich sieht, fragt man: «Gohsch au ad Olma?» Oder: «Bisch scho a de Olma gsi?» Man trifft sich auf dem Jahrmarkt, dreht bei den Ausstellern an Glücksrädern, steht für eine Bratwurst an, probiert sich durch die Hallen und wettet beim Säulirennen einen «Zwofränkler» auf das Ferkel mit dem lustigsten Namen.

Traditionelles Saeuli-Rennen bei der Eroeffnung der 80. OLMA Schweizer Messe fuer Landwirtschaft und Ernaehrung, am Donnerstag, 12. Oktober 2023, in St. Gallen. Die Messe mit Gastkanton Zuerich dauert ...
Kinder feuern am Eröffnungstag der Olma 2023 die Schweine beim Säulirennen an.Bild: KEYSTONE

Die Olma gilt inzwischen als Ostschweizer Brauchtum. Als Event, der die Identität der Region geprägt hat. Um das zu verstehen, muss man zurückschauen, auf die Anfänge der Messe.

Eine Messe, als die Schweiz Essen rationierte

Es ist das Jahr 1940. Europa befindet sich mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Schweiz, die bis dahin die Hälfte ihrer Nahrungsmittel aus dem Ausland bezogen hat, sorgt sich um die Versorgung der Bevölkerung. Während der Staat das Essen rationiert, propagiert er gleichzeitig die Selbstversorgung. Alle müssen mit anpacken, jeder freie Fleck zu Ackerland umfunktioniert werden. Selbst mitten in der Stadt Zürich pflanzen die Menschen Kartoffeln an.

«Anbauschlacht» wird dieses Programm genannt. Dadurch soll die Versorgung der Schweiz und ihre Unabhängigkeit vom Ausland gewährleistet werden. In dieser Zeit reift im Kanton St.Gallen die Idee von einer Messe heran, an der die Schweizer Landwirtschaft zur Schau gestellt und die Bevölkerung über diese aufgeklärt werden soll. Die Ostschweizer Land- und Milchwirtschaftliche Ausstellung, kurz: Olma.

1943 findet schliesslich die erste offizielle Olma in der Stadt St.Gallen statt. Hauptthema: Anbauschlacht. Für einen Eintrittspreis von 1.10 Franken wird den Besucherinnen und Besuchern das geboten, was man heute noch von der Olma erwartet: Die Demonstration von Maschinen und Geräten, Tiervorführungen, Information über die Landwirtschaft. Gesponsert wird das Ganze von der Stadt und dem Kanton St.Gallen, umliegenden Ostschweizer Kantonen sowie dem Fürstentum Liechtenstein.

Tannzapfen als Heizstoff an der 1. Olma 1943 in St. Gallen, aufgenommen im Oktober 1943. (KEYSTONE/Photopress-Archiv/Str)
Tannenzapfen als Kohleersatz, diesen Tipp gab man der Bevölkerung an der ersten Olma.Bild: KEYSTONE

Drei Jahre später, 1946, erhält die inzwischen jährlich im Oktober stattfindende Messe die offizielle bundesrätliche Anerkennung als «Messe mit schweizweiter Bedeutung». 1959 beginnt schliesslich die bundesrätliche Tierli-Foto-Tradition. Als erster lässt sich Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen mit einem Lamm ablichten.

Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen streichelt ein Lamm an der Eroeffnung der 17. Olma 1959 in St. Gallen, aufgenommen am 8. Oktober 1959. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Jules Vogt)
Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen streichelt ein Lamm an der Eröffnung der 17. Olma 1959.Bild: KEYSTONE

2020 steht der Konkurs bevor

Heute, 80 Jahre später, werden die Tierli-Fotos noch immer geschossen. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

Denn seit 2020 ist die Olma-Messen, die damalige Genossenschaft hinter der Olma, in finanzieller Schieflage. «Unverschuldet», wie Olma-Direktorin Christine Bolt kürzlich in einem Interview mit dem «St.Galler Tagblatt» sagt. Bis 2019 seien die Olma-Messen selbsttragend gewesen. Damit trotzte die Olma einem schweizweiten Trend: dem Messesterben. 2019 fand beispielsweise die Mustermesse Basel (Muba) ihr Ende, 2018 starben die Comptoir Suisse in Lausanne und die Zürcher Spezialitätenausstellung (Züspa).

Doch wegen der Pandemie muss die Olma 2020 abgesagt werden. Genauso wie viele weitere Veranstaltungen, die die Genossenschaft in jenem Jahr in ihren Hallen durchführen wollte. Dadurch verzeichnen die Olma-Messen hohe Verluste. Und das zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn kurz zuvor hat die Messe mit dem 160-Millionen-Bau der neuen Halle 1 begonnen.

Gegen Ende 2020 stehen die Olma-Messen schliesslich kurz vor dem Konkurs. Noch im gleichen Jahr schreiten Stadt und Kanton mit einem Hilfspaket von 24 Millionen Franken ein, wobei 16,8 Millionen Franken davon Darlehen sind.

Katastrophe abgewendet? Leider noch nicht. 2021 sieht die Zukunft der Olma-Messen noch immer schwarz aus. Die Gelder von Kanton und Stadt haben nicht ausgereicht. Das Darlehen wird die Messe nicht zurückzahlen können.

Ein radikal neuer Plan muss her. Dafür setzen sich Stadt und Messe zusammen. 2022 steht der Plan dann fest: Die Genossenschaft soll zur Aktiengesellschaft, die Darlehen in Eigenkapital umgewandelt werden. Zusätzlich will man das Eigenkapital mit Aktienverkäufen auf 20 Millionen Franken erhöhen. Vorausgesetzt natürlich, die Stadt und der Kanton St.Gallen stimmen dem Plan zu.

Inzwischen sind das Stadt- und Kantonsparlament nicht mehr so gut auf die Olma-Messen zu sprechen. Warum baut die Olma eine nagelneue Halle, wenn andere Messen wegsterben? Sind Messen in Zeiten von Online-Shops ein Auslaufmodell? Lohnen sich Investitionen überhaupt noch? Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier diskutieren hitzig.

Am Ende siegen die St.Galler Herzen, die an der Olma hängen. Stadt und Kanton stimmen der Umwandlung der Olma-Messen in eine AG und der Darlehen in Kapital zu. «Die Olma ist ein Teil der Identität der Stadt St.Gallen», sagt Stadtpräsidentin Maria Pappa nach dem Entscheid zu SRF.

Die Olma versucht zu wachsen

Seither sucht die Olma-Messen AG nach Aktionärinnen und Aktionären. Sie zielt dabei nicht nur auf Unternehmen ab, sondern hofft vor allem auf die Unterstützung von Ostschweizerinnen und Ostschweizern, die an der Olma hängen. Ob dieses Ziel realistisch ist, auch dafür steht die neue AG in der Kritik. Denn eine Aktie kostet 1000 Franken.

Trotzdem hat es die Olma-Messen AG schon geschafft, Aktien im Wert von 10 Millionen Franken zu verkaufen. Damit fehlen ihr jedoch noch immer 10 Millionen. Dieses Ziel wollte sie ursprünglich bis im Frühling 2024 erreichen. Nun hat die AG diese Deadline auf Ende 2024 verschoben, wie Olma-Direktorin Christine Bolt im Interview mit dem «St.Galler Tagblatt» sagt.

Bolt gibt sich zuversichtlich. An der diesjährigen Olma hätten sie schon zehn Prozent mehr Aussteller als im Vorjahr in die Hallen locken können. «Der Messemarkt erholt sich, aber nicht so schnell, wie wir gehofft hatten», sagt Bolt. Manche Aussteller kämen nicht, weil ihnen Personal fehle. Andere kämen gar nicht mehr.

Um zu überleben, müsste die Olma wachsen. Wie soll das so gelingen? Mit «mehr» von allem, lautet darauf Bolts Antwort: mehr Veranstaltungen, mehr Firmenanlässe, mehr Kongresse, noch mehr Olma.

Ob dieses Vorhaben gelingen wird, werden die nächsten Jahre zeigen. Zumindest in diesem Jahr ist die Olma noch gut gestartet, wie die AG am Donnerstag auf Anfrage von watson schreibt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Eines dieser 78 Olma-Plakate löste einen «Nacktskandal» aus
1 / 79
Eines dieser 78 Olma-Plakate löste einen «Nacktskandal» aus
78 Mal Olma, 78 offizielle Plakate: Wir zeigen (fast) die ganze Kollektion. Ein Plakat löste seinerzeit eine halbe Staatsaffäre aus – findest du heraus, welches?
Wir starten 1943: Das erste Olma-Plakat der Geschichte.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Rennsäuli» haben monatelang trainiert, jetzt gilt es ernst
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
35 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
In vino veritas
13.10.2023 07:28registriert August 2018
Das man den Neubau einer Halle nicht einfach mitten im Bau stoppen kann ist den Kritikern aber schon klar? Zumal die Autobahndecke schon im Bau war, die alte Halle schon abgerissenen wurde und die Aufträge schon vergeben wurden? Das ist kein tropfender Wasserhahn, bei dem ich dem Sanitär sagen kann, er solle doch bitte erst übernächste statt nächste Woche kommen.
806
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scaros_2
13.10.2023 07:27registriert Juni 2015
Die OLMA ist heute halt auch nur noch eine von vielen Messen. Als ich noch ein Kind war, war sie das vermutlich auch noch aber die Distanz zu einer Messe in Bern oder so war halt noch gross und so war die OLMA was besonderes. Aber eigentlich ist es einen furz normale Herbstmesse wie jede andere heute. So wie überall Oktoberfeste aus dem Boden spriesen hast du auch solche Messen und es ist eigentlich nur ein weiteres, kollektives besäuffnis. Sie hat kein alleinstellungsmerkmal wie man im Marketing Slang erzählt.

Alles ist teuer, nichts ist besonders und joa.
7925
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kommissar Rizzo
13.10.2023 06:17registriert Mai 2021
Eine "Volksaktie". Für 1000.-
Ambitionen. Die ständig verfehlt werden.
Eine neue Halle. Völlig überdimensioniert.
Eine neue Chefin. Mit extremer Personalfluktuation.


Nein, bin mir nicht so sicher, ob die Olma Zukunft hat...
6520
Melden
Zum Kommentar
35
Vor dem Gotthardtunnel Stau von zehn Kilometer Länge

Der starke Reiseverkehr in den Süden hat sich am Sonntag fortgesetzt. Bis gegen Mittag hat sich vor dem Nordportal des Gotthard-Strassentunnels in Göschenen UR ein Stau von zehn Kilometer Länge gebildet.

Zur Story