Mitte Juni geht’s in der Schweiz normalerweise los: Die Saison der Sommerunwetter startet – mit viel Wind, Regen und manchmal sogar mit Hagel. Und mit ihr beginnt auch die Zeit, in der Wetterextreme vielerorts sichtbare Spuren hinterlassen. Eine neue Datenauswertung des Versicherers Helvetia Schweiz belegt: Naturgefahren treffen die Schweiz häufiger und intensiver als früher.
Unser Land, mit seinen zahlreichen Gebirgen und Gewässern sowie der exponierten Lage im Zentrum Europas, ist Naturereignissen besonders stark ausgesetzt. Ausgedehnte und weiterwachsende Siedlungsräume sowie Infrastrukturen – teils in risikobehafteten Lagen – erhöhen die potenziellen Schäden.
In der öffentlichen und medialen Wahrnehmung scheinen gerade die letzten Jahre besonders von Unwettern geprägt gewesen zu sein. Ein Blick auf die langfristige Datenreihe zeigt jedoch, dass in regelmässigen Abständen immer wieder schadenintensive Jahre auftreten. Die auffällige Häufung von Elementarereignissen in den Jahren 2021 bis 2024 ist in dieser Ausprägung allerdings aussergewöhnlich.
Um die Entwicklung nachvollziehbar zu machen, wurden drei Dekaden verglichen: 1995 bis 2004, 2005 bis 2014 und 2015 bis 2024. Die Gesamtzahl der Unwetterereignisse blieb – abgesehen von den besonders verlustreichen Jahren 1999 (Sturm Lothar) und 2005 (flächendeckende Hochwasser im Alpenraum) – bis Mitte der 2010er-Jahre weitgehend konstant.
In den letzten zehn Jahren (2015–2024) ist dennoch eine deutliche Zunahme sowohl bei der Anzahl der Einzelereignisse als auch bei den Schadenskosten festzustellen. So stieg die Zahl der gemeldeten Schadenfälle im Vergleich zur ersten Dekade (1995–2004) um 126 Prozent. Die finanziellen Aufwendungen für die Schadenbehebung erhöhten sich im selben Zeitraum gar um 133 Prozent.
Nicht jede Schadensursache hat jedoch gleich stark zugenommen. Hochwasser und Überschwemmungen etwa verzeichneten lediglich einen Anstieg von 26 Prozent bei den Schadensmeldungen. Die daraus resultierenden Kosten stiegen um 33 Prozent. Ein Grund dafür: Milliardeninvestitionen in den Hochwasserschutz, die seit 2005 Wirkung zeigen. Dennoch verursachen Überschwemmungen nach wie vor rund ein Viertel der gesamten Schadensumme.
Weitaus markanter ist die Entwicklung bei Hagel. Die Zahl der gemeldeten Hagelschäden stieg um ganze 366 Prozent, das Schadensvolumen sogar um 490 Prozent. Damit ist Hagel – etwas unerwartet – der grösste Kostentreiber unter den Naturgefahren der letzten Jahre. Der Grund liegt nicht nur in der Häufigkeit, sondern auch in der zunehmenden Grösse der Hagelkörner. Hinzu kommt, dass Autos, Gebäude und Solaranlagen heute empfindlicher – und teurer – sind als früher.
Auch Unwetter und gravitative Naturprozesse haben zugenommen. Die Sturmschäden stiegen um 38 Prozent, Schäden aus Erdrutschen, Steinschlägen und Felsstürzen um 24 Prozent. In beiden Bereichen entwickelten sich die Schadensummen stärker als die Zahl der Ereignisse. Das zeigt: Die Folgen werden gravierender.
Fachleute sehen einen klaren Zusammenhang mit dem Klimawandel. Die Erwärmung begünstigt nicht nur stärkere Stürme, sondern bringt auch den Permafrost in den Alpen zum Tauen. Das verändert die Bedrohungslage grundlegend: Statt klassischen Hochwassern treten vermehrt Rutschungen, Murgänge und Felsstürze auf. Gleichzeitig schreitet die Urbanisierung voran, neue Flächen werden erschlossen – das Risiko nimmt weiter zu.
Um sich besser auf solche Elementarereignisse vorzubereiten, braucht es nicht nur neue Schutzbauten, sondern auch bessere Prognosen. Die Modellierung von Risiken wird komplexer, der Einsatz von künstlicher Intelligenz gewinnt an Bedeutung. Künftige Bedrohungsszenarien müssen verstärkt in die Planungen einfliessen – nicht nur bei Versicherungen, sondern auch bei Gemeinden, Bauherren und der Politik. Denn die Helvetia-Daten zeigen klar: Die Natur schlägt härter zu als noch vor einigen Jahren – und das wird sich in naher Zukunft auch nicht mehr ändern.
Was muss eigentlich noch passieren, damit sich unsere primär bürgerlichen und rechten Politiker endlich eingestehen, dass wir ein grosses Problem mit dem Klima haben? Und dass jedes Jahr, in dem wir keine wirksamen Massnahmen ergreifen, uns teurer und teurer zu stehen kommt?
Hätten wir in den 1960er- oder 1970er-Jahren begonnen, Massnahmen zu ergreifen – wie es viele Forscher damals empfohlen haben –, dann hätten wir heute eine energieautarke Schweiz und die die meisten Katastrophen vergleichsweise gelassen übersteht.