Nach Lindt verhängt die Migros auch bei diesen bekannten Produkten einen Bestellstopp
Migros-Chef Mario Irminger lässt die Muskeln spielen. Ende Oktober machte CH Media publik, dass der Detailhändler mehrere Tafeln des Zürcher Schokoladenriesen Lindt aus den Regalen geworfen hatte. Der Grund: Verhandlungen, in denen die Migros ihre neue Tiefpreisstrategie durchboxen will.
Nun zeigen Recherchen, dass Lindt nur ein Markenopfer unter vielen in Irmingers Schlachtplan ist. Denn bei genauem Hinblicken in den Filialen präsentieren sich gleich mehrere Lücken im Sortiment. Und sie betreffen die Produkte grosser Markenartikelhersteller. Am Preisschild steht jeweils: «Lieferunterbruch». Solange die Migros mit den Beschaffungspreisen nicht zufrieden ist, bestellt sie keinen Nachschub.
Betroffen sind Toblerone-Artikel des US-Nahrungsmittelriesen Mondelez, Getränke des US-Herstellers Pepsi, Mayonnaisen der Nestlé-Marke Thomy, Rio-Mare-Thunfisch des italienischen Konzerns Bolton oder Waschmittel der Marke Perwoll des deutschen Unternehmens Henkel.
Smacks und Frosties ja, Special K nein
Irminger geht bedächtig vor. So sind vom US-Hersteller Kellogg’s nach wie vor die beliebten Smacks- oder Frosties-Cerealien verfügbar. Allerdings fehlen die Varianten Special K und Toppas. Bei Toblerone sind die klassischen, dreieckigen Riegel ebenfalls noch im Regal, jedoch nicht die Produkte «Toblerone Tiny Milk» und «Toblerone Orange Twist». Auch bei Lindt traf Irmingers Bestellstopp nicht alle Tafeln, sondern nur einen Teil des Portfolios.
Damit möchte der Ex-Denner-Chef verhindern, zu viele Kundinnen und Kunden zu vergraulen, die bei der Suche nach ihrem Lieblingsprodukt nicht fündig werden. Doch genau dieses Risiko besteht aktuell. Denn allzu viele leere Regale können bei den Einkaufenden zu Frust führen – und aus Sicht der Migros schlimmstenfalls zur Abwanderung zu einem Konkurrenten wie Aldi, Lidl oder Coop.
Kommt hinzu: Leere Regale haben eine negative optische Wirkung, die Filialen wirken dadurch schlecht bewirtschaftet. Schliesslich sind die verhandlungstechnischen Gründe, die hinter der Deklaration «Lieferunterbruch» stehen, den Einkaufenden egal, wenn sie ihre Frühstücksflocken oder ihr Waschmittel möchten.
Gleichzeitig geht es für Irminger darum, sein Versprechen für das Kerngeschäft Supermarkt einzulösen: Er will künftig bei den wichtigsten Produkten – den so genannten «Must-in-stock»-Produkten, wie sie in der Branche genannt werden – mit den Discountern mithalten. Denn diese haben in den vergangenen Jahren Marktanteile auf Kosten der Migros gewonnen. Einerseits wegen ihrer aggressiven Expansion, aber auch wegen ihrer tiefen Preise.
Erste Lieferstopps gab es dem Vernehmen nach bereits vor mehreren Monaten. Schliesslich startete Anfang Jahr eine neu geschaffene Migros-Direktion mit der Beschaffung für die ganze Gruppe, also für die Migros-Supermärkte, Denner, Migrolino und Migros Online. «Sie führt derzeit Verhandlungen mit Grosskonzernen, um faire und nachvollziehbare Preise sicherzustellen und Preisaufschläge für Kundinnen und Kunden zu vermeiden», bestätigt Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir. «Es handelt sich dabei um mehrere grosse, international handelnde Konzerne wie Bolton, Henkel oder Red Bull.»
Einigung mit Lindt erzielt
Vergangene Woche verkündete Irmininger in der SRF-Sendung «Eco Talk» eine Einigung mit Lindt. In den nächsten Wochen sollte das Schoggi-Sortiment also wieder vollzählig sein. Aktuell klaffen dort nach wie vor grosse Lücken. Inwiefern sich die Migros in den Gesprächen durchsetzen konnte und dadurch die Preise am Regal sinken, verrät Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir nicht: «Die Preise bleiben momentan noch die gleichen, allfällige Preisanpassungen werden nächstes Jahr angeschaut.»
Klar ist, dass es der Migros vorerst darum geht, ihre Einkaufspreise zu senken. Dadurch erhält sie mehr Spielraum bei der Festsetzung ihrer Endpreise. So könnte sie beispielsweise die beliebteste Lindt-Tafel deutlich vergünstigen, während andere Varianten nicht unbedingt billiger würden.
Irminger verweist denn auch im TV-Interview auf den Unterschied zwischen einem Discounter und einem Grossverteiler wie die Migros. Seine grossen Supermärkte hätten zwischen 12'000 und 30'000 Produkte im Angebot, bei den Discountern seien es nur 3000 bis 4000. Sprich: Preissenkungen auf der ganzen Linie sind für die Migros angesichts ihrer Kostenstruktur schlicht nicht möglich.
Fokus auf 1000 Blockbuster-Produkte
Deswegen fokussiert sich Irminger auf die Blockbuster, rund 1000 an der Zahl. Die 500 Millionen Franken, die die Migros für die Preissenkungen investiert hat – und dafür eine tiefere Profitabilität in Kauf genommen hat – will sie nun wieder reinholen.
Irminger spricht von 60 globalen Markenartikelherstellern, die er im Visier hat, wie Coca-Cola, Nestlé, Unilever oder Procter & Gamble. Von diesen fühlt er sich abgezockt. Denn diese Konzerne hätten eine Profitabilität von über 15 Prozent. «Wir wollen einen fairen Teil davon.» Die Migros strebe gerade mal eine Profitabilität von 2,5 Prozent an.
Gleichzeitig erhöht der Migros-Chef den Druck in den Verhandlungen mit Hilfe der Produkte aus der eigenen Industrie. Zwar verkleinert er die Anzahl Eigenmarken-Linien (CH Media berichtete), doch die Anzahl Produkte unter der Dachmarke Migros soll insgesamt vergrössert werden. Sprich: Irminger glaubt, genügend guten Ersatz für gewisse Markenartikel zu haben.
Bisher fühlt sich der Manager in seiner Strategie bestätigt, wie er gegenüber SRF sagt. Man messe die Umsetzung der Strategie. Und dabei sehe man, dass jene Sortimente, deren Preise gesenkt worden seien, überproportional wachsen würden.
