Die SRG stolpert in ihre Schicksals-Abstimmung
Der frühe Vogel fängt den Wurm – so lautet das Motto der Gegner der Halbierungsinitiative. Bereits am Montag trat das Nein-Komitee in Bern vor die Medien, exakt drei Monate vor der Abstimmung am 8. März 2026. Im Gespräch geben die Verantwortlichen zu, dass sie frühzeitig Präsenz markieren und die Befürworter ausbremsen wollen.
Die Kernbotschaft lautet, dass die von der SVP lancierte Volksinitiative den medialen Service public bedroht und die Schweiz schwächt. «Gute Nacht regionale Berichterstattung», lautet ein Slogan der Kampagne. Ob sich der frühe Start positiv auswirken wird, bleibt offen. Bereits zu reden gibt die finanzielle Unterstützung durch die SRG-Trägerschaft.
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) kann Schützenhilfe brauchen. Bisherige Umfragen zeigen ein durchzogenes Bild, doch die Forderung, die Serafe-Gebühr von 335 auf 200 Franken zu senken, trifft bei vielen Leuten einen Nerv. Unternehmen sollen ganz befreit werden, weshalb der mächtige Gewerbeverband die Ja-Parole beschlossen hat.
Susanne Wille «bi de Lüt»
Das SVP-Volksbegehren ist weniger radikal als die 2018 klar gescheiterte No-Billag-Initiative und könnte in einer Zeit steigender Mieten und Krankenkassenprämien viele Menschen ansprechen. Die SRG und ihre Generaldirektorin Susanne Wille bemühen sich deshalb intensiv um ein Nein, auch mit einer Beizentour nach dem Motto «SRF bi de Lüt».
Die Charmeoffensive aber kann nicht kaschieren, dass die SRG alles andere als trittsicher wirkt. Mit dem Entscheid von Anfang Jahr, die Ausstrahlung ihrer Radioprogramme über UKW zu beenden, leistete sie sich einen kolossalen Fehltritt. Sie verlor eine halbe Million Hörerinnen und Hörer, die auf Privatradios und ausländische Sender auswichen.
Triumph für den «Quälgeist»
Nach aussen hielt die SRG an der UKW-Abschaltung fest, doch offensichtlich hatte sie die «Resistenz» eines Teils ihres Publikums, nicht zuletzt beim Radiohören im Auto, unterschätzt. Und nun ist ihr das Parlament in die Parade gefahren: Nach dem Nationalrat entschied diese Woche auch der Ständerat, das endgültige UKW-Aus auf die lange Bank zu schieben.
Es war ein Triumph für den ewigen SRG-«Quälgeist» Roger Schawinski. Der öffentliche Sender wird kaum eine andere Wahl haben, als sich erneut um UKW-Frequenzen zu bewerben, denn der Wechsel auf DAB+ ist kein Selbstläufer. Und der Sparbetrag von 15 Millionen Franken ist bei einem Gesamtbudget von 1,5 Milliarden Franken überschaubar.
Verantwortlicher entmachtet
In diesem Zusammenhang fiel auf, dass Susanne Wille im Zusammenhang mit dem kürzlich kommunizierten neuen Sparprogramm den Verantwortlichen für das «UKW-Desaster» aus der Geschäftsleitung «wegbefördert» hat. Gleichzeitig kündigte die Chefin den Abbau von bis zu 900 Vollzeitstellen an, doch das ist ein Worst-Case-Szenario.
Die SRG hat in den letzten Jahren mehrfach Sparprogramme angekündigt, inklusive Stellenabbau. In Wirklichkeit aber ist die Zahl der Beschäftigten weiter angestiegen. Grund ist nicht zuletzt der Ausbau des Online-Angebots, etwa mit der Streaming-Plattform «Play Suisse». Gleichzeitig wurden Inhalte gestrichen, die zu wenig Publikum erreichen.
Abbau bei SRF 2
Betroffen ist nicht zuletzt Radio SRF 2, das noch nie ein Quotenknaller war. Doch der Kultursender verfügt über eine nicht besonders grosse, aber treue Hörerschaft. Das zeigte sich, als die SRG zu Jahresbeginn die Einstellung des «Wissenschaftsmagazins» ankündigte. Sie führte zu empörten Reaktionen, nicht nur bei der betroffenen Community.
Eine Zuger Rechtsanwältin und Grünen-Politikerin reichte eine Beschwerde beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) ein. Nun machte die SRF-Leitung einen teilweisen Rückzieher: Ab Anfang Jahr soll es einmal wöchentlich ein Wissens-Dossier im «Echo der Zeit» geben. Das Branchenportal «Persönlich» spricht von einem «halben Happy End».
Frustrierte Ehemalige
Die Ent- oder Abwicklung von Radio SRF 2 Kultur sorgt dennoch weiter für Unmut. Ein ehemaliger Programmleiter schrieb sich in einem Gastbeitrag im «Tages-Anzeiger» den Frust von der Seele. Er warf der abtretenden SRF-Direktorin Nathalie Wappler vor, eine «Säule der Kulturvermittlung» zu demontieren und bei SRF 2 die Abrissbirne zu schwingen.
Dem Frustabbau diente wohl auch ein Auftritt von Paola Biason, der ehemaligen Chefin der abgesetzten SRF-Sendung «Gesichter und Geschichten», in einem Podcast. Sie habe Leute entlassen, was sie «fast kaputtgemacht» habe, und drei Monate später sei die Sendung ganz eingestellt worden. Das Fazit von Biason: «SRF wollte das Format nicht.»
Herausforderndes Umfeld
Man kann solche Wortmeldungen als weinerlich und Ausdruck einer elitären Gesinnung einstufen. Doch Tatsache ist, dass «anspruchsvolle» Ressorts wie Kultur und Wissenschaft in der SRG keinen leichten Stand haben. Auch «G&G» zeigte nicht nur seichte People-Storys. Gleichzeitig gelten gerade diese Bereiche als zentral für den Service public.
Das Medienumfeld ist herausfordernd, auch für ein gebührenfinanziertes Unternehmen wie die SRG. Das zeigt sich auch im schwierigen Verhältnis zu den privaten Verlagen. Dennoch ist es kein Ruhmesblatt, dass die SRG ausgerechnet vor der schicksalshaften Abstimmung über die Halbierungsinitiative ins Stolpern geraten ist.
Rösti muss es richten
Ihre grösste Hoffnung könnte deshalb ausgerechnet Medienminister Albert Rösti sein, der als SVP-Nationalrat noch dem Initiativkomitee angehört hatte. Er hat bereits eine Senkung der Gebühr auf 300 Franken verordnet und muss gegen die eigene Partei antreten. Tut er dies mit Überzeugung, könnte er die notwendigen bürgerlichen Nein-Stimmen mobilisieren.
Es wäre vermutlich hilfreicher als alle Beizen-Auftritte von Susanne Wille.
