Den Letzten beissen die Hunde. Vor dem Basler Strafgericht muss sich ein Notar verantworten, der gemäss Anklageschrift innerhalb von rund einem Dreiviertel Jahr 39 Schwindelfirmen in die Handelsregister von Basel-Stadt und Baselland, Luzern und Aargau eintragen wollte. Selbst als ihm das Luzerner Handelsregisteramt Anmeldungen mit Verweis auf einen mutmasslich gefälschten Bankbeleg verweigerte, machte er weiter.
Der Notar hat unterzeichnet, was ihm vorgesetzt wurde. Für ein Honorar von insgesamt nur gerade zwischen 20'000 bis 35'000 Franken hat er sich den Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt eingehandelt und sich damit aus dem Berufsleben katapultiert. Aus dem solothurnischen Notariatsverzeichnis ist er bereits gelöscht, seinen Job als nebenamtlicher Richter beim Baselbieter Kantonsgericht hat er aufgegeben, bevor seine Verstrickung augenfällig wurde. Dabei hat er bloss als letztes Glied einer wohl strukturierten Organisation gehandelt.
Exemplarisch ist der Fall des Bauhandwerkers C. Ihm fehlten die 20'000 Franken Startkapital, um sich mit der Gründung einer GmbH selbstständig zu machen. In den einschlägigen Kreisen hatte sich allerdings herumgesprochen, dass über den Kroaten S. zu günstigeren Konditionen ein Firmenmantel erworben werden könne. S. beschäftigt die Justiz seit Jahren mit einem bunten Reigen an Betrugsdelikten. Der Mann steht wiederum mit dem ebenso einschlägigen Unternehmer B. in Verbindung. Und B. verfügte über eine Originalbescheinigung der Valiant Bank, wonach das Gründungskapital einer Firma bei ihr hinterlegt sei.
Für 4000 Franken erhielt der Handwerker C. dann einen Firmenmantel, der angeblich mit 20'000 Franken Kapital ausgestattet war. Er ist in guter Gesellschaft. Selbst ein Treuhänder bestellte eine Firma zum Discountpreis. Der Notar hat jeweils attestiert, die vorgelegten Unterlagen geprüft und für korrekt befunden zu haben.
Die Preisliste lässt sich anhand der 39 Beispiele rekonstruieren: Eine Aktiengesellschaft mit 100'000 Franken Kapital war für 6000 Franken, eine mit 200'000 Franken für 8000 bis 10000 Franken zu haben. Der Preis für eine Aktiengesellschaft mit 300'000 Franken Kapital lag bei 12'500 Franken. Beim Notar blieben pro Gründung zwischen 500 und 900 Franken hängen.
Es lief wie geschmiert zwischen Juni 2018 und Februar 2019. Der Kroate S. besorgte vielfach die Kunden, der serbisch-stämmige B. hielt den Kontakt zum Notar. Mit im Boot war der Italiener M., der das Bankdokument an die jeweiligen Anforderungen anpasste; das Datum aktualisierte sowie Namen und Kapital der zu gründenden Firma einfügte.
Die Bande machte es den Ermittlern einfach, die Fälschung als solche zu identifizieren: Vom Original wurden für die Fälschungen gleich zwei Fehler in den Signaturen übernommen; einer Teamleiterin der Valiant-Bank wurde im Vornamen «Gioia» jeweils das zweite «i» unterschlagen; die «Fachspezialistin» wurde eisern als «Frachspezialistin» aufgeführt.
Die vorsichtigeren unter den Auftraggebern haben sich nicht direkt in die Firma eintragen lassen, sondern sich für den Gründungsakt von einem Strohmann vertreten lassen. In der Hälfte der Fälle gab dafür der Schweizer S. seinen Namen. Dem Notar wollte nicht auffallen, dass mit S. ein mittelloser Mann serienmässig als Firmengründer auftrat. Abgelöst wurde er teilweise vom deutschen Staatsbürger J., der auch mit einer falschen dänischen und einer slowakischen Identität unterzeichnete.
Aufgeflogen sind die Schwindelgründungen eigentlich, als der angeklagte Notar beim Handelsregister Luzern gleichzeitig gleich drei Firmen anmeldete und den Sachbearbeitern auffiel, dass die Bescheinigung der Valiant-Bank nicht den üblichen Bescheinigungen entspreche und wohl eine Farbkopie sei. Statt Anzeige zu erstatten, wurde der Notar jedoch höflich aufgefordert, drei neue, korrekte Bescheinigungen einzureichen. Immerhin wollte das Amt, dass Valiant die Bescheinigungen direkt einreiche. So steht es in der Anklageschrift.
Auch das Basler Handelsregisteramt zeigte sich maximal nachsichtig. Als es feststellte, dass der Handwerker C. das Stammkapital wohl gar nie einbezahlt hatte, erhielt er ein Schreiben, das ihm drei Möglichkeiten anbot: Er könne den Nachweis erbringen, dass die Bescheinigung doch keine Fälschung sei; er könne eine Nachzahlung vornehmen; oder er könne bestätigen, dass er die Einlage «bloss simuliert» habe. C. blieb straflos, da er gegenüber dem Amt in einem Zweizeiler erklärte: «Die anlässlich der Gründung bedingungslos versprochene Einlage wurde nicht geleistet.»
Einen anderen Weg gingen die türkischstämmigen Q. und U., die für einen Bruchteil des Aktienkapitals von 100'000 Franken ebenfalls eine Schwindelfirma erwarben. Als ihnen das Handelsregister auf die Schliche kam, brachte Q. nachträglich das versprochene Aktienkapital auf. Die Firma gibt es weiterhin.
Einige der Firmengründungen scheiterten, weil die Basler Staatsanwaltschaft die Handelsregisterämter vorwarnte. In vier Fällen setzte das Aargauer Handelsregisteramt daraufhin das Kapital der Firmen auf Null, was nach einer gewissen Zeit zum Konkurs führte - ohne juristischen Folgen für die Firmenschwindler. Auffällig erscheint dies nicht: Viele Kleinfirmen vor allem aus dem Bau- und Reinigungsgewerbe, die mit zu wenig Kapital starten, enden nach wenigen Jahren im Konkurs.
Andere Firmen, die in der Anklageschrift aufgeführt sind, geschäften munter weiter ohne irgendwelche Restriktionen. Vier davon sind im Kanton Baselland registriert, dessen Handelsregisteramt nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der basel-städtischen Strafverfolgung hat. Diese sagt, sie habe die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht Handelsregisterämter zu informieren.
Eine dieser Gesellschaften gehört dem Fensterbauer K. Er liess sie im November 2018 über einen der Strohmänner in Basel-Stadt gründen. Zwei Monate später nahm er selbst Einsitz im Verwaltungsrat. Als er kurz darauf in Basel-Stadt eine zweite Firma nach dem gleichen Schema gründen wollte, wurde es ihm verweigert, weil nun die Einzahlungsbestätigung als Fälschung erkannt wurde. Seine erste Firma zügelte er daraufhin in eine Baselbieter Vorortsgemeinde. Dort arbeitet er seither unbehelligt.
Der Notar mag zur Anklage nicht Stellung nehmen. Die anderen mutmasslichen Täter sollen in eigenen Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden. Der Bedarf nach kostengünstigen Firmenmänteln bleibt damit aber bestehen, Nachfolgetäter werden sich finden lassen. Die Ämter werden sich weiterhin nachsichtig zeigen. (aargauerzeitung.ch)
Was ich mir merken konnte: es wird beschissen was das Zeug hält, fällt es auf, passiert aber eigentlich nichts. Ämter sprechen nicht miteinander weil keine Pflicht besteht, obwohl alle wissen, dass beschissen wird. Das ganze flog auf durch Zufall und es wird wohl munter so weitergehen.
Toll.