Die Erbschaftssteuer der Juso beschäftigt nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer im Land, auch kantonale Finanzdirektoren warnen bereits vor den negativen Auswirkungen der Initiative. Diese will bei Vermögen ab 50 Millionen Franken eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent erheben.
Ein solches Risiko wollen Betroffene nicht eingehen, wie sich zunehmend zeigt. In Nidwalden, wo viele Multimillionäre aufgrund der tiefen Steuern leben, beobachtet Finanzdirektorin Michèle Blöchliger, dass «erste vereinzelte Wegzüge erfolgt» seien, wie sie der «Sonntags-Zeitung» sagt. Allerdings relativiert sie: Es sei unklar, wie viele davon ausschliesslich auf die Erbschaftssteuerinitiative zurückzuführen sind. Gegenüber der Zeitung sagte aber auch der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker, er habe von Betroffenen gehört, die Wegzüge prüften.
Wie weit verbreitet die Sorge ist, zeigt die frühe und öffentliche Kritik an der Initiative, die im Frühling mit 140'000 Unterschriften eingereicht worden ist. Nach Peter Spuhler (Stadler Rail), Willy und Simon Michel (Ypsomed) und Markus Blocher (Dottikon ES) äusserte sich nun auch SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, Markus Blochers Schwester.
Die Chefin der EMS-Chemie erklärte am Freitag, auch für ihre Familie hätte die Initiative drastische Auswirkungen. «Meine Kinder müssten auf einen Schlag 2,5 Milliarden Franken zahlen», sagte sie gemäss NZZ an der Halbjahreskonferenz von Ems. Sie und ihre Geschwister würden ebenfalls über einen Umzug ins Ausland nachdenken. Es gehe nicht anders.
Auf Häme nach solchen Aussagen braucht man nicht lange warten. Martullo und überhaupt die Unternehmer sollten doch wegziehen, heisst es in den Kommentarspalten der Nachrichtenportale. Auch der Vorwurf der leeren Drohung ist schnell zur Hand.
Ausserhalb der SP wird indes das Risiko dieser Initiative ernst genommen. Elisabeth Schneider-Schneiter erklärt auf X: Wenn die Millionäre wegzögen, müsse der Mittelstand die Zeche bezahlen. «Dieses Reichenbashing ist unerträglich.» Auf Nachfrage führt die Mitte-Nationalrätin aus: Es sei hinlänglich belegt, wie wichtig die Reichen für die Finanzierung der Sozialwerke seien; über 50 Prozent der Steuererträge stammten von den Superreichen. «Wenn wir über radikale Gesetze diese steuerkräftige Gruppe vertreiben, muss am Ende der Mittelstand einspringen, der heute schon überall geschröpft wird.»
Erste Millionäre sind aus Angst vor Juso-Initiative bereits weggezogen. Und wer bezahlt die Zeche? Der Mittelstand. Irgendwer muss ja noch Steuern bezahlen. Dieses Reichenbashing ist unerträglich.https://t.co/M4JU96RfuV
— Elisabeth Schneider-Schneiter (@Elisabeth_S_S) July 14, 2024
Parteikollege und Ständerat Pirmin Bischof, der sich intensiv mit dem Inhalt der Initiative befasst hat, misst dem Problem gar eine hohe Dringlichkeit bei: «Entscheidend beim Zeitpunkt der Besteuerung ist laut Initiative der Wohnsitz», sagt Bischof. «Wer den Wohnsitz wechseln will, muss beweisen, dass sich auch der Lebensmittelpunkt verschoben hat, wie Bischof ausführt. Es reiche nicht, eine Liegenschaft im Ausland zu kaufen oder seinen Arbeitsplatz zu verlegen.
Bischof spricht darum von einer «Giftpille», die in der Initiative enthalten sei. Die Betroffenen müssten sehr früh und ernsthaft über einen Wegzug nachdenken, wenn sie das Risiko der Abstimmung nicht auf sich nehmen wollten. Darum müsse nun ein Rezept gegen diese Giftpille schnell diskutiert werden.
Die FDP versuchte bereits vorzuspuren. FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger hat in der Sommersession einen Vorstoss eingereicht, um dem Bundesrat Details für eine mögliche Umsetzung der Initiative zu entlocken. Mitte-Ständerat Bischof geht sogar noch weiter: Er fände es hilfreich, wenn der Bundesrat bereits die mögliche Verordnung zur Umsetzung öffentlich machte, um der Initiative Wind aus dem Segel zu nehmen. Es wäre ein Novum.
Klar ist, dass die Mittel beschränkt sind, um der bereits spürbaren Vorwirkung der Initiative entgegenzutreten. Das sei fatal, sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. «Bereits diese Vorwirkung kann beträchtlichen Schaden anrichten.»
Zwar rechnet auch er der Initiative keine grossen Chancen ein. Doch das Risiko für die betroffenen Unternehmen sei schlicht zu hoch. «Sie können sich nicht darauf verlassen, dass die Initiative abgelehnt wird», sagt Burkart. Es brauche darum schnell juristische Abklärungen des Bundesrats, etwa ob die Initiative aufgrund der Vorwirkung überhaupt gültig sei oder ob sie gegen die Einheit der Materie verstosse.
Auch Pirmin Bischof hält eine Ungültigkeitserklärung für eine zweite Option, um den frühzeitigen Wegzug der Unternehmerinnen und Unternehmer zu verhindern. Allerdings hat das Parlament bei der letzten Erbschaftssteuerinitiative darauf verzichtet.
Auch die dritte Option Gegenvorschlag wird breit verworfen. «Sofern die Juso nicht bereit sind, ihre Initiative zurückzuziehen, bleibt das Risiko für die Betroffenen bis zum Abstimmungssonntag bestehen», sagt Pirmin Bischof.
Ich würde a) nicht so tun, als gäbe es keine Umsetzungsgesetzgebung in der man Probleme lösen kann (das ist genau das, was die Gegner der Bilateralen III auch versuchen) b) den Wermuth anrufen und schauen, wie man das berechtigte Anliegen gemeinsam auf gute Bahnen bringt :-)
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) July 14, 2024
Allerdings gibt es erste Anzeichen für Bewegung. SP-Co-Chef Cédric Wermuth erklärte auf X, die Panikmache sei unangebracht - und sei lediglich Ausdruck des schlechten Gewissens der Unternehmer. Darauf reagierte FDP-Nationalrat und Ypsomed-CEO Simon Michel: Es handle sich nicht um Panik, sondern um Vorbereitung. Wermuth entgegnet: Erstens gebe es eine Umsetzungsgesetzgebung, in welcher die Probleme abgefedert werden könnten. Und zweitens könne Michel ihn anrufen, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.
Das Problem der Vorwirkung wird damit zwar nicht aus der Welt geschafft. Ob aber das Kalkül der Juso und der SP-Parteispitze für einen griffigen Gegenvorschlag aufgeht? FDP-Präsident Thierry Burkart winkt ab: Die SP-Spitze komme mit immer extremeren Forderungen, um dann einen Gegenvorschlag auszuhandeln. «Bei diesen Spielchen biete ich keine Hand», sagt Burkart. Mitte-Vizepräsident Pirmin Bischof gibt zudem zu bedenken, dass für einen gescheiten Gegenvorschlag auch die Kantone einbezogen werden müssten. Das sei kurzfristig unrealistisch.
Genauso unrealistisch scheint heute aber ein Rückzug der Initiative.
Wäre der Juso das Anliegen wirklich wichtig, hätten sie eine Abgabe von 5-10 % beschlossen. So geht es nur darum, dass man provoziert, was ihnen gelungen ist...
Da hat er sogar recht. Nur ist der Tweet an den falschen Adressanten gerichtet. Hätte sich die Juso nämlich zuerst an die Mutterpartei gewendet wäre evtl. sogar eine Initiative zu Stande gekommen, welche eine (kleine) Chance gehabt hätte. Aber nein, die Juso setzt mal wieder auf "Hauptsache man redet über uns" und hat es dabei sogar fertig gebracht, dass schon vor der Abstimmung Steuerausfälle durch Reiche drohen, welche dann irgendwie kompensiert werden müssen.