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Wirtschaft

Lugano boomt bei Superreichen – und wird vom Mittelstand verlassen

Luxusvilla auf dem Monte Brè in Lugano: 421 Quadratmeter Wohnfläche, 5 Schlafzimmer, 6 Badezimmer und 180 Grad Seesicht, mit Innenpool und privatem Spa für 6'840'000 Franken. Villa Lugano.
Bild: zVg/ Engel&Völkers

Warum Lugano bei den Superreichen boomt, aber Normalverdienende wegziehen

Die Stadt am Luganersee wird immer beliebter bei den Superreichen. Dies spürt die lokale Wirtschaft. Vor allem Anbieter von Luxusimmobilien und Privatschulen schreiben Rekordzahlen. Auch für den Stadtpräsidenten ist klar, die Stadt mit einem Flughafen nur für Privatjets befindet sich im Aufbruch.
02.10.2022, 07:1603.10.2022, 15:34
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Lugano ist die neuste Entdeckung der Superreichen. Die neuntgrösste Schweizer Stadt gehört zu den 15 Städten weltweit, die gemessen an den wohlhabenden Einwohnern am schnellsten wachsen, wie eine neue Studie des Beratungsunternehmens Henley und Partners zeigt.

8 Prozent mehr Millionäre als im Vorjahr leben in der Tessiner Stadt zwischen den zwei Bergen Monte Brè und Monte San Salvatore. Von den 67'000 Einwohnern sind über 5000 Millionäre. Rund 7,5 Prozent der Bevölkerung zählen demnach ein Vermögen von über 1 Million Franken. Weitere 460 Personen besitzen jeweils über 10 Millionen Franken. 31 Menschen sogar über 100 Millionen und 3 von ihnen sind Milliardäre. Tendenz steigend.

Dieser Trend der Superreichen hat Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft. «Unser Umsatz hat sich im letzten Jahr verdreifacht», sagt Simon Incir, Gründer und Geschäftsführer von Engel und Völkers Lugano. Die Vermittlerfirma ist spezialisiert auf hochwertige Wohn- und Gewerbeimmobilien.

Die Nachfrage von Superreichen widerspiegle sich auch im Quadratmeterpreis. Während dieser im unteren und mittleren Segment beinahe unverändert geblieben sei, ist er im Luxusbereich stark angestiegen. «2018 herrschten Spitzenquadratmeterpreise von bis zu 20'000 Franken. Mittlerweile sind Preise von über 30'000 Franken möglich», erklärt Incir. Durchschnittlich koste ein Quadratmeter im Luganer Luxussegment zwischen 15'000 und 20'000 Franken.

Dem stimmt auch die Konkurrenz zu. Deborah Fontana, die als Sales Director bei Fontana Sotheby's International Realty arbeitet, sagt: «Top-Standorte erreichen Quadratmeterpreise von bis zu 35'000 Franken».

Immobilien für 20 Millionen Franken

Geschuldet sind diese Rekorde der hohen Nachfrage an Luxusimmobilien in Lugano. Das zehnköpfige Team von Engel und Völkers Lugano verkauft pro Jahr rund 40 Objekte, erklärt Incir. «Der Durchschnittskunde bezahlt zwischen 3 und 4 Millionen für sein Anwesen. Es gab aber auch schon Verkäufe von Immobilien, die über 20 Millionen Franken kosten.»

Perle von Collina d'Oro

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Perle von Collina d'Oro
14 Millionen Franken: Die «Perle von Collina d'Oro».
quelle: zvg/ engel&völkers
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Gut unterwegs ist auch die Konkurrenz. «Wir verkaufen jährlich rund 25 Objekte. Meistens zwischen 2 und 12 Millionen Franken. Aber auch Immobilien für 30 Millionen waren schon dabei», sagt Deborah Fontana. Ihr Ziel sei es, den Traum von allen zu verwirklichen. (Die das nötige Kleingeld haben.)

Denn mit einer gut gefüllten Portokasse lässt sich beinahe jeder Immobilien-Traum in Lugano erfüllen. Gewünscht von den Superreichen sei vor allem Seesicht und Privatsphäre – aber auch eine grosse Wohnfläche von 200 bis 1000 Quadratmetern. Zusammen mit Umschwung kann ein Anwesen schnell zwischen 1000 und 3000 Quadratmeter gross sein.

«Aussen- und Innenpool und moderne Technik sind ebenfalls wichtige Kriterien für Superreiche», weiss Fontana. Anwesen, die damit ausgestattet sind, bewegen sich üblich im mehrstelligen Millionenbereich – auch die Adresse spielt eine Rolle.

50 Prozent der Käufer kommen aus der Schweiz

Am beliebtesten seien Luxusimmobilien in den Luganer Stadtteilen um den Monte Bré, wegen der Aussicht, oder in Collina D'Oro, wegen der Nähe zur internationalen Schule. Doch wer sind diese Käufer, die so viel Geld fürs Wohnen ausgeben?

Deborah Fontana, Sales Director, Fontana Sotheby's International Realty in Lugano.
Deborah Fontana, Sales Director bei Fontana Sotheby's International Realty Lugano.Bild: zVg

«Rund 50 Prozent der Kunden in Lugano kommen aus der Schweiz. Unter den ausländischen Käufern stammen 30 Prozent aus Deutschland, 30 Prozent aus Italien und die verbliebenen 40 Prozent aus aller Welt», erklärt Simon Incir von Engel und Völkers.

Momentan bemerke er einen Boom an Nachfrage aus skandinavischen Ländern, aber auch aus Osteuropa wie Polen und der Ukraine.

Aus aller Welt lassen sich Superreiche in Lugano nieder. Dies spürt die Privatschule The American School In Switzerland (TASIS) in Collina D'Oro. «Aktuell haben wir 755 Schüler. Diese Zahl ist ein neuer Rekord für uns», sagt Mark Chevalier, Kommunikationschef an der Tasis. Wer seinen Nachwuchs in die Luganer Privatschule stecken will, muss tief in die Tasche greifen.

Campus der Privatschule The American School In Switzerland (TASIS) in Collina D'Oro, Lugano.
Der Campus der American School In Switzerland (TASIS) in Collina D'Oro, Lugano.Bild: zVg/Tasis

Über 30'000 Franken bezahlen die superreichen Eltern jährlich für ihre Kinder vom Kindergarten bis zur 5. Klasse. 42'000 kostet die 6. Klasse, 47'000 die 7. und 8 und knapp 50'000 Franken von der 9. bis zur 12. Klasse. Danach sind es 91'000 Franken pro Jahr pro Kind für die Middle- und Highschool.

«Das Interesse an unserem Standort in Lugano steigt definitiv an», sagt Chevalier. Die Schule unterrichtet Kinder und Jugendliche aus 59 Nationen. Die 10 am meisten vertretenen Nationen seien aus Europa die Schweiz, Deutschland, Italien, Ukraine, Grossbritannien sowie Russland. Und aus Asien, China und Japan. Nicht zuletzt auch die USA sowie Brasilien.

Superreiche kommen, Normalverdienende gehen

Warum es Superreiche aus allen Nationen nach Lugano zieht? «Unsere Stadt bietet alles, was die Schweiz ausmacht, und verbindet das mit einem mediterranen Flair», sagt dazu Simon Incir von Engel und Völkers. Er spielt auf die Schweizer Infrastruktur, die politische Stabilität und vor allem die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung im Land an. «Die schnelle Erreichbarkeit von Mailand und Zürich sind ebenfalls Anreize für vermögende Personen», ergänzt Deborah Fontana.

Nur für Superreiche: Diese Villa kostet 28 Millionen Franken

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Nur für Superreiche: Diese Villa kostet 28 Millionen Franken
Seltenes Fundstück: Die Villa Floridiana ist eine historische Villa aus dem Jahre 1890.
quelle: zvg/ fontana sothebys
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«Lugano ist eine attraktive, innovative und zukunftsorientierte Stadt, sie ist weltoffen und macht ihre Pluralität zu einem wertvollen Gut», sagt dazu der Luganer Stadtpräsident Michele Foletti und fügt an: «Auch der kleine, aber gut ausgestattete Flughafen für Privatkunden wird von Wohlhabenden geschätzt.» Seit der Einstellung von Linienflügen durch die Swiss landen nur noch Privatjets auf dem Luganer Flughafen.

Der Trend, dass so viele Superreiche nach Lugano ziehen, ist besonders paradox, da die Stadt generell eine Abwanderung erfährt. Denn laut der letzten Bevölkerungsstatistik verlor Lugano 2200 Einwohner in den vergangenen fünf Jahren. Gründe dafür sind: hohe Mieten und viel Verkehr.

«Die Abwanderung von Personen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen kann unter bestimmten Umständen durchaus stattgefunden haben», gibt auch der Stadtpräsident von Lugano zu. Man arbeite am Ziel, den Zugang zu preisgünstigen Mietwohnungen zu fördern. Gleichzeitig hat die Exekutive noch grössere Pläne. «Lugano ist eine Stadt im Aufbruch», erläutert Foletti und verweist auf Luganos Plan B.

Dieser sieht vor, Blockchain und Bitcoin in der gesamten Stadt zu verbreiten. Einwohner von Lugano sollen von kleinen Transaktionen mit lokalen Händlern bis hin zu grösseren Anstrengungen – wie der Zahlung der jährlichen Steuern – eine Blockchain-Lösung verwenden können.

Die Initiative der Stadt zusammen mit der in Lugano ansässigen Krypto-Firma Tether biete vor allem Start-ups die Möglichkeit zu profitieren, ist der Stadtpräsident überzeugt. Im Plan-B-Hub, einem im Standzentrum geplanten Gebäude, werden sich Start-ups untereinander austauschen können und vom Kontaktnetz profitieren – auch durch regelmässige Veranstaltungen.

Stadtpräsident von Lugano, Michele Foletti.
Luganos Stadtpräsident Michele Foletti. Bild: zVg

«Zudem wird es qualifizierte Unterstützungsdienste geben, wovon die Jungunternehmen profitieren», erklärt Foletti. Details zum Plan B werden der Öffentlichkeit Ende Oktober präsentiert. Lugano möchte so den nächsten Schritt gehen, um weltweit als Krypto-Hotspot anerkannt zu werden – und für Start-Ups attraktiver zu werden.

Auch für die breite Bevölkerung und Normalverdiener hat die Stadtregierung einige Projekte in der Pipeline. «Wir investieren viel in die Renovierung und in das Angebot neuer öffentlicher Räume in den Stadtvierteln, Spielplätze und Stadtgärten». Des Weiteren sei das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz attraktiv. Aber auch die Bildungsmöglichkeiten in Lugano.

«Wir haben ein hervorragendes Angebot von der Grundschule bis zur Universität», sagt Stadtpräsident Foletti. Mit all diesen Massnahmen und Plänen möchte die Stadt die Weichen stellen, damit auch Normalverdiener in Lugano bleiben können und gleichzeitig, damit neue innovative Köpfe an den Luganersee zu locken. Denn Lugano hat vieles zu entdecken – nicht nur für Superreiche.

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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Meister Lampe
02.10.2022 08:21registriert Juli 2021
Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen was an so einer Entwicklung erstrebenswert oder positiv sein soll. Für die regional Mittelschicht ist so eine Verdichtung von Reichtum verheerend. In der Schweiz braucht es nach meiner Meinung schon lange ein Regulierung der Kapitalzuwanderung und einen Verteilschlüssel um regionale Konzentration zu verhindern.
Als Zuger weiss ich wovon ich spreche.
Aber solange noch genug Bodenbesitzer profitieren wird das wohl nichts.
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Skunk42
02.10.2022 08:23registriert Februar 2022
Also eigentlich das was in jeder mehrbesseren Schweizer Stadt passiert. Versucht mal in Zug oder Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden.
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Denkblase
02.10.2022 07:43registriert Juli 2020
Und wer bedient dann die vermögenden Gäste im Restaurant oder in einem Einkaufsladen? Wer fährt dann noch die Schiffe auf dem See? Wenn ja alle Normals wegziehen!
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