Urs Furrer, Direktor des Gewerbeverbandes, spricht gegenüber CH Media von einem «Schmerzpunkt». Der Begriff aus der Medizin bezeichnet Körperstellen, die besonders empfindlich sind. Ärzte nutzen sie oft zu diagnostischen Zwecken.
Auch der oberste Gewerbler will eine Diagnose stellen. Ihm geht es allerdings nicht um ein medizinisches, sondern um ein wirtschaftliches Leiden: um überzogene Gebühren für bargeldloses Bezahlen im Handel. Denn die Zahlungsdienstleister, im Jargon Acquirer genannt, drücken laut Furrer diesen Schmerzpunkt der KMU immer fester. Einige haben die Gebühren in den letzten Jahren in die Höhe geschraubt. Das tut weh und drückt auf die Margen.
Seine Diagnose untermauert der Gewerbeverband zusammen mit dem Verband Swissdebitpay sowie dem Konsumentenforum mit einer neuen repräsentativen Studie. Für diese haben Forscher der Universität St. Gallen und der ZHAW kleine und mittelgrosse Unternehmen zu den Konditionen ihrer Zahlungslösungen befragt. Die Ergebnisse zeugen von einem gewissen Unmut: 44 Prozent der Firmen gaben an, dass die Gebühren von Debit- und Kreditkarten in den letzten zwei Jahren gestiegen seien.
Um diesen Frust zu verstehen, ist ein Blick auf die Kostenstrukturen im bargeldlosen Zahlungsverkehr nötig. Heute kann es sich kaum eine Firma mehr leisten, Kartengeld abzulehnen. Deshalb buhlen verschiedene Anbieter von Kartenterminals und Acquirer um das Gewerbe. Sie heissen Worldline, Postfinance, Nexi, oder Sumup und sorgen dafür, dass beispielsweise ein Café unkompliziert Debit-, Twint- oder Kreditkartenzahlungen verarbeiten kann.
Dafür verlangen die Acquirer eine Gebühr. Bei einer Zahlung von 46 Franken mit einer Debitkarte – das entspricht einem durchschnittlichen Einkauf in der Schweiz – zweigen sie im Schnitt 41 Rappen ab, also 0,9 Prozent. Davon müssen sie die Interchange-Gebühr an die Banken weiterreichen, und ein Teil fliesst als Lizenzabgabe an Visa oder Mastercard. Am Schluss bleibt ihnen eine durchschnittliche Marge von 0,7 Prozent.
Das sieht auf den ersten Blick nicht nach viel aus. Doch der Durchschnittsfall täuscht. Denn gerade bei kleinen Händlern können die Acquirer offenbar deutlich höhere Margen durchsetzen.
Daraufhin deutet jedenfalls Studie, die bei den Gebühren eine beträchtliche Spannbreite aufdeckt. Diese lässt sich am besten mit dem beliebtesten Produkt, der Debitkarte, illustrieren. Die meisten der befragten 87 Händler haben einen Vertrag mit einem Fixmodell. Da berechnen die Acquirer entweder einen festen Rappenbetrag oder einen definierten Prozentsatz pro Transaktion.
Je nach Anbieter gibt es erhebliche Unterschiede. Betrachtet man die Visa- sowie die Mastercard-Debitkarte, reichen die zu entrichtenden Gebühren von 0,3 bis zu 2,5 Prozent. Bei der Postkarte sind es 0,1 bis 1,5 Prozent, bei Twint 0,4 bis 1,5 Prozent.
Ebenfalls happig fallen die Gebühren für jene Betriebe aus, die einen Vertrag mit fixem Rappenbetrag abgeschlossen haben. Bei den genannten Debitkarten müssen sie pro Zahlung zwischen 5 Rappen und 30 Rappen abliefern, bei der Post zwischen 10 und 50 Rappen. Zieht man alle Bezahlarten hinzu, blechen die befragten Händler im Schnitt 27 Rappen pro Zahlung. Es gibt aber auch Händler, die fast einen Franken pro Transaktion zahlen, insbesondere wenn eine Kreditkarte verwendet wird.
Weitverbreitet ist auch ein Mischmodell, bei dem der Acquirer jeweils einen Sockelbetrag plus einen Prozentsatz verrechnet. Während der Sockelbetrag mit 10 Rappen bei den untersuchten Anbietern kaum variiert, ist es mit der variablen Komponente anders: Sie schwankt pro Transaktion zwischen 0,3 und 1,3 Prozent. Bezahlt also ein Kunde beim Bäcker ein einzelnes Gipfeli für 1.50 Franken mit der Debitkarte, schmilzt dessen Ertrag um bis zu 11 Rappen, hauptsächlich wegen der fixen Abgabe. Auf Dauer kann aber auch der variable Prozentsatz dieser Abrechnungsart ins Gewicht fallen.
Wieso nutzt ein Restaurant oder ein Bäcker die Spielräume nicht aus und wechselt zu einem günstigeren Anbieter? Schliesslich kann er aus verschiedenen Acquirern auswählen. Hierzulande dominiert zwar der französische Konzern Wordline das Geschäft. Doch es gibt mittlerweile Konkurrenten, darunter Nexi, Postfinance oder Sumup. Wie die Studie zeigt, gibt es durchaus Anbieter, die deutlich tiefere Gebühren verlangen.
«Für kleine Geschäfte ist es heute praktisch unmöglich, im Gebührendschungel durchzublicken», erklärt Michèle Lisibach, Ressortleiterin Handel beim SGV. Die Gebührenblätter der Acquirer umfassten nicht nur Dutzende Positionen. Auch die Sprache sei für Laien kaum verständlich. Angesichts dieser Intransparenz sei es schwierig, die unterschiedlichen Angebote überhaupt zu vergleichen. In der Studie stufte eine Mehrheit die Transparenz und die Verständlichkeit der Kostenstrukturen als «schlecht» ein.
Dennoch sind den KMU nicht die Hände gebunden. Wer seinen bestehenden Vertrag neu verhandelt, kann oft bessere Konditionen herausholen. Der Gewerbeverband empfiehlt zudem, über den Branchenverband einen Rahmenvertrag abzuschliessen. Dadurch könnten die KMU ihre Verhandlungsstärke bündeln. Ein Beispiel: Der Verband Gastrosuisse konnte mit einem Rahmenvertrag erreichen, dass beim Acquirer Nexi nicht nur der Sockelbetrag von 10 Rappen pro Transaktion wegfiel. Auch die prozentuale Gebühr konnte die Branche für seine Mitglieder pro Transaktion von 0,95 auf 0,45 Prozent drücken.
Die kritisierten Acquirer erklären auf Anfrage, sie legten viel Wert auf transparente Preise und kundenfreundliche Lösungen. Sumup, Twint und Postfinance betonen, man habe in den letzten zwei Jahren die Preise nicht erhöht. Twint bezeichnet seine Gebühren als «moderat» und stellt die Aussagekraft der Studie infrage.
Nexi begründet seine Preisanpassungen mit der Einführung der Interchange-Gebühr bei den neuen Debitkarten. Zudem betont die Firma, dass sie viel in Sicherheit und Technologie investiere. Branchenführer Worldline hat dieses Jahr zwei Preiserhöhungen durchgeführt. Diese reflektierten die gestiegenen Interchange- und Lizenzgebühren, heisst es. Es seien aber auch Kosten nicht weitergegeben worden.
Worldline zeigt Verständnis dafür, dass die «unterschiedlichen Gebührenstrukturen bei Karten und Acquirern für Gewerbetreibende verwirrend» sein könnten. «Ähnlich wie bei den verschiedenen Telekommunikationsanbietern, wo die Preise für dasselbe Angebot variieren, sind auch hier unterschiedliche Gebührenmodelle im Markt üblich.» Das Ziel von Worldline sei es, den «Zahlungsverkehr für alle Beteiligten so einfach und nachvollziehbar wie möglich zu gestalten». (aargauerzeitung.ch)
Stecken ja bei beiden die selben Abzockerfirmen dahinter nähmlich Master oder Visa.