Sie kommen aus Lateinamerika, Afrika und dem Nahen Osten: die Influencer, die den Zauberberg weltweit bekannt machen – sprich das World Economic Forum in Davos repräsentieren.
Die Organisatoren des Wirtschaftsforums 2023 haben sechs Influencer aus der ganzen Welt eingeladen, um über den Grossevent zu berichten. Oder wie es das WEF formuliert: «Die ‹Creators› werden am Weltwirtschaftsforum teilnehmen, um sich mit Innovatoren zum Thema Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Gesundheitsversorgung auszutauschen.»
Wer sind die sechs Influencer – und vor allem: Worüber berichten sie?
Die 34-jährige Adanna Steinacker ist in Nigeria geboren und die Tochter eines Politikers und einer Rechtsanwältin. Obwohl Steinacker Biomedizin studierte, arbeitet sie seit fast einem Jahrzehnt als YouTuberin. Dr. Adanna (so nennt sich die Ärztin selbst) nutzt ihren medizinischen Hintergrund, um auf die Gesundheitsversorgung in Afrika aufmerksam zu machen und diese zu verbessern. So gründete Steinacker 2017 die internationale Organisation Medics Abroad, die medizinische Einrichtungen in Afrika mit Gütern und Dienstleistungen versorgt.
Gemeinsam mit ihrem deutschen Mann, mit dem sie gerne vor der Kamera tänzelt, führt sie den YouTube-Kanal «The Adanna David Family». Die beiden versorgen ihre Fans vor allem mit Geschichten zu ihrer interkulturellen Ehe. Steinacker sieht sich selbst auch als Feministin und will mit ihren Videos zeigen, dass man auch mit drei Kindern erfolgreich sein kann.
«Ich habe heute Abend mit grossartigen Frauen verbracht, die unermüdlich daran arbeiten, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen», schreibt die dreifache Mutter auf Instagram. Ihre Fans müssten sich aber noch etwas gedulden, bis ihr neues YouTube-Video erscheint, in dem sie über das Davoser Gipfeltreffen berichtet.
Selfies im Schnee hingegen hat die Influencerin wie eine Schneekanone rausgehauen en masse auf Instagram geteilt.
Yassin ist ein israelischer Staatsbürger, der in eine palästinensische Familie hineingeboren wurde. Er selbst sieht sich als palästinensischen Israeli. Der 30-Jährige studierte Wirtschaftswissenschaft und arbeitete als Softwareentwickler bei Venmo, einem Mobile-Payment-Service von PayPal.
2016 kündigte er seinen Job, um die Welt zu erkunden. Seine Reise wollte er in den sozialen Medien dokumentieren. So begann er, täglich ein einminütiges Video auf seinen «Nas-Daily»-Netzwerken zu teilen. Noch heute reist Yassin rund um den Globus, um Menschen aus aller Welt zu porträtieren, wie etwa den grössten Menschen der Welt.
Der Weltenbummler ist überrascht, wie viele Länder am WEF teilnehmen. Sein Staunen bringt er in diesem Video zum Ausdruck:
Auch Nathalia Arcuri schlug einen anderen Weg ein, ehe sie die Welt der Influencer betrat. Die Brasilianerin studierte Journalismus und arbeitete als Reporterin und später als Wettermoderatorin.
Heute ist die 37-Jährige bekannt für ihren Finanzkanal «Me Poupe!» sowie für ihr Buch «10 Schritte, damit dir nie wieder das Geld ausgeht» – und zählt zu den einflussreichsten Influencerinnen Brasiliens.
Für ihren ersten Post schnappte sich die Brasilianerin Klaus Schwab höchstpersönlich für ein Selfie. Sie schreibt witzelnd: «Auf dem zweiten Foto erzählte ich dem Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, das Konzept von Me Poupe! Wie ihr seht, war er schockiert». Schwab sieht tatsächlich schockiert aus, mit dem Überfall der ihm wohl gänzlich unbekannten Influencerin hatte er offenbar nicht gerechnet.
Viele Fragen wirft die Brasilianerin mit einem weiteren Beitrag aus Davos auf. «Dieses Mal sind die Achseln gefroren! 🥶», schreibt die eingeschneite Influencerin. Wie stark solche Posts dem Ruf des WEF nützen und die Social-Media-Generation abholen, ist mehr als fraglich. Es drängt sich eher die (weniger weltbewegende) Frage auf, ob Arcuri allenfalls zu lange den Selfiestick halten musste, bis sie ihren Post im Kasten hatte.
Kobina Ackon kommt aus Ghana und hat in Peking studiert. Dort hat er seinen Social-Media-Namen aufgegabelt: «Wode Maye», was auf Chinesisch so viel bedeutet wie: «Deine Mutter». Bereits als Student in China hat er begonnen, über seine Erlebnisse zu vloggen.
Aktuell arbeitet Ackon für das Projekt «Africa to the World», das sich darauf spezialisiert hat, Einblicke in die afrikanische Welt zu zeigen, über die nur selten berichtet wird. Sein Ziel ist es, das eher negative behaftete Bild Afrikas in ein positives Licht zu rücken, hauptsächlich, um den Tourismus anzukurbeln und das Land für Investitionen attraktiv zu machen.
«Deine Mutter» hat noch keine Bilder von Davos geteilt. Kobina Ackon ist aber vor Ort, das beweisen Gruppen-Selfies der anderen auserwählten Influencer.
Auch Prajakta Koli strebte einst eine Medienkarriere an. Die 29-jährige Inderin absolvierte bei einem Radio in Mumbai ein Praktikum, ehe sie als Influencerin durchstartete.
Heute unterhält Koli ihre Community mit scherzhaften Videos, die sich auf alltägliche Situationen beziehen. 2019 ist die Influencerin in die «30 under 30»-Liste des Wirtschaftsmagazins Forbes aufgenommen worden. Im darauffolgenden Jahr spielte sie in einem Kurzfilm, der die Rolle der Frau im ländlichen Bundesstaat Haryana beleuchtet. Anschliessend erhielt sie eine Rolle in der indischen Netflix-Serie «Mismatched».
Die Influencerin drehte ein Video, als sie ihren Koffer für die Reise nach Davos packte – und ihr Airport-Outfit offenbarte. Um ihren Fans mitzuteilen, dass sie gut angekommen ist, teilte sie eine «Yay, ich bin hier»-Aufnahme mit der Bildlegende: «Making conversations loud and clear.»
Ihr Feed blieb aber bislang eher ruhig – auch wenn ihre neueren Bilder immerhin das WEF-Logo zeigen. Zumindest in Einzelfällen.
Luis Arturo Villar Sudek, besser bekannt als Luisito Comunica, kommt aus Mexiko und hat sein Studium der Kommunikationswissenschaften abgebrochen, um Englischlehrer zu werden.
Der 31-Jährige brauchte zwei Anläufe, um bekannt zu werden. Erst versuchte sich Luisito mit dem Kanal «Piano Para Gente Cool» («Klavier für coole Menschen») als Unterhaltungsmusiker. Den Durchbruch schaffte er aber erst, als er damit begann, lustige Videos seines täglichen Lebens zu veröffentlichen.
Ja, wir dachten auf den ersten Blick auch, ein Foto vor dem Rolex-Store. Echt jetzt?
Aber ...
Der Post bezieht sich auf Shakiras neuen Song, in dem sie gegen ihren Ex und Ex-Fussballer Gerard Piqué (und seine Freundin) stichelt. An einer Stelle singt die Latina: «Du hast eine Rolex gegen eine Casio getauscht.»
Okay, aber zurück zum seriösen Teil. Luisito schleppt seine Fans vor allem mit nicht so ernst gemeinten Kurzvideos durch die Strassen von Davos, in denen er sich über sich selbst lustig macht.
Was das dem Weltwirtschaftsforum letztlich bringt, ist (noch) nicht so klar.
(cst)