Trinkgeld schenkt bei Gastro-Angestellten ein. Nun ist eine neue Debatte entflammt, ob dieses Zusatzeinkommen, das oft nicht versteuert wird, auch auf den Lohnausweis gehört.
Die Vorteile wären eine bessere Absicherung im Alter und bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Unfall, da Angestellte mehr in diese Versicherungen einzahlen. Doch der Nachteil wäre, dass am Ende des Monats weniger Geld auf dem Konto der Gastro-Mitarbeiter landen würde.
watson hat bei drei Gastro-Betrieben nachgefragt, wie sie dazu stehen.
Holzkohlegrill, eine grosse Weinkarte und eine Bar sind die Highlights des Restaurants Bodega in Baden. Sechs Angestellte erfüllen im Betrieb die kulinarischen Wünsche der Gäste. Dafür werden die Mitarbeiter auch reichlich mit Trinkgeld belohnt.
Laut der Inhaberin Stephanie Meier erhalten Angestellte zusätzlich zum Vollzeitlohn von 5000 Franken jeden Monat Trinkgeld von rund 25 Prozent des Lohnes. «Im Sommer und im Dezember schenkt das am meisten ein», sagt sie zu watson.
Die Mitarbeitenden würden diesen Zustupf bar erhalten – auch wenn Gäste mit der Karte bezahlen. «Wir versteuern das Geld als Geschäftsführer und nicht die Arbeitnehmer. Wenn man neu das Trinkgeld auf die Lohnabrechnung tun müsste, wäre das weniger lukrativ für die Angestellten», sagt sie. Dabei sei es bereits jetzt schwierig, gute Gastro-Fachkräfte zu finden.
Relativ neu sind das Restaurant Cave du Luc und die Zäni Bar von Jann Meile, Nicolas Villiger und Manuel Ruesch. Seit Herbst 2023 sind regelmässig acht Angestellte im Einsatz. Das gemachte Trinkgeld wird laut Mitinhaber Meile nach geleisteten Arbeitsstunden gleichmässig zwischen allen Mitarbeitenden aufgeteilt. Rund 600 Franken würden so jeden Monat pro Vollzeitstelle zusammenkommen – zusätzlich zum Lohn von 5000 Franken bei einem 100-Prozent-Pensum. Trinkgeld, welches die Gäste mit der Karte bezahlen, kommt bei den Angestellten bereits auf den Lohnausweis. Bargeld erhalten sie direkt.
Einer verbindlichen Regelung für die ganze Branche steht Meile skeptisch gegenüber. «Klar, kann man ein Gesetz machen, aber wie soll das kontrolliert werden? Bargeld, das nicht getippt wird, erscheint in keiner Abrechnung.» Laut dem Restaurantbetreiber halte sich das Trinkgeld bei der Grossmehrheit der Gastrobetriebe im Rahmen. Es gebe wenig Orte, in denen das ausschlage. «Natürlich gibt es Cüpli-Beizen oder gehobene Gastronomie, in der die Mitarbeitenden mit dem Trinkgeld sogar einen ganzen Lohn zusätzlich verdienen. Aber das sind wenige Gaststätten in der Schweiz», sagt Meile.
Ein Hotel- und Restaurantbetreiber, der anonym bleiben möchte, sagt gegenüber watson, dass Trinkgeld ein Thema sei, bei dem man sich als Geschäftsführer nicht einmischen solle. «Bei uns darf die Servicekraft das Trinkgeld behalten. Ein kleiner Beitrag geht an die Küche, in der die Angestellten bereits einen etwas höheren Lohn haben.» Grundsätzlich können Service-Mitarbeitende ihren Lohn so um 20 Prozent verbessern.
Er sieht es kritisch, dass Trinkgeld auf dem Lohnausweis erscheinen soll. Speziell, weil bei seinem Betrieb 90 Prozent des Trinkgeldes bar bezahlt werde. «Bei uns hat jede Servicekraft ihr eigenes Portemonnaie. Auch wenn ich wollte, könnte ich gar nicht verlässlich kontrollieren, ob am Ende des Tages alles Trinkgeld abgegeben wurde. Zudem würde das innerbetrieblich nicht wirklich für Frieden sorgen.»
Der Hotel- und Restaurantbetreiber versteht aber, dass sich andere Branchen mit auch eher tiefen Löhnen von der Gastro-Ausnahmeregel mit dem Trinkgeld benachteiligt fühlen. Er gebe deshalb auch seinem Coiffeur oder Migros-Verkäufer Trinkgeld. Doch er hält fest: «In der Gastronomie ist das Trinkgeld auch eine Art Entschädigung für die Nacht- und Wochenendarbeit.»