«Ein Umdenken muss stattfinden» – beim Trinkgeld könnte es eine grosse Veränderung geben
Viele haben es schon einmal bekommen, viele geben es regelmässig: Trinkgeld. In der Schweizer Gastronomie ist es normal, dass der Gast dem Personal nach einem guten Service ein paar Franken zusätzlich gibt. Früher passierte dies meistens in bar, heute oft auf elektronischem Weg. Das hat weitreichende Konsequenzen: «Die ganze Branche hat Angst», sagt ein Restaurantbetreiber gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Rund eine Milliarde Franken Trinkgeld fliesst in der Schweizer Gastronomie pro Jahr. Mit der zunehmenden Ablösung des Bargelds durch digitale Zahlungsmittel wird dies nun zum Problem, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. Denn die Gelder tauchen in der Abrechnung auf und müssen korrekt verbucht werden. Erste Restaurants deklarieren die Trinkgelder deshalb auf den Lohnausweisen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
«In der Branche muss ein Umdenken stattfinden», sagt der Zürcher Gastro-Unternehmer Manuel Wiesner. Er verweist auf die Vorteile: Angestellte erhielten im Alter eine höhere Rente, seien besser versichert bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Unfall.
GastroSuisse will kein Umdenken
Beim Personal stösst die Deklaration allerdings oftmals auf Ablehnung. Denn durch die Steuern und Sozialabgaben sinkt ihr verfügbarer Lohn. Auch der Verband GastroSuisse will nichts wissen von einem Umdenken.
Präsident Casimir Platzer glaubt, dass das Trinkgeld in den meisten Fällen nicht mehr als zehn Prozent ausmache und somit nicht sozialversicherungspflichtig sei. Platzer gibt zu bedenken, dass den Unternehmen durch die Lohnabzüge Mehrkosten entstünden, wenn sie das Trinkgeld deklarieren müssten. Gleichzeitig würden die Mitarbeiter weniger verdienen. Der Präsident von GastroSuisse sagt gegenüber der «NZZ am Sonntag»: «Bei einer Integration der Trinkgelder in den Lohn gibt es nur Verlierer.»
Anders sieht dies Gastronom Manuel Wiesner. Er sagt, es komme vor, dass Angestellte zu einem Lohn von 4000 Franken noch 1500 Franken Trinkgeld dazu verdienen würden. «Da müssen wir doch nicht mehr darüber diskutieren, ob das zum Lohn gehört oder nicht.» (cma/sda)
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