Seit dem jüngsten Dividendenreigen sind die Aktionärinnen und Aktionäre der 30 wertvollsten Unternehmen an der Schweizer Börse weitere 46,6 Milliarden Franken reicher. CH Media publiziert seit 2010 alljährlich den grossen Dividendenreport, und die Statistik zeigt: Die Firmen haben in den vergangenen 14 Jahren Gewinnanteile in einer Gesamthöhe von 584 Milliarden Franken ausgeschüttet, und die Ausschüttungen sind um durchschnittlich 4,5 Prozent pro Jahr angewachsen.
Das ist ein ungemein hoher Wert, wenn man ihn zum Beispiel ins Verhältnis zur Inflationsrate stellt. Im ganzen Beobachtungszeitraum lag diese im Mittel bei weniger als 0,5 Prozent pro Jahr und nie höher als 3 Prozent.
Wer 2010 für 10'000 Franken die 30 im Swiss Leader Index (SLI) enthaltenen Aktien erworben und die jährlichen Dividendeneinnahmen konsequent zum Zukauf von weiteren Titeln aus dem SLI-Korb verwendet hat, besass Ende 2024 ein Kapital von 18'519 Franken. Der dahinterstehende Zinseszinseffekt ist eine wichtige Quelle von Reichtum und Wohlstand in der Schweiz.
Die Pensionskassen, die rund 14 Prozent der von ihnen verwalteten Vorsorgekapitalien im Wert von total 1200 Milliarden Franken in Schweizer Aktien halten, sprechen vom «dritten Beitragszahler». Sie meinen damit den Vermögenszuwachs, der sich nicht aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen, sondern aus höheren Börsenkursen, Zins- und Zinseszinseinnahmen und eben aus den stetig wachsenden Dividendenerträgen ergibt. Diese Anlagerendite liefert seit Jahrzehnten den grössten Beitrag zur Schweizer Altersvorsorge.
Alteingesessene Grossunternehmen mit etablierten Produkten, starker Marktstellung und eingespieltem Geschäftsmodell sind typischerweise besonders grosszügige und verlässliche Dividendenzahler. Sie haben die kostspielige Aufbau- und Expansionsphase hinter sich und ernten die Früchte dieser Investitionen. Die Schweizer Wirtschaft ist reich bestückt mit reifen Unternehmen, die in ihren Märkten nicht selten weltweit führende Positionen besetzen.
Thomas Meier, ein Fondsmanager beim Vermögensverwalter Mainfirst in Frankfurt, der sich auf Anlagen in Aktien dividendenstarker Firmen spezialisiert hat, bezeichnet solche Unternehmen als «Dividendenaristokraten», und der Schweizer Aktienmarkt zählt zu seinen bevorzugten Jagdrevieren. Aus gutem Grund:
2024 haben die 30 SLI-Konzerne einen kumulierten Gewinn von knapp 66 Milliarden Franken erwirtschaftet. Davon schütteten sie die erwähnten 46,6 Milliarden Franken als Dividenden aus. Zudem kauften die Firmen eigene Aktien im Wert von 18,5 Milliarden Franken zurück, was ebenfalls eine Form von Gewinnausschüttung ist. Somit haben die Konzerne ziemlich genau ihren gesamten Jahresgewinn an die Aktionäre verteilt.
Die Ausschüttungsquote liegt zwar nicht immer bei 100 Prozent, aber sie bewegt sich seit der Finanzkrise deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass den Unternehmen das einstige Grundvertrauen in die allgemeine Wirtschaftsentwicklung abhandengekommen ist.
Die Unternehmen investieren ihre Gewinne in neue Produktionsanlagen oder in die Entwicklung neuer Produkte, wenn sie einigermassen zuverlässig mehr Nachfrage erwarten können. Wird diese Chance aber als gering eingestuft, werden die Gewinne eher an die Aktionäre zurückgeführt. Langfristig ist solches Verhalten wachstumshemmend und wohlstandsmindernd, weil es das Produktionspotenzial der Unternehmen verringert.
Nach diesem Muster verfuhr in den vergangenen Jahren auch Nestlé, der seit langer Zeit grösste Dividendenzahler der Schweiz. Der Lebensmittelmulti hat im Dezember 2024 ein im Jahr 2022 lanciertes Aktienrückkaufprogramm im Wert von 20 Milliarden Franken abgeschlossen. Es war das zweite Programm in dieser Dimension seit der Finanzkrise.
Glücklich wurden die Aktionäre trotzdem nicht. Nestlé hat den Nimbus eingebüsst, in allen konjunkturellen Witterungsbedingungen überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erzielen zu können. Deshalb hat sich der Börsenwert des Konzerns 2024 um 63 Milliarden auf 193 Milliarden Franken verringert – mit der Nebenwirkung, dass das Unternehmen für die zurückgekauften Aktien auch noch viel zu hohe Preise zahlte, was für eine zusätzliche Vernichtung von Aktionärswert sorgte.
Fondsmanager Thomas Meier geht davon aus, dass sich das Gewinnwachstum der Unternehmen in dem verschlechterten weltwirtschaftlichen Klima deutlich verlangsamen wird. Es sei deshalb in nächster Zeit auch mit viel weniger Aktienrückkäufen zu rechnen, meint er. An Dividendenkürzungen im grossen Stil glaubt Meier aber nicht. «Die Firmen werden versuchen, ihre Dividenden auch in schwierigen Zeiten zu halten oder gar weiter zu steigern», sagt er im Wissen, dass die Verlässlichkeit der Ausschüttungen ein bestimmender Faktor für die Loyalität der Aktionäre und für die Börsenbewertung der Firmen ist.
Positiv gestimmt ist Thomas Meier für die Banken. «Sie standen in den letzten 15 Jahren in der Schmuddelecke des Finanzmarktes. Da sind sie jetzt herausgekommen.» Meier glaubt, dass die Banken eine nächste Rezession besser durchstehen werden als früher.
«Das verdanken wir nicht zuletzt der verschärften Regulierung. Deshalb ist es aus Sicht des Dividendenempfängers keine Tragödie, wenn die Banken konservativen Eigenkapitalvorgaben genügen müssen», sagt der Fondsmanager, der natürlich sehr genau weiss, dass sich Institute wie die UBS heftig gegen strengere Auflagen wehren.
Die UBS verspricht ihren Aktionären stetig steigende Ausschüttungen, aber auch weitere Aktienrückkäufe in Milliardenhöhe. Je nach Entwicklung der Regulierung in der Schweiz wird sie sich vielleicht bei Aktienrückkäufen mehr Zurückhaltung auferlegen müssen.
Grosszügig bedient werden seit der Finanzkrise nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Manager. Der durchschnittliche CEO-Lohn der Firmen im Swiss-Leader-Index ist zwischen 2010 und 2024 von 4,7 Millionen auf 6,7 Millionen Franken gestiegen. Einen Rekord schaffte 2024 Novartis-Chef Vasant Narasimhan, der nach einer Gehaltserhöhung um 19 Prozent auf einen Jahreslohn von 19,2 Millionen Franken gekommen ist. In den USA zahlen viele Grossunternehmen ihren CEO längst mehr als 20 Millionen Dollar pro Jahr. In Europa war die 20-Millionen-Marke bislang aber noch eine Art Schamgrenze.
Hohe Cheflöhne sind für die Aktionäre naturgemäss leichter zu verdauen, wenn auch ihre eigene Gesamtrechnung stimmt. Diese Gesamtrechnung wird im Jargon als Shareholder Value bezeichnet und setzt sich aus den beiden Komponenten Börsenwert plus Ausschüttungen (Dividenden und Aktienrückkäufe) zusammen.
Im Fall von Novartis ist der Shareholder Value 2024 um 2 Prozent gesunken, was die Akzeptanz von Narasimhans Lohnpaket kaum fördert. Besser fiele der Vergleich für Narasimhan aus, wenn man die 2023 erfolgte Abspaltung von Sandoz nicht als Ausschüttung einer Sachdividende bewerten würde, was sie aber tatsächlich ist. Ohne den Sandoz-Spin-off hätte auch Novartis eine Zunahme des Shareholder Value geschafft.
Auch Géraldine Picaud, die Chefin des Genfer Prüfkonzerns SGS, hat 2024 mit dem eigenen Lohn weit kräftiger zugelegt als der Shareholder Value. Die Managerin lebt im steuergünstigen Kanton Zug und wird im November auch den Hauptsitz von SGS von Genf nach Zug verlegen.
Nur knapp gereicht für eine Steigerung des Aktionärswertes hat es 2024 dem Vermögensverwalter und Private-Equity-Spezialisten Partners Group. Dessen CEO David Layton ist trotzdem mit einem Lohnsprung um 141 Prozent zum am zweitbesten bezahlten Manager in der Schweiz hinter Narasimhan aufgestiegen.
Für beidseitige Zufriedenheit sorgte dagegen der Aromenhersteller Givaudan, der 2024 dem CEO eine Lohnsteigerung um 6 Prozent zugestand und den Aktionärswert gleichzeitig um 10 Prozent verbessert hat.
Kommt es zur Verletzung des Prinzips einer gleichläufigen Entwicklung von Lohn und Leistung, dann ist das am häufigsten dann der Fall, wenn der Shareholder Value sinkt. Auch Cheflöhne sind eben oft sehr unflexibel, wenn es um Anpassungen nach unten geht, obschon diese Löhne typischerweise eine hohe Leistungskomponente enthalten. Swatch-Group-Chef Nick Hayek und Urs Gantner von der auf die Herstellung von Vakuumventilen spezialisierten St. Galler Vat-Gruppe bilden diesbezüglich löbliche Ausnahmen.
Wie es mit den Cheflöhnen weitergeht, wenn der allgemeine Börsentrend ins Negative kippen sollte, bleibt abzuwarten. Es würde nicht überraschen, wenn die Unternehmen dereinst andere Konzepte als den Shareholder Value heranziehen, um Lohnerhöhungen für die Chefs auch bei sinkenden Börsenkursen zu rechtfertigen. (aargauerzeitung.ch)
Während die Renten und Löhne von Normalverdiener zu 100 Prozent besteuert werden, zahlen Grossaktionäre bloss auf die Hälfte ihrer Dividenden Steuern. Der Rest ist steuerfrei…
Die Regelung greift jedoch nur, wenn man Unternehmensanteile in Höhe von zehn Prozent oder mehr hält…
Kleinanleger profitieren von dieser Regelung folglich nicht, sondern es profitieren vor allem jene Personen, die über teilsatzbesteuerte Dividendeneinkünfte von mehr als einer Million Franken verfügen…
Grundvertrauen abhandengekomnen oder wollen die Verantwortlichen einfach ihre Taschen füllen? Nachhaltig bedeutet einen gewissen Teil des Gewinnes zurück zustellen und zu investieren aber das interessiert heute nicht mehr.