Nach dem Coronaschock wird die Welt nun vom Putin-Schock getroffen. Die Sehnsucht des russischen Präsidenten nach alter imperialer Grösse lässt die Rohstoffpreise explodieren. Und die Rechnung für diesen Grössenwahn schlägt sich nun weltweit in den Budgets der Menschen nieder – im einen Land mehr, im anderen Land weniger. Einer der Ausgabenposten, der nun in die Höhe geht, ist jener für Erdöl und zugleich für alle Produkte, in denen Erdöl ein wichtiger Bestandteil ist. Zum Beispiel Benzin.
Es ist ein Bündel aus verschiedensten Ursachen, die den Ölpreis in die Höhe schnellen lassen. Der Preisanstieg hatte schon deutlich vor dem Krieg eingesetzt. Ein grosser Treiber war die rasante konjunkturelle Erholung nach dem Coronataucher, wodurch auch die Nachfrage nach Erdöl wieder stark angestiegen ist. Zugleich wurden die Erdölproduzenten vom schnellen Comeback der Weltwirtschaft etwas überrascht und konnten zunächst nicht mit dem Nachfrageschub mithalten. Doch diese Preiserhöhung war gemäss einer Analyse von Raiffeisen noch keine allzugrosse Belastung für die Konsumenten und Konsumentinnen.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hingegen und die danach ergriffenen Sanktionen gegen Russland haben die bereits angespannte Situation zusätzlich verschärft.
Der Ölpreis wird von den internationalen Märkten diktiert - und auch von den erdölfördernden Staaten, die den Preis über die Fördermengen mitbestimmen können. Da kann sich auch die Schweiz nicht entziehen.
Zwar wird nur ein gutes Viertel des hierzulande verbrauchten Erdöls in Form von Rohöl importiert. Der Rest kommt als Fertigprodukt wie Benzin, Diesel oder Heizöl in die Schweiz – hauptsächlich aus Deutschland und den Niederlanden. Diese Länder wiederum importieren einen grossen Teil ihres Rohöls aus Russland. In Deutschland beträgt dieser Anteil knapp 40 Prozent. Deshalb ist russisches Öl auch hierzulande relevant.
Als Sofortmassnahme haben die 31 Mitgliedsstaaten der Internationalen Energieagentur (IEA) mit Sitz in Paris 60 Millionen Barrel Rohöl aus ihren Reserven freigegeben, um Angebotsengpässe an den Märkten der Industriestaaten abzumildern.
Angeführt von den USA wird zudem versucht, möglichst schnell Alternativen zum russischen Erdöl zu finden. In ihrer Not führen die USA auf einmal Gespräche mit Staaten, die sie zuvor möglichst aus der Staatengemeinschaft ausschliessen wollte. Ein Beispiel dafür ist Venezuela, das jedoch nicht über allzu grosse Ölvorkommen verfügt. Den dortigen Machthaber Nicolas Maduro wollten die USA eigentlich mithilfe eines Embargos aus dem Amt drücken, nachdem dieser mutmasslich bei seiner eigener Wiederwahl betrogen hatte.
Und die USA forcieren ihre Gespräche auch mit dem Iran, der potenziell ein wichtiger Erdölexporteur sein könnte. Auch Iran ist von den USA wieder mit strengen Sanktionen belegt, seitdem der damalige Präsident Donald Trump einseitig das Atomabkommen kündigte, das wiederum sein Vorgänger Barack Obama abgeschlossen hatte. Die US-Regierung unter Joe Biden versucht nun, ein neues Atomabkommen mit dem Iran zu schliessen, um den Weg freizumachen für eine Aufhebung des Embargos - und damit wiederum den Weg frei für mehr Erdöl.
Eine weitere ist Option Saudi-Arabien, das seine Fördermengen problemlos erhöhen könnte, die aber an Bedingungen knüpft: Gemäss «Wall Street Journal» liegt bereits ein Forderungskatalog aus Riad auf dem Schreibtisch von US-Präsident Joe Biden. Demnach will Saudi-Arabien mehr Unterstützung für seinen seit bald acht Jahren andauernden Krieg im Jemen, Hilfe bei seinem zivilen Atomprogramm sowie rechtliche Immunität für Kronprinz Mohammed bin Salman, alias MBS.
Nein. Norwegen gehört zwar zu den 15 grössten Erdölförderern der Welt. Die Kapazitäten des Landes sind aber bereits am Anschlag – genauso wie jene Grossbritanniens, das 1.2 Prozent der globalen Förderung verantwortet. Kurzfristige Ausfälle von russischem Öl können kaum aus europäischen Quellen kompensiert werden.
Die USA sind mittlerweile der grösste Ölförderer der Welt mit einem Anteil von über 17 Prozent. Trotzdem suchen sie nun nach alternativen Importquellen statt die eigenen Fördermengen anzuheben. Dafür gibt es laut CNN mehrere Gründe. So gebe es einen Mangel an qualifiziertem Personal, um die Förderung kurzfristig zu erhöhen. Auch gewisse Materialien wie Rohre oder spezieller Sand für die umstrittene Fracking-Methode seien schwierig zu bekommen, womit ein kurzfristiger massiver Ausbau schwierig sei. Erst nächstes Jahr dürften die USA wieder mehr Öl fördern als in den Jahren vor der Krise. Hinzu kommt: Öl aus Russland, dem Iran oder Venezuela ist häufig noch immer günstiger als die heimische Förderung.
Sie kann mit mehr Subventionen den Aufbau von mehr Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien fördern und so die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren. Aber das braucht Zeit, zu viel Zeit. Als Überbrückung und zur Sicherstellung der Vorsorgesicherheit im kommenden Winter will der Bundesrat, der hiesigen Gasbranche mehr Freiheiten geben beim Einkauf. Konkret: Die Branche darf gemeinsam Beschaffungen tätigen ohne kartellrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.
Die SVP will die Autofahrerinnen und Autofahrer direkt entlasten: Sie schlägt vor, künftig nur noch eine Mehrwertsteuer auf dem Benzinpreis ohne Abgaben und Zuschläge zu erheben. Das ist aber reichlich kompliziert und wohl kaum mehrheitsfähig.
Die magische Grenze von 2 Franken pro Liter ist durchbrochen. Wie hoch die Preise noch klettern werden, wagt niemand zu schätzen, auch Ramon Werner nicht, Chef von Oel-Pool und damit Herr über das grösste Tankstellennetzes der Schweiz: «Ich kann nicht sagen, wie die Börse in Zukunft reagieren wird. Die Zeichen stehen aber derzeit klar auf Anspannung.» Und er ergänzt: «Der Markt spielt momentan ziemlich verrückt. Die Preise sind volatil wie lange nicht mehr. Wir passen sie alle drei, vier Tage an. In normalen Zeiten macht man das vielleicht alle drei Wochen.»
Vor dem Krieg in der Ukraine mussten die meisten Staaten weniger als 2 Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) ausgeben für ihre Energiekosten, wie Raiffeisen vorrechnet. In diesen Kosten sind allerdings nicht nur das Erdöl enthalten, sondern auch das Gas. Die Schweiz zahlte im Jahr 2019 noch deutlich weniger als 1 Prozent ihres BIP. Nun steigen die Kosten gemäss Raiffeisen-Berechnungen auf über 1 Prozent.
Doch für andere Länder würde es noch wesentlich teurer. Denn die Schweiz verbraucht vergleichsweise wenig Gas und ihre Industrie allgemein weniger Energie. Frankreich hingegen müsste über 3 Prozent ausgeben, Deutschland schon 4 Prozent und Italien gar über 5 Prozent. Sollte die Preise noch stärker steigen, wird es natürlich noch teurer. Diese Zahlen erklären, warum sich die EU schwer damit tut, auch russisches Öl und Gas zu boykottieren. Europa hat sich gefährlich abhängig gemacht, vom Gas und Öl von Vladimir Putin. Für die Schweiz hingegen fällt der Preisschock vergleichsweise sanft aus.
Benzin wird teurer, Gas ebenfalls, und so müssen die Haushalte allgemein mehr ausgeben für Energie. Das zeigte sich schon im Februar. Gemäss dem Landesindex für Konsumentenpreise musste ein typischer Haushalt für Heizöl gegenüber dem Vorjahresmonat ganze 48 Prozent mehr ausgeben. Gas kostet nun 37 Prozent mehr als im Vorjahr, Benzin rund 20 Prozent mehr. Vor allem weil Energie und Treibstoffe teurer wurden, mussten Haushalte im Februar schon 2.2 Prozent mehr zahlen für ihre typischen Waren und Dienstleistungen als im Vorjahr. Das ist der grösste Preissprung seit dem Jahr 2008.
Nein. Das behauptet zumindest Opec-Generalsekretär Mohammad Barkindo. «Seit Mittwochmorgen keine physische Ölknappheit mehr», sagte er zu Bloomberg – obwohl die Preise zuletzt stark gestiegen sind. Futures-Märkte seien «Papierfässer», sagte Barkindo. Auf dem physischen Markt sei die Versorgung garantiert. (bzbasel.ch)
IDon'tHaveAName
Diese oder letzte Woche gab es ja ein Quizzticle hier, wo man die Staaten mit den grössten Ölreserven hat auflisten sollen. Dort war Venezuela am erster Stelle. Ich war schon dort sehr verdutzt, weil ich niemals auf Venezuela getippt hätte.
Und heute habt ihr, diese Aussage getätigt. Ich bin wohl nicht der Einzige, der jetzt ein bisschen verwirrt ist, welche Antwort näher an der Wahrheit liegt. Was stimmt nun?
Hugeyun
Ich bin auch kein Experte, frage mich jedoch, warum der Preis so hoch schnellt. Da es, wie es im Text heißt, momentan noch keine Verknappung gibt, kommt der hohe Preis dann nur durch die üblichen Spekulationen von Händlern, wie man sie vom Aktienhandel kennt, zu Stande? Sprich, verdient der Händler (z. B. russische Unternehmen) momentan einfach für den gleichen Rohstoff den doppelten Gewinn?
Klarname