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Immobilienboom nimmt kein Ende: Ist der Häusermarkt kaputt?

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Teure Eigenheime: Zufallsgewinne für die einen, Anlass zur Sorge für die anderen.Bild: Shutterstock

Immobilienboom nimmt kein Ende: Ist der Häusermarkt kaputt?

Die Wohnkosten werden international zum Problem. Zwei neue Studien zeigen Ursachen, Folgen, Gewinner und Verlierer.
07.01.2025, 05:4207.01.2025, 16:47
Niklaus Vontobel / ch media
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Viele Menschen träumten von einem Eigenheim, aber Eigenheime würden international immer unerschwinglicher. Das schreiben die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einem neuen Bericht und fragen gar:

«Sind die Immobilienmärkte kaputt?»

Das kann man sich tatsächlich fragen, blickt man auf das letzte Jahrzehnt. Die Preise sind nahezu überall hoch, höher oder gar zu hoch gestiegen.

Nur in drei Industrieländern sind die Häuserpreise seit dem Jahr 2015 nicht gestiegen, wie Zahlen des Ländervereins OECD zeigen. Im Durchschnitt aller Länder nahmen sie um 16 Prozent schneller zu als die Einkommen und um 37 Prozent schneller als jeweils die durchschnittlichen Konsumentenpreise. In der Schweiz gab es eine Zunahme der realen Hauspreise um 28 Prozent.

Noch höher ging es in den Städten mit mehr als 1,5 Millionen Einwohnern. Laut der OECD sind dort die Preise zwischen 2013 und 2023 um 68 Prozent gestiegen; in kleinen Städten mit weniger als 100'000 Einwohnern nur um 16 Prozent. Die Städte stehen im Zentrum des Booms.

Und zu hoch gestiegen und damit «überbewertet» sind die Preise in über der Hälfte aller Länder der Eurozone. Das zeigt eine Studie von 2022, die damals im Auftrag der Europäischen Kommission abklären sollte, warum die Preise ständig weiter steigen. Danach kamen die Preise zwar in einigen Ländern herunter, doch seither heben sie wieder ab.

Gewinne wie bei einer Lotterie

Denn die Zeit der hohen Zinsen ist in der Schweiz schon wieder vorbei. Nach nicht einmal zwei Jahren. Und in Europa geht sie schnell auf ihr Ende zu.

Die Schweizerische Nationalbank hat ihren Leitzins im Dezember auf 0,5 Prozent gesenkt und im Sommer dürfte sie auf null hinuntergehen. In der Eurozone ist die Inflation schwach, die Wirtschaft schwächer und die Europäische Zentralbank damit gezwungen, ihre Leitzinsen weiter zu senken. Damit werden noch mehr Anlagegelder in den Immobilienmarkt gedrückt, die Preise dürften noch mehr steigen.

Immobilienboom und kein Ende. IWF, OECD oder Europäische Kommission gehen deshalb in Studien der Frage nach, was die Ursachen und die Folgen sind, wer die Gewinner und die Verlierer sind.

Zu den Gewinnern zählen die Hausbesitzer, welche laut einer Studie zu «Windfall Profits» kommen. Auf Deutsch sind das Zufallsgewinne wie bei einer Lotterie. Mit eigener Leistung hat dies wenig zu tun, Glück oder Pech entscheidet. Wer ein Haus hatte, als der Boom begann, gewinnt; wer erst lange danach kaufen wollte, der verliert.

«Da Wohneigentum immer weniger erschwinglich wird, vergrössert sich die Kluft zwischen Arm und Reich», schreibt der IWF. Dies führe zu mehr Sorgen unter den Menschen, wie sich 2024 weltweit bei Wahlen gezeigt habe: Immerzu wurden die Amtsinhaber abgestraft. Die hohe Inflation gilt als eine der wichtigsten Erklärungen dafür – die Wohnkosten stiegen besonders stark.

Konflikte zwischen Generationen verschärfen sich

Zu den Verlierern gehören tendenziell die jüngeren Generationen. Sie kamen zu spät, um vom Boom zu profitieren. Ein Schweizer Experte nannte dies einmal den «Fluch der späten Geburt». Der IWF schreibt:

«Der Boom verschärft den Generationenkonflikt.»

Denn die jüngeren Generationen haben wenig von den Preissteigerungen. Ihr Vermögen steigt nicht mit dem Boom. Stattdessen müssen sie mehr Geld ausgeben, wenn sie doch ein Haus kaufen oder eines mieten. Denn mit den Preisen steigen die Mieten. Es ist deshalb auch eine «Wohnkostenkrise» – für die jüngeren Haushalte.

In einer Umfrage sagen in reichen Ländern durchschnittlich 60 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, sie seien besorgt um die Bezahlbarkeit von Wohnraum. Unter den 55- bis 64-Jährigen waren es nur 38 Prozent. In der Schweiz waren 53 Prozent der jüngeren Generation besorgt und 35 Prozent der älteren.

Durch die hohen Wohnkosten haben jüngere Generationen bei ihrer Pensionierung weniger Ersparnisse als frühere. Darauf verwies jüngst auch eine Studie aus Irland. Demnach kann es später nach der Pensionierung schwierig werden, mit der Rente die noch immer hohe Miete zu zahlen. Und natürlich bleibt weniger Geld übrig für Bildung oder Gesundheit.

Der Immobilienboom bringt noch weitere negative Begleiterscheinungen mit sich. So könnten die jüngeren Generationen die Familiengründung verzögern oder einschränken, also später und weniger Kinder haben. Das wiederum verschärft den demografischen Druck auf die Altersvorsorge. Es gibt weniger Junge, aus deren Einkommen sich die Renten bezahlen lassen.

Der soziale Zusammenhalt könnte in der Folge untergraben werden, da jüngere Generationen aus ihren angestammten Vierteln verdrängt würden. Dies schwäche soziale Netzwerke, welche sonst ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern stützen würden.

Die Lösung ist an sich klar

Und der Boom macht die gesamte Wirtschaft weniger leistungsfähig. Denn in den Städten sind zwar viele und auch hoch qualifizierte Arbeitsplätze angesiedelt, doch die Wohnkosten verhindern den Zuzug von Menschen. Oder sie pendeln aus günstigeren Regionen in die teuren Städte hinein, was für sie selbst eine Belastung ist, aber zugleich auch für die öffentlichen Transportsysteme wie Busse, Züge oder Strassen.

In diesem Sinne macht der Boom alle zu Verlierern. Ist es also so, ist der Immobilienmarkt kaputt? Nein, lautet das Fazit des IWF. Denn der Boom lasse sich noch immer mit dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erklären, grösstenteils mit einem zu knappen Angebot. «Es stehen zu wenige Häuser zum Verkauf.» Und die Lösung sei deshalb:

«Wir müssen vor allem mehr bauen.»

Auf dem Bau klemmt es tatsächlich gehörig. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 ging es in der Eurozone abwärts, man erholte sich bis heute nicht. Die Zahl der erteilten Baugenehmigungen liegt noch immer deutlich tiefer als in früheren Jahrzehnten. Auch die Schweiz wartet seit Jahren darauf, dass der Wohnungsbau wieder anzieht. (aargauerzeitung.ch)

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242 Kommentare
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Raketenwissenschaftler
07.01.2025 06:55registriert Januar 2023
Der Immobilienmarkt ist nicht kaputt, sondern es sind zwei Trends: Erstens ist die Wirtschaft an und für sich in Europa kaputt seit der Finanzkrise und kann nur mit tiefsten Zinsen am Leben gehalten werden. Trotzdem gelingt es nicht, ein pro Kopf Wachstum zu generieren, welches bei den Menschen auch ankommt. Das billige Geld fliesst halt auch in Immobilien, Gold, Aktien, Kryptos etc, nur nicht in Arbeitsplätze. Der zweite Trend ist die globale Trend zur Stadt. Nur in der Grossstadt gibt es aussreichend hochqualifizierte Arbeitskräfte, die ein Unternehmen heute braucht, um global mitzuhalten.
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Schneider Alex
07.01.2025 06:46registriert Februar 2014
Der Haupttreiber des Wohnungsmangels ist die Zuwanderung. Die Mehrheit der Politiker:innen hat die unerwünschten Nebenwirkungen der Zuwanderung lange unterschätzt.
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TRN
07.01.2025 07:21registriert Dezember 2021
Hahaha, wir müssen mehr bauen. Super Lösung, wenn der Platz begrenzt ist. Da sind die "umweltbewussten" Parteien sicher dafür. Oder sonst sind sie sicher dafür, die Nachfrage zu dämmen. Ah nein, Zuwanderung darf auch nicht eingeschränkt werden. Dann ist die Lösung Hühnerbatteriehaltung (=verdichtetes Bauen).
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