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Analyse

Armee und Eigenmietwert: Streit ums Geld dominiert Wintersession

Bundesraetin Karin Keller-Sutter liest Dokumente waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 11. Dezember 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Finanzministerin Karin Keller-Sutter musste einen Sessions-Marathon absolvieren.Bild: keystone
Analyse

Armee und Eigenmietwert: Der Streit ums Geld dominiert die Session

Die Wintersession stand im Zeichen der Finanzpolitik. Der Absturz beim Budget fand nicht statt, und beim Eigenmietwert ist ein Durchbruch in Sicht. Doch es bleibt kompliziert.
19.12.2024, 16:5420.12.2024, 11:58
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Die eidgenössischen Räte haben in der Wintersession gemischte Signale ausgesandt. National- und Ständerat wollen die Stahl- und Aluminiumwerke bei den Stromkosten entlasten. Damit machten sie einen grossen Schritt hin zur in der Schweiz eigentlich verpönten Industriepolitik. Warnungen vor weiteren Begehrlichkeiten verpufften wirkungslos.

Härte war dafür im Asylbereich angesagt. Nach dem Ständerat stimmte auch der Nationalrat für die Einschränkung des Schutzstatus S für Geflüchtete aus der Ukraine. Im behaglichen Ambiente des Nationalratssaals masste sich die bürgerliche Mehrheit an, die Sicherheitslage im von Russland terrorisierten Land beurteilen zu können, in dem es nirgends sicher ist.

Wie soll die Giesskanne gefüllt werden? Der Bundesrat will die 13. AHV-Rente über die Mehrwertsteuer finanzieren.
Nicht nur die Armee will mehr Geld. Auch die Ausgaben des Bundes für die AHV nehmen zu.Bild: peter schneider/keystone

In erster Linie aber ging es in dieser Session ums Geld. Beim Bundesbudget 2025 zeichnete sich im Vorfeld ein heftiges Tauziehen vor allem um die Mehrausgaben für die Armee ab. Sogar ein Scheitern und ein «Notbudget» schienen möglich. Grosse Differenzen gab es auch bei der Abschaffung des Eigenmietwerts, einem «Dauerbrenner» in der Schweizer Politik.

Budget

Im Vergleich mit anderen Ländern geht es der Schweiz finanziell prächtig. Doch die Verteilkämpfe werden härter. Die Bürgerlichen wollen unter dem Eindruck der Zeitenwende der Armee deutlich mehr Geld geben und gleichzeitig die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten. Deshalb wollten sie Einsparungen bei Bundespersonal und Entwicklungshilfe.

Zum befürchteten Absturz kam es nicht. National- und Ständerat einigten sich schnell darauf, der Armee 530 Millionen Franken mehr zu geben als vom Bundesrat beantragt. Grosse Differenzen gab es anfangs bei der Auslandshilfe, doch die Räte näherten sich zuletzt an. Am Donnerstag haben sie dem Antrag der Einigungskonferenz zugestimmt, sie um 110 Millionen Franken zu kürzen.

Man hat sich nochmals zusammengerauft, doch langfristig wird «diese Methode nicht funktionieren», meint selbst die NZZ. Denn die Armeeausgaben sollen weiter ansteigen, auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Offen ist nur, wann dieser Zielwert erreicht werden soll, ob 2030 (so will es der Nationalrat), 2032 (Ständerat) oder 2035 (Bundesrat).

Selbst in der «langsamsten» Variante bedeutet dies einen Anstieg von heute 5,7 auf 7,8 Milliarden Franken im Jahr 2030. Das bringt die «Rappenspalter»-Methode ans Limit. «Ohne Mehreinnahmen wird das kaum gehen», schreibt die NZZ. Bei den Subventionen gäbe es zwar viel Potenzial, doch sind sie einmal beschlossen, bringt man sie kaum wieder weg.

Und noch ein Budgetposten wird weiter ansteigen: der Bundesbeitrag an die AHV. Er beträgt 20,2 Prozent der ausbezahlten Renten, und die nehmen wegen der Pensionierung der Babyboomer in den nächsten Jahren stark zu. Und ab 2026 kommt mit der 13. AHV-Rente ein zusätzlicher happiger Ausgabenposten hinzu. Das belastet den Bundeshaushalt.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter will ihn um vier Milliarden Franken entlasten, basierend auf den Empfehlungen der Expertengruppe Gaillard. Ob das gelingen wird, ist zumindest fraglich. Deshalb dürften sich die Debatten um die Schuldenbremse intensivieren. Denn wozu ist eine Bremse gut, die permanent angezogen bleibt und nie gelockert wird?

Eigenmietwert

ARCHIVBILD ZUM VERZICHT DES BUNDESRATES, DIE LEX KOLLER ZUR VERSCHAERFEN, AM MITTWOCH, 20. JUNI 2018 - Seconday homes with shuttered windows in Sartons, a luxury residential area above Lenzerheide-Val ...
Zweitwohnungen in den Bergen sind das Pièce de Résistance bei der Abschaffung des Eigenmietwerts.Bild: KEYSTONE

Der Eigenmietwert ist ein helvetisches Unikum. Hauseigentümer müssen ihn als fiktives Einkommen versteuern. Seine Abschaffung steht seit Langem auf der Traktandenliste, mehrere Anläufe sind gescheitert, auch in Form von Volksinitiativen. Dabei sind selbst Linke dafür offen, denn der Eigenmietwert belastet Pensionierte, die ihr Haus abbezahlt haben.

Dem jüngsten Versuch schien es nicht besser zu ergehen als den vorherigen. Dabei waren die Bürgerlichen (endlich) zum grossen Systemwechsel bereit: der Abschaffung sowohl des Eigenmietwerts als auch der Abzüge für Hypozinsen. Dies soll auch für Zweitwohnungen gelten, was in den Bergregionen wegen absehbarer Einnahmeausfälle für Ärger sorgte.

Im Ständerat haben sie grossen Einfluss. Er lehnte die Vorlage mehrfach ab, ein weiterer Absturz war programmiert. Dann folgte am Mittwoch die Überraschung: Die kleine Kammer stimmte dem Antrag der Einigungskonferenz zu. Faktisch schwenkte sie auf die Variante des Nationalrats ein. Und doch ist es fraglich, ob der Eigenmietwert «beseitigt» wird.

Es wäre nicht die erste Vorlage, die in der Schlussabstimmung vom Freitag noch versenkt wird. Und selbst wenn sie diese letzte Hürde im Parlament nimmt, muss sie eine Volksabstimmung überstehen. Denn die Tourismuskantone sollen mit einer Objektsteuer auf Zweitwohnungen besänftigt werden, und für diese gilt das obligatorische Referendum.

Die Vorlagen sind miteinander verknüpft, weshalb ein Scheitern denkbar ist. Die Gebirgskantone haben sich in der Vernehmlassung sehr skeptisch gegenüber der Objektsteuer gezeigt. Und der Mieterinnen- und Mieterverband hat sich vor der Session auf ein Nein zur Abschaffung des Eigenmietwerts festgelegt. Er ist eine gewichtige Stimme.

Umgekehrt dürften viele Hauseigentümer Mühe damit haben, dass sie die Schuldzinsen nicht mehr steuerlich abziehen können. Erst recht gilt das für jene, die es werden wollen, was im heutigen Immobilienmarkt schwierig genug ist. Es ist deshalb absehbar, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts wie in früheren Fällen beim Stimmvolk durchfallen wird.

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