Gestern wurde der Gehring-Bericht zur Aufarbeitung des Falls Pierin Vincenz veröffentlicht. Die Schlussfolgerung lautet: Es wurden keine Nachweise gefunden, die strafrechtlich belangt werden können.
Das liegt daran, dass laufende Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nicht einbezogen wurden, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Dafür zeigt der Bericht, was bei der Raiffeisen Bank unter Vincenz alles falsch lief.
Vincenz hatte im Prinzip freie Hand. Niemand in der Geschäftsleitung wollte beim Ex-CEO in Ungnade fallen. Seine Entscheide wurden stillschweigend akzeptiert. Somit versagten jegliche Kontrollinstanzen.
Zum Beispiel im Fall einer Abgangsentschädigung von 850'000 Franken für ein ehemaliges Kadermitglied. Dafür wäre die Zustimmung des Verwaltungsrates notwendig gewesen. Um diesen zu umgehen, stellte Vincenz einfach einen dreijährigen Beratervertrag für den abtretenden Mitarbeiter aus – eine Leistung sei aber nie erfolgt.
Insgesamt entschand für die Raiffeisenbank ein Schaden von rund 300 Millionen Franken. Der neue Präsident Guy Lachappelle will, dass die Verantwortlichen zur Kasse gebeten werden: «Wir wollen so viel wie möglich davon wieder zurückholen».
Das betrifft aber nicht nur Vincenz und sein damaliger Stellvertreter und Nachfolger Patrik Gisel – auch weitere involvierte Personen sollen für den Schaden aufkommen. «Ich werde auf alle Personen, die in der Verantwortung waren, zugehen», zitiert der «Blick». Das Finanzinstitut lässt zur Zeit Regressansprüche gegen Einzelpersonen prüfen.
Laut dem «Tages-Anzeiger» könnte es aber schwierig werden, die alte Führung zur Rechenschaft zu ziehen. So müsste genau nachgewiesen werden, dass ihr Handeln dirket Schaden verursacht hat. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Schaden anhand des Berichts bei der Versicherung gelten zu machen.
Der Bericht hat deutlich aufgezeigt, dass es durchaus Warnungen vor den Machenschaften von Vincenz und Co. gab – sie wurden aber ignoriert. Deshalb hat die Bank als erste Massnahme eine Whistleblower-Stelle geschaffen. Lachappelle will aufzeigen, dass diese Personen eine Vorbildfunktion hatten.
Mit den Abgängen von Gabriele Burn, Beat Hodel und Paulo Brügger sitzt nun niemand mehr aus der Ära Vincenz in der Führungsetage – damit setzt die Raiffeisen ein klares Zeichen. Die Stellen sollen bis im Sommer wieder besetzt werden. (vom)