Es sind harte Zeiten für Mieterinnen und Mieter in der Schweiz. Im letzten Jahr flatterten bei vielen gleich zwei Mietzinserhöhungen ins Haus. Nun droht ihnen noch mehr Ungemach. Das Parlament möchte den Mieterschutz aufweichen. So soll die Hürde erhöht werden, den Anfangsmietzins anzufechten und für Vermieter soll es einfacher werden, Mietzinse gemäss Orts- und Quartierüblichkeit zu bestimmen.
Widerstand kommt jetzt vom Mieterinnen- und Mieterverband. Die geplante Gesetzesreform sei «hochgefährlich», warnte Vizepräsident Michael Töngi am Mittwoch vor den Medien in Bern. «Sie gefährdet den eigentlichen Kern des Mietrechts und missachtet den Verfassungsauftrag, der den Schutz der Mieterinnen und Mietern vor missbräuchlichen Mieten gewährleisten soll.»
Ein grosser Teil der Mieten in der Schweiz seien heute aufgrund überhöhter Renditen der Vermieterseite bereits zu hoch. Eine Anfechtung der Anfangsmiete sei eines der wenigen Mittel, mit denen dieser Missstand bekämpft werden könne. Für Mieter würde es nun massiv schwieriger, sich bei Mietbeginn gegen ungerechtfertigte Mietzinserhöhung zur Wehr zu setzen.
Der Grund: Das Parlament möchte, dass Mieter das Recht auf Anfechtung der Anfangsmiete nur noch in Anspruch nehmen können, wenn sie sich in einer persönlichen oder familiären Notlage befinden, durch die sie sich zum Vertragsabschluss gezwungen sahen. Die Anfechtung einer missbräuchlichen Miete wäre in Zukunft nicht mehr möglich, wenn Wohnraum knapp ist oder wenn die Miete im Vergleich zur früheren massiv erhöht wurde.
Ein Dorn im Auge ist dem Mieterverband auch das zweite Element der geplanten Reform. Heute kann sich der Vermieter auf orts- und quartierüblichen Mieten berufen, um eine Mieterhöhung festzulegen oder rechtzufertigen. An die Kriterien, anhand derer bestimmt wird, ob eine Miete die Ortsüblichkeit erfüllt, stellen das Gesetz und die Gerichte hohe Anforderungen.
Die Gesetzesänderung sieht nun vor, dass die Zulassung des orts- und quartier-üblichen Mietzinses erleichtert wird. Konkret soll die Zahl der vergleichbaren Wohnungen auf drei verringert werden und Vermieter dürfen neu Statistiken der Immobilienbranche verwenden. Dadurch würde «faktisch die Marktmiete eingeführt und das Prinzip der Kostenmiete aufgegeben», kritisiert der Luzerner Grüne-Nationalrat Töngi.
Ganz anders sieht das der Hauseigentümerverband (HEV). In einer gleichentags publizierten Mitteilung spricht er sich für die Gesetzesreform aus. Bei Streitigkeiten könnte damit die Zulässigkeit eines Mietzinses anhand von vergleichbaren Mietwohnungen vereinfach überprüft werden. Auch werde klargestellt, in welchen Fällen eine Anfangsmiete angefochten werden könne. In dem das Recht auf Personen in Notlage beschränkt werde, liessen sich «effektive Missbräuche» verhindern, heisst es weiter.
Am Mittwoch hat sich auch der Bundesrat mit dem Thema der steigenden Mieten befasst. Er schlägt kurzfristig umsetzbare Massnahmen vor, um die Entwicklung zu dämpfen. So soll etwa die pauschale Weitergabe der allgemeinen Kostensteigerungen nicht mehr zulässig sein, sondern es muss das effektive Ausmass nachgewiesen werden. Nun können sich interessierte Kreise im Rahmen der Vernehmlassung zu den Vorschlägen äussern.
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