Die Coronakrise war einmalig, der Boom danach wird es auch. Philipp Hildebrand sagte diese Woche am Schweizer Industrietag: «Vor uns liegt ein fulminanter Neustart.» Und Hildebrand sollte es wissen. Er war Präsident der Schweizerischen Nationalbank, heute ist er ein Topmann bei Blackrock, dem weltgrössten Vermögensverwalter. Vor der versammelten Industrieelite und vor Bundespräsident Guy Parmelin sagte Hildebrand: «Dieser Neustart wird alles, was wir aus der Geschichte kennen, in den Schatten stellen.»
Diese historische Einmaligkeit zeigt sich in einer Reihe von Phänomenen.
An den Aktienbörsen stoppte die Krise früh. Der Tiefpunkt war erreicht, als in der realen Welt die Pandemie losging. Als zu ersten Impfstoffen überraschend gute Testergebnisse bekannt wurden, gab es kein Halten. Der Schweizer Leitindex SMI erreichte ein Allzeithoch und übertraf die Marke von 12000 Punkten. Egal ob in den USA oder in Deutschland: Es wird Rekord um Rekord gebrochen.
In der Schweiz erstaunt das Tempo, mit dem eine Jahrhundertkrise überwunden wird. Hildebrand sagte, die Schweiz werde eines der ersten Länder sein, wenn nicht gar das erste, dessen Wirtschaft wieder das Vorkrisenniveau erreiche. Eine solche Glanzleistung würde der Schweiz nicht zum ersten Mal gelingen, so Hildebrand. Nach der Finanzkrise von 2008 habe ihre Wirtschaft als Erste das frühere Bruttoinlandprodukt erreicht. Hildebrand: «Die Schweiz ist im internationalen Vergleich eine ausgezeichnete Krisenmanagerin.»
Die Schweiz kommt mit derart viel Karacho aus der Krise - sie schlägt den eigenen Rekord aus der Finanzkrise. Damals war sie schon schnell unterwegs. Und dies notabene inmitten einer Weltkrise. Banken kollabierten. Immobilienmärkte crashten in den USA oder in Spanien. Die Schweiz musste die UBS retten. Ihr Bollwerk um das Bankgeheimnis stürzte ein.
Und dennoch: Nur sieben oder acht Quartale dauerte es, und die Wirtschaft war wieder so gross wie zuvor. Nun also die Coronakrise, die vorübergehend die halbe Welt stilllegte. Und wiederum ist die Schweiz ausserordentlich schnell, gar schneller als nach der Finanzkrise. Erreicht sie diesen Juni ihr Vorkrisenniveau, hätte sie bloss sechs Quartale gebraucht.
Das Krisenmanagement der Politik ist ein Erkläransatz für das Wunder. Viele Experten heben die Kurzarbeit hervor. Zeitweise wurde so Millionen von Menschen geholfen. Zigtausende von Jobs wurden gerettet. Doch Glück spielte mit. Die Wirtschaft wird gestützt von einem Immobilienboom. Wie tückisch solches Glück ist, weiss die Schweiz aus leidvoller Erfahrung. Als Anfang der Neunziger der letzte Immobilienboom crashte, fiel sie in eine Krise. Einstweilen kann Bundespräsident Guy Parmelin loben, wie flink die Wirtschaft war. Restaurants hätten sich etwa mit Take-Away-Angeboten selbst geholfen. Im Interview sagt Parmelin: «Das ist schon sehr eindrücklich.»
Zum Wirtschaftswunder gehört der Wechsel der Extreme im Konsum. In der Krise war shoppen eingeschränkt oder gar verboten, die Konsumenten waren zum Zwangssparen verdammt. Und so geschah, was sonst in Krisen ausbleibt: Die Shopper blieben daheim, der Konsum brach ein. Im Jahr 2020 ging er um 4.4 Prozent zurück. Dergleichen ist nicht zu finden in den Zeitreihen, die zurückgehen bis ins Jahr 1980. Nur in einem einzigen Jahr gibt es überhaupt einen Rückgang, von nur 0.4 Prozent. Das war in der Immobilienkrise der Neunziger, als Wirtschaftskapitäne glaubten, in einem «Weissbuch» zu «Mut zum Aufbruch» aufrufen zu müssen.
Nun kippt der Konsum ins andere Extrem. Ein Boom steht bevor, auch dieser ist ohne Seinesgleichen in den Statistiken. Schon eine Zunahme, wie sie 2021 ansteht, ist ein Rekord. Es werden 3.2 Prozent mehr ausgegeben als im Vorjahr. Damit würde das bisherige Rekordjahr überboten. 1987 hob der damalige Immobilienboom die Konsumlaune. Und was im Jahre 2022 ansteht, wird lange ein Rekord bleiben. An der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich wird ein Plus von 6.9 Prozent erwartet. Aufgestaute Konsumfreude entlädt sich auf Reisen, in Hotels und Restaurants, in Kultur oder Freizeit.
Das Schweizer Wunder ist kein europäischer Sonderfall. Europa wird dieses Jahr ein Wachstum von 5 Prozent hinlegen und die Krise im Eiltempo verlassen. Das war nach der Finanzkrise von 2008 anders. Europa fiel in eine Währungskrise. Nord und Süd zankten. Die «Bild»-Zeitung verspottete überschuldete Griechen mit «Ihr griecht nix von uns!». Die Eurozone schien auseinanderzubrechen. Die Schweiz konnte nicht lachen. Gelder flossen ihr aus der Eurozone zu. Der Franken wertete sich auf. Tourismus oder Industrie litten.
Doch dieses Mal ist alles anders. Die EU-Länder verschulden sich in trauter Eintracht gemeinsam. Italien oder Spanien dürfen mit EU-Milliarden ihre Wirtschaft umbauen. All das hilft der Schweizer Industrie. Gemäss KOF Konjunkturforschungsstelle hatte sie ein «ausgezeichnetes erstes Halbjahr».
Der Schweizer Neustart hat ein amerikanisches Element. Die USA donnern aus der Krise. Ihre Wirtschaft ist tief gefallen. Nun schwingt sie sich auf, mit 6 Prozent Wachstum. Im US-Boom wirkt die Vergangenheit nach. Präsident Joe Biden will eine Rückkehr von Donald Trump vermeiden. Nur sagt er das nicht. Lieber spricht er von einem Wettbewerb mit China. Auch damit kann er billionenschwere Ausgaben rechtfertigen und Wähler günstig stimmen. Der politische Gegner macht mit. Im Senat beschlossen Demokraten und Republikaner, über eine Billion für die Infrastruktur auszugeben. So gibt Biden noch mehr Geld aus als Präsident Barack Obama in der Finanzkrise. (aargauerzeitung.ch)
Mehr ist doch nicht besser. Konsum nicht mehr das Ziel. Es braucht doch ein Wirtschaftssystem, welches nicht auf zwingendem Wachstum basiert. Der grosse Untergang kommt erst noch und alle stossen an, dass noch mehr gefressen wird.
Das ist doch schizophren.
Das ist in meinen Augen nichts positives. Wir machen so weiter wie davor. Nichts gelernt. 😕