Es gebe Indizien dafür, dass die Schweizer Detailhändler bei Bioprodukten eine extra hohe Marge abschöpften. Zu diesem Schluss kam Preisüberwacher Stefan Meierhans Anfang Jahr in einer Vorabklärung. In seinem Bericht blieben viele Fragen offen – denn die Detailhändler versuchten, Meierhans auszubremsen. Einige Händler weigerten sich, ihre aktuelle Margengestaltung offenzulegen. Und die Migros wollte eine erste Version des «falschen und stark tendenziösen» Berichts am liebsten ganz verhindern.
Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Doch die Beruhigung dürfte nur von kurzer Dauer sein. Denn «Monsieur Prix» lässt bei den Bio-Margen nicht locker. Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt Stefan Meierhans, dass er die Analysen nun ausweiten wird. «Und zwar auf den Lebensmittel-Detailhandel generell.»
«In unserer Voruntersuchung konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Bio-Lebensmittel zu teuer verkauft werden», erklärt Beat Niederhauser, stellvertretender Preisüberwacher. Das Thema sei jedoch relativ komplex und es habe sich gezeigt, dass die Preis- beziehungsweise die Margengestaltung im Lebensmittel-Detailhandel allgemein genauer untersucht werden müsse, um festzustellen, ob ein Preismissbrauch ausgeschlossen werden könne.
Dafür braucht der Preisüberwacher detaillierte Daten der Detailhändler. In der ersten Vorabklärung hatte Meierhans sechs Unternehmen angefragt und diesen danach einen Vorschlag zu einer Preissenkung unterbreitet. Die Händler lehnten ab.
Nun unternimmt Stefan Meierhans einen neuen Versuch, Licht in die Kalkulationen im Lebensmittelregal zu bringen. Gemäss dem Preisüberwachungsgesetz besteht für die Unternehmen eine sogenannte Auskunftspflicht. Sofern eine Firma «marktmächtig» ist, muss sie dem Preisüberwacher «alle erforderlichen Auskünfte» erteilen. Dagegen können sich Migros & Co. wiederum auf juristischem Weg wehren. Tun sie das, könnte sich die Auseinandersetzung über Bundesverwaltungsgericht oder gar Bundesgericht jahrelang hinziehen.
Die Vorabklärung zur Bio-Marge im Januar hatte ergeben, dass die Händler in vier von fünf Fällen bei einem Bioprodukt höhere Bruttomargen einstreichen als bei herkömmlicher Ware. Daraufhin verglich der Preisüberwacher auch die Netto-Margen mit jenen in den Niederlanden, wo diese ohne Ausnahme tiefer sind und der Wettbewerb intensiver ist. Er kam zum Schluss, «dass das wenig wettbewerbsintensive Umfeld in der Schweiz dazu beiträgt, dass Bioprodukte stärker verteuert werden, weil sie eine extra hohe Marge zu tragen haben».
Trotz dieser ersten Analyse blieben viele Fragen ungeklärt. Etwa: Ist im Schweizer Detailhandel von einer Situation mit kollektiver Marktbeherrschung auszugehen, ähnlich wie sie auch in Neuseeland beobachtet werden kann? Und: Braucht es deshalb neue Regulierungen? Meierhans dachte auch laut darüber nach, den neuen Tatbestand der «relativen Marktmacht», der seit einem Jahr in Kraft ist, zu aktivieren.
Zuständig wäre in diesem Fall die Wettbewerbskommission (Weko). Relative Marktmacht liegt vor, wenn weder die Kundschaft noch die Produzenten auf andere Angebote ausweichen können. Sobald ein relativ marktmächtiges Unternehmen – etwa ein Grossverteiler – diese beherrschende Stellung missbraucht, macht es sich strafbar.
Zwar kann die Weko von Amtes wegen ein Verfahren eröffnen. Dafür müsste sie aber konkrete Anhaltspunkte in der Hand haben. «Entsprechende Anzeigen wegen eines Missbrauchs einer relativen marktmächtigen Position hat die Weko im Zusammenhang mit Coop und Migros nicht auf dem Tisch liegen», sagte damals Frank Stüssi, stellvertretender Weko-Direktor. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die beiden grossen Detailhändler Migros und Coop können die Argumentation des Preisüberwachers nicht nachvollziehen. «Der Bericht schafft keine Fakten, sondern stützt sich auf Indizien und bezieht sich auf andere Länder, die eben nur dem Schein nach vergleichbar mit dem Schweizer Markt sind», erklärte die Migros nach Publikation der ersten Vorabklärung. Man erziele mit Labelprodukten keine höhere Marge. «Die Bruttomarge der Migros bei Bioprodukten entspricht im Durchschnitt in etwa jener von konventionellen Lebensmitteln.» Je nach Produkt könne es Unterschiede geben: In den einen Fällen sei die Marge für Bioprodukte höher, in anderen Fällen tiefer als die Marge konventioneller Waren. Die Gewinnmarge liege bei 2,3 Prozent und sei «ausgesprochen dünn».
Nun liegt es am Preisüberwacher, seine Indizien in der emotional geführten Debatte zu erhärten. Die nächste Runde im Margenstreit ist somit eröffnet. (aargauerzeitung.ch)