Während rund drei Jahren konnte sich der Influencer Joung Gustav auf TikTok etablieren. Berühmtheit erlangte er in dem Jahr 2020 mit seinen Strassenumfragen, in denen er vorwiegend Teenager interviewte. Den Jugendlichen scheint der Onlineauftritt des 30-Jährigen zu gefallen: Auf Tiktok hat er über 5,6 Millionen Follower.
Seit diesem Jahr ist Joung Gustav nicht mehr nur Influencer, sondern ebenfalls Geschäftsmann: Er hat sein eigenes Vitaminwasser Vyte auf den Markt gebracht. Und er hat eine fragwürdige Werbestrategie dafür.
In den vergangenen Monaten haben Joung Gustav und sein Team immer wieder Fake News-Videos veröffentlicht, um das Getränk zu promoten. Bis dato wurden bereits sieben Werbeaktionen durchgeführt und auf den Instagram- und Tik Tok-Accounts des Getränks veröffentlicht. Brisant: Am Ende der Videos wird jeweils das Migros-Logo eingeblendet, denn die Detailhändlerin vertreibt das Produkt.
Beispielsweise wurde ein Clip gepostet, in dem ein Blitz in den Prime Tower einschlägt. Das Video wurde von mehreren Kanälen reposted und erhielt fast eine Million Views. Dass es sich um ein Fake handelt, machten Joung Gustav und sein Team erst viel später publik – nachdem die Videos schon die Runde gemacht hatten.
In einem anderen Video liess das Team ein Travis-Scott-Double durch das Openair Frauenfeld spazieren – natürlich mit einer Vyte-Flasche in der Hand. Mehrere Schweizer Newsportale wie auch die Festivalbesucher waren gleichermassen erstaunt. 20 Minuten titelte: «Highlight des Abends» – Zürcherin (22) trifft Travis Scott vor Pommesbude. Wieder wurde der Stunt zwar aufgeklärt – doch auch dieses Mal erst nach einiger Zeit.
Im September kursierte in den Sozialen Medien ein Video von einem zahmen Murmeltier, welches auf der Zürcher Rentenwiese einen Pfirsich isst. watson kam das Video suspekt vor und stellte fest, dass es sich um einen Fake handeln müsse. Tierexperten Andreas Moser sagte: «Es ist ausgeschlossen, dass ein Murmeltier in der Nähe der Rentenwiese lebt. Das Tier im Video zeigt sich zutraulich und komplett ohne Berührungsängste. Wenn das tatsächlich so wäre, hätten bereits tausende Menschen das Tier wahrnehmen müssen.»
Eine andere Inszenierung war jene von einem Klimakleber, der die Hardbrücke blockierte und von einem Autofahrer zurechtgewiesen wurde. Die Weltwoche titelte: «Strassenblockade in Zürich: Angeblich greift ein Autofahrer knallhart durch. Die Klimaaktivisten machen sich schnurstracks aus dem Staub». Das Originalvideo hätten über sieben Millionen Menschen gesehen, sagt Joung Gustav in dem Aufklärungsvideo. Wieviele davon im Nachgang erfuhren, dass es ein Fake war, bleibt offen.
Vyte bezeichnet die Fake-Videos auf der Website als «Guerilla Marketing Aktionen». Zeitgleich könnte man die Videos aber auch als Verbreitung von Fake News ansehen.
Der Verband Schweizer Medien nimmt auf Anfrage keinen direkten Bezug auf die Kampagne von Joung Gustav, aber erklärt: «Grundsätzlich sind Fake News ein Problem, das sich in den letzten Jahren insbesondere deswegen akzentuiert hat, weil der Medienkonsum sich zu grossen Teilen in den digitalen Raum und auf Social Media Plattformen verlagert hat. Dort ist Desinformation schwieriger zu unterbinden, auch weil die Plattformen selbst zu wenig Verantwortung übernehmen.»
Was darf Werbung? Darf mit Fake News Stimmung gegen Klimaaktivisten gemacht werden, wenn die zu einem der wichtigsten Themen des Wahlkampfes gehören? Und das in einem Zeitalter, in dem in der Ukraine ein Krieg grassiert, in welchem exzessiv mit der Verbreitung von Fake News und Propaganda operiert wird.
watson hat die Migros angefragt, was sie von den Fake-Videos des Influencers hält. Das Logo der Detailhändlerin wird jeweils am Ende der Clips eingeblendet, da sie das Getränk vertreibt. Die Migros möchte sich nicht dazu äussern, man solle es beim Influencer selbst probieren. Doch auch von diesem erhielt watson keine Antwort.
Ob es eine Zusammenarbeit zwischen Migros und dem Influencer gibt, bleibt unklar. Die Migros sagt gegenüber watson lediglich, dass sie nichts mit den Videos zu tun habe. Allerdings kursieren im Netz auch Videos, in denen der Influencer vor Migros-Filialen Werbung für sein Getränk macht und Migros-Gutscheine verteilt.