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Personalnot im Skigebiet: Dieses Schild zeigt die ganze Misere

Personalnot im Skigebiet: Dieses Schild zeigt die ganze Misere

Bald gehen die Pisten auf, doch wer verkauft den Gästen im Laden Raclette-Käse oder reicht in der Beiz den Kafi-fertig? Ein Laden im Gomser Bellwald bat Feriengäste um Hilfe.
30.11.2022, 06:4530.11.2022, 11:01
Pascal Ritter / ch media
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Skifahrer geniessen die Abfahrt bei der Eroeffnung der Skisaison, am Samstag, 19. November 2022, auf Parsenn in Davos. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Die Skiferien stehen vor der Tür, doch in so mancher Bergregion mangelt es an Personal.Bild: keystone

Im Volg-Lädeli im Gomser Bergdorf Bellwald VS treffen sich während der Ski-Saison die Feriengäste. Bald schon kommen sie wieder aus ihren Chalets und Ferienwohnungen, um sich mit Raclette-Käse, Pommes-Chips und Kägi-fret einzudecken.

Doch vor dem Laden stand in den vergangenen Wochen ein Schild mit einem Hilferuf: «Liebe Dorfbewohnerinnen, -bewohner und Feriengäste aus Bellwald. Für die Wintersaison sind wir vom Laden Volg in einer sehr grossen personellen Notlage. Darum unsere Bitte: Wir benötigen dringend Hilfe und Unterstützung für Stunden- und Tageseinsätze.»

Der Volg in Bellwald ist während der Wintersaison sieben Tage die Woche von morgens 7:30 Uhr bis abends um 19 Uhr durchgehend geöffnet. Dementsprechend muss er vor der Saison Personal aufstocken. Der Dorfladen suchte seit August vergeblich Personal für die Wintersaison. Also griff die Filialleiterin Verena Alder zur ungewöhnlichen Aktion mit dem Schild.

Ein Schild vor dem Volg im Gomser Skiort Bellwald bittet Dorfbewohner und Feriengäste um Hilfe.
Ein Schild vor dem Volg im Gomser Skiort Bellwald bittet Dorfbewohner und Feriengäste um Hilfe.Bild: rit

Auch Service- und Putzpersonal ist gesucht

Bellwald ist nicht die einzige Filiale im Berggebiet, die noch Personal für die Wintersaison braucht. Gleich auf der anderen Seite des Tals liegt das Skigebiet Bettmeralp. Auf der Volg-Website waren in den vergangenen Tagen zwei Stellen für Saison-Ladenpersonal ausgeschrieben. Arbeitsbeginn: 8. Dezember. Also nächste Woche. Auch eine Stellvertretung für den Ladenleiter ist gesucht: «per sofort oder nach Vereinbarung».

Martin Jakob ist bei Volg Bereichsleiter Verkauf und für die genannten Filialen im Kanton Wallis zuständig. Er sagt: «Dieses Jahr war es schwierig, Personal zu finden. Allerdings lief es in einigen Läden deutlich besser als zum Beispiel in Bellwald. Das ist jedes Jahr wieder anders.»

Auch in Graubündner Skiorten sucht Volg Personal. In der Lenzerheide fehlen noch eine Saison-Verkaufskraft, ein festangestellter Verkäufer und eine stellvertretende Ladenleiterin. In Laax ist noch eine unbefristete Stelle im Verkauf frei.

Nicht nur Verkaufspersonal ist gesucht. So sind bei der Weissen-Arena-Gruppe, die im Skigebiet Laax Bergbahnen, Restaurants und Hotels betreibt, elf Stellen ausgeschrieben. Gesucht sind vor allem Servicepersonal und Putzkräfte.

Immerhin sind einige Stellen kurz davor, besetzt zu werden, wie Sprecherin Bettina Cadotsch sagt. Sie relativiert die Zahl der offenen Stellen zudem mit dem Hinweis, dass die Unternehmensgruppe für die Skisaison von rund 400 Mitarbeitenden im Sommer auf über 1100 im Winter aufstockt. Die Personalsuche laufe vor diesem Hintergrund dieses Jahr bisher zufriedenstellend.

Die Weisse-Arena-Gruppe schafft mit gratis Saison- oder Jahresabonnementen, Vergünstigungen für Angehörige und Ermässigungen in Shops zusätzliche Anreize für Stellensuchende.

Die Umstände der vergangenen Jahre machten die Personalsuche aber sicherlich nicht einfacher, sagt Cadotsch. Sie verweist auf zwei Herausforderungen. Zum einen fehle es an günstigen Wohnungen fürs Personal, zum andern stehe man vor dem Problem, dass es schlicht nicht genügend Menschen gebe, die eine Arbeit suchten.

Arbeitskräftemangel wie nie

Tatsächlich spitzt sich der Fachkräftemangel zurzeit drastisch zu. Die Zahl der Stellensuchenden ging im Vergleich zum Vorjahresmonat (Stand Oktober) um 21.5 Prozent zurück. Der Fachkräftemangel-Index, den der Personalvermittler Adecco publiziert, erreichte eben einen «historischen Rekordwert». Gemäss der Rangliste der gesuchtesten Fachleute fehlen vor allem Pflegepersonal, Informatikerinnen, Bauleute und Ingenieure.

Bereits auf Platz 15 folgt im Fachkräftemangel-Index das Verkaufspersonal, womit wir wieder beim Volg im Skiort Bellwald wären. Das Schild vor dem Laden zeigte Wirkung. Der Filialleiterin Alder ist es gelungen, rund zwanzig Personen zu motivieren, sich für Stunden- und Tageseinsätze zur Verfügung zu stellen. Es sind Dorfbewohner, aber auch Touristen. Jemand komme für zwei Stunden, um die Brotauslage aufzufüllen, jemand räume Milch ins Kühlregal. Die Bandbreite der Mithelfenden reiche von der Schülerin bis zum Pensionär. «Die Solidarität im Dorf ist gross», sagt Alder. Sie hat das Schild mit dem Hilferuf wieder reingenommen und ist nun dabei, die Schichten zu planen.

Volg-Bereichsleiter Jakob hat zudem gerade eben einige Zusagen auf die ausgeschriebenen Stellen erhalten. Er ist zuversichtlich, dass er noch vor Saisonbeginn genug Personal für die Filialen in Bellwald und auf der Bettmeralp findet. (aargauerzeitung.ch)

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63 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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lumpensammlerin
30.11.2022 07:17registriert Mai 2019
Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber eine befristete Saisonstelle in einem Skigebiet als Verkaufsperson, vom Lohn dann noch eine überteuerte Saisonwohnung mieten, alles mit dem Wissen, dass ab April wieder Schluss ist.
Da müsste der Lohn schon ziemlich krass sein.
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Pragmatiker17
30.11.2022 07:29registriert Juni 2018
Ja, das Schild und der Artikel zeigen die Misere, der Betriebe, die über angeblichen Personalmangel klagen. Wem nützt schon eine befristete Teilzeitstelle mit lediglich Stunden- oder tageweise Einsätzen?

Unbefristete Vollzeitstellen bei ausreichender Bezahlung anbieten. Eigentlich ganz einfach.
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Schlüsselblüemli
30.11.2022 07:44registriert April 2020
Öffnungzeiten anpassen (reduzieren). Natürlich werden sich etliche ZürcherInnen wieder göttlich aufregen, aber damit muss man leben. Wichtig ist der Hinweis au die „Notlage“.

Von mir aus muss auch das Housekeeping nicht täglich mein Bett machen, dann erwarte ich aber auch tiefere Preise (und nicht steigende..).

Die Attraktivität von Saisonstellen hat drastisch abgenommen, auch bei den Jungen.
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