Viermal pro Jahr treffen sich die acht mächtigsten Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Wirtschaftslobby, um sich abzusprechen. 90 Minuten lang wird getagt und diskutiert. Die zentrale Frage: Wie soll man künftige politische Entscheide zugunsten von Firmen und Farmern beeinflussen?
Diese «Spitzentreffen», wie die Sitzungen intern genannt werden, sind eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Dem «Tages-Anzeiger» liegt jedoch das Beschlussprotokoll der letzten Sitzung vom 12. Dezember 2022 vor. Es gibt Einblick in Dynamik und Vorgehensweise der jüngsten Allianz der Schweizer Politik.
Am Spitzentreffen nehmen die vier grössten und wohl wichtigsten Wirtschaftsverbände der Schweiz teil: Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband. Sie sind je von einem Präsidenten und einem Direktor respektive einer Direktorin vertreten.
Die Allianz ist, soweit bekannt, noch recht jung. Zum ersten Mal machte sich die Gruppe im Juli 2022 bemerkbar. Damals berichtete die «NZZ am Sonntag» unter der Schlagzeile «Der grosse Kuhhandel», dass die Unternehmensverbände mit den Bauern einen Pakt geschlossen hätten. Das Ziel der Allianz sei, Links-Grün im Parlament in Schach zu halten und Abstimmungen zu gewinnen.
Grosse Reaktionen gab es damals aber keine, die Lobby-Allianz wurde kaum richtig ernst genommen. So fragte die «Bauernzeitung»: «Wie lange hält die Viererkiste?» Auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth spottete über das Bündnis.
Wer es aber tatsächlich ernst meint, ist die Kuhhandels-Allianz selber. Nationalrat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, erklärt auf Anfrage des «Tages-Anzeigers»: «Wenn immer die Wirtschaft gespalten ist, nutzen unsere links-grünen Gegner dies aus.» Nun soll der Vorwurf einer gespaltenen Wirtschaft ein für alle Mal vom Tisch gefegt werden.
Es werden konkret sechs aktuelle Parlamentsgeschäfte behandelt. Bei manchen Themen konnte sich die Allianz rasch auf eine Position einigen, wie beispielsweise bei der neuen OECD-Mindeststeuer. Bei anderen Traktanden gehen die Meinungen dann doch mehr auseinander.
So zum Beispiel bei der Biodiversitäts-Initiative. Das Ziel dieser ist, den Verlust der Artenvielfalt in der Schweiz zu stoppen. Wirtschaft und Landwirtschaft sind sich in einem Punkt einig: Die Initiative geht zu weit. Aber dann scheiden sich schon die Geister. Economiesuisse befürwortet den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates, während sich der Bauern- und der Gewerbeverband konsequent gegen Initiative und Gegenvorschlag wehren.
Wie hat man sich also Allianz-intern geeinigt? Wie aus dem Protokoll hervorgeht, konnten die Bauern die Überhand gewinnen. Im Traktandum 2, unter «Beschlüsse», wird Folgendes festgehalten:
Monika Rühl, Geschäftsführerin bei Economiesuisse, kann (oder will) gegenüber dem «Tages-Anzeiger» kein abschliessendes Statement dazu abgeben. Derzeit warte ihr Verband ab, ob das Parlament im Grundsatz überhaupt einen Gegenvorschlag wolle. Falls nein, sei das Geschäft ohnehin vom Tisch. Falls ja, werde Economiesuisse ihre Mitglieder nochmals konsultieren – und dann ihre definitive Position festlegen.
Ein klassisches Thema, bei dem sich Unternehmen und Landwirtschaft uneinig sind, ist der Freihandel. Exporteure brauchen dringend Freihandelsabkommen, während Bauern billige Agrarprodukte aus dem Ausland fürchten.
Auch bei der Sitzung vom 06. Dezember wurden die Diskussionen zum Thema aufgegriffen. Dass sich die Teilnehmer einigen konnten, ist unwahrscheinlich und geht auch nicht aus den Unterlagen, die dem «Tages-Anzeiger» vorliegen, hervor. Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes und Gesicht des Kampfs gegen die beiden Agrar-Initiativen von 2021, bestätigt:
Es sei (noch) nicht möglich, bereits jetzt eine gemeinsame Position von Grosskonzernen und Bauern zu finden, wenn es um den Freihandel geht, da die einzelnen Abkommen schlicht zu unterschiedlich sind.
Dass die drei Unternehmerverbände sich zusammentun, ist nichts Neues – bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Versuche, die Zusammenarbeit zu verbessern. Dass nun der Bauernverband dabei ist, dürfte dem Einfluss der Allianz sicherlich nicht schaden. Die Bauernlobby gilt als eine der einflussreichsten überhaupt. So haben die Bauernvertreter in den letzten Jahren praktisch alles, was ihnen wichtig war, im Parlament durchboxen können.
«Wir können von den Bauern lernen, wie man wirksames Lobbying betreibt», sagt Gewerbepräsident Regazzi. Und auch Bauern-Chef Markus Ritter ist überzeugt davon, dass die Firmen von seiner Unterstützung profitieren – so wäre die AHV-Reform ohne sein Mitwirken im September 22 an der Urne abgelehnt worden. Im Gegenzug unterstützt die Wirtschaft ihn nun bei der geplanten Agrarreform 22+.
Aber was konkret bezwecken die Hintergrund-Machenschaften der Allianz und wo setzen sie an? Traktandum 8 zum geplanten «Bundesgesetz über die Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten» gibt Aufschluss.
So will die Allianz verhindern, dass das Geschäft der «falschen» Kommission zugeteilt wird (nämlich der Rechtskommission anstelle der bevorzugten Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK). Es werden sogar konkret Namen genannt, über welche der Gewerbeverband Einfluss nehmen soll:
Ständeratspräsidentin Häberli ist nicht beeindruckt: Solche Einflussversuche seien Alltag im politischen Geschäft und kämen von allen Seiten. «Doch das lässt mich kalt», sagt die Mitte-Frau. Sie entscheide stets nach rein inhaltlichen Kriterien.
Am 27. Februar entschieden die Büros von Ständerat und Nationalrat, dass die WAK für das Gesetz zuständig sind. Wie weit die Kuhhandels-Allianz dahintersteckt, sei dahingestellt – ihr Anliegen konnten sie durchsetzen.
(cpf)
Oder haben wir mit dem Lobbyismus die Korruption legalisiert?
Jaja, ich weiss, ist nicht neu.
Dass sich aber Geld und Gülle ganz öffentlich ins gleiche Bett legen - das ist neu.
Sie ist komplett unehrlich!
Die SVP gibt vor, für den kleinen Arbeiter zu politisieren - tut aber (abgesehen davon, dass sie sich für weniger Armutsmigation einsetzt) genau das Gegenteil!
Klar - auch die FDP und andere Parteien haben‘s jeweils nicht so mit der Ehrlichkeit, aber dass die eigene Basis derart verascht wird, gibt’s nur bei der SVP.
Bsp unter vielen:
- Steuersenkungen
- Abbau Leistungskatalog
von öffent. Schulen und Spitälern
- Abbau öff. Verkehr
- Stärkung Rechte von Immobilienbesitzern / Vermieter
Etc Etc