Ein Jahr nach dem CS-Debakel soll alles so bleiben, wie es ist
Der Satz ist ein Klassiker. Der Autor dieser Zeilen zitiert ihn nicht zum ersten Mal. «Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist», heisst es sinngemäss im epochalen Roman «Der Leopard» von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Ein Jahr nach dem Kollaps der Credit Suisse wird man den Eindruck nicht los, dass es auf dieses Szenario hinausläuft.
Nach dem denkwürdigen Wochenende im März 2023, an dem der Bundesrat per Notrecht die Fusion der ausgebluteten CS mit der UBS verordnet hatte, mangelte es nicht an Ankündigungen und Versprechungen. Denn von einstmals fünf international tätigen Grossbanken ist der Schweiz mit der «neuen» UBS eine einzige geblieben.
«Kein anderes Land hat einen grösseren Bankenkoloss in Relation zur eigenen Wirtschaftsleistung als die Schweiz», kommentierte die «Handelszeitung». Gerät auch die UBS in Schieflage, ist der Schlamassel perfekt. Denn einen Verkauf an eine ausländische Megabank wie HSBC oder JPMorgan Chase kann oder will sich niemand vorstellen.
Schwächstes Glied in der Kette
Dafür sind die mentalen Blockaden zu gross. Also muss die «Monsterbank» UBS möglichst krisenresistent gemacht werden. Vorgeschlagen wurden ein grösseres Eigenkapital, mehr Kompetenzen für die Finanzmarktaufsicht Finma oder ein griffigeres «Too big to fail»-Gesetz. Heute hingegen scheint die Devise zu lauten, alles solle möglichst so bleiben, wie es ist.
Wie gefährlich dies wäre, zeigt die Vorgeschichte. Das Scheitern der Credit Suisse war eines mit Ansage. Nach einer schier unglaublichen Reihe von Skandalen war sie schwer angeschlagen. Als die globalen Finanzmärkte vor einem Jahr durch den Konkurs mehrerer US-Finanzinstitute in Turbulenzen gerieten, galt sie als schwächstes Glied in der Kette.
Ohne Plan B ins Fiasko
Verantwortlich dafür war ein inkompetentes und gieriges Management. Es nahm Kredite auf, um auch in Jahren mit tiefroten Zahlen Boni und Dividenden bezahlen zu können. Der ehemalige Verwaltungsratspräsident Urs Rohner, in dessen Amtszeit sich die meisten Skandale ereigneten, fühlt sich trotzdem nicht für den Untergang verantwortlich.
Diese Uneinsichtigkeit zog sich bis zum bitteren Ende hin. «Bis zuletzt glaubte die Spitze um den Verwaltungsratspräsidenten Axel Lehmann und den Konzernchef Ulrich Körner an eine Wunderheilung des todkranken Patienten», heisst es in einer grossen Recherche der NZZ. Entsprechend sei die Führung der Credit Suisse ohne Plan B ins Fiasko geschlittert.
Enorme Garantiesummen
Dieser Befund wird durch einen Insider bestätigt, der sich am besagten Wochenende im Auge des Orkans aufgehalten hat, also im hermetisch abgeriegelten Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartements. Der mühsamste Teil sei es gewesen, die CS-Bosse vom Ernst der Lage zu überzeugen, erzählte er. Sie hätten nicht wahrhaben wollen, dass es vorbei ist.
Sie mussten sich schliesslich ins Unvermeidliche fügen, die «Zwangsfusion» mit der UBS. Bund und Nationalbank sicherten sie ab mit Krediten und Garantien von 259 Milliarden Franken. Sie wurden am Ende nicht beansprucht oder zurückgezahlt. Der Bund machte sogar einen Gewinn, dank der von der UBS überwiesenen «Versicherungsprämie».
Ausland feiert KKS
Das Signal aber wirkt nach. Wenn eine von bonusgierigen Managern zugrunde gerichtete Bank «gerettet» werden muss, kann der Staat auf einmal riesige Geldsummen aufbringen, die er angeblich nicht hat. Während er bei den «kleinen Leuten» knausert. Dieser Effekt dürfte bei der Annahme der 13. AHV-Rente eine gewisse Rolle gespielt haben.
Es half nichts, dass Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) im Ausland als «weisse Ritterin» gefeiert wurde, die mit ihrem beherzten Eingreifen eine globale Finanzkrise verhindert habe. Ob die Befürchtungen berechtigt waren, wird man wohl nie wissen. Im Inland jedenfalls ist Keller-Sutter unter Druck, wegen des «Too big to fail»-Gesetzes.
Ein Schönwetter-Gesetz
Es war geschaffen worden, nachdem die «alte» UBS während der Finanzkrise 2008 von Bund und Nationalbank gerettet werden musste. Als vor einem Jahr der «Ernstfall» eintrat, kam es jedoch nicht zur Anwendung. Keller-Sutter musste zugeben, dass «Too big to fail» ein Schönwetter-Gesetz ist, nur brauchbar, wenn keine Panik an den Märkten droht.
Damit aber sei es «so nutzlos wie ein Airbag, der nur dann funktioniert, wenn das Auto in der Garage steht», meinte das Finanzportal The Market. Altgediente Parlamentarier wie der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann, der das Gesetz mitgestaltet hatte, machten an der Sondersession zum CS-Debakel ihrem Ärger darüber lautstark Luft.
Hoffen auf die PUK
Im April will das Finanzdepartement seinen Bericht zur «Too big to fail»-Problematik vorlegen. Es wird sich zeigen, ob und wie das Gesetz «krisenresistenter» gemacht werden kann. Ein mögliches Instrument ist der Public Liquidity Backstop (BLP), eine staatliche Notfallhilfe für die Sanierung systemrelevanter Banken. Vor einem Jahr gehörte er zum Notrechtsplan.
Die Mitglieder der Credit-Suisse-PUK
Weitere Aufklärung erhofft man sich von der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) unter Leitung der Freiburger Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot. Sie tagt unter grösster Geheimhaltung und wird ihren Bericht wohl nicht vor Ende Jahr veröffentlichen. Eine PUK ist ein scharfes Instrument, und doch fragt man sich, ob sie Folgen haben wird.
SVP macht Rückzieher
Die Gegner von mehr staatlicher Regulierung bringen sich jedenfalls schon in Stellung. Dazu gehört nicht unerwartet die SVP, die vor einem Jahr noch auf der Welle des Volkszorns mitgesurft war und mit markigen Worten gefordert hatte, es dürfte keine Bank mehr geben, die «too big to fail» sei. Nun aber rückt sie von solchen Forderungen ab.
In der gerade abgelaufenen Frühjahrssession liess die SVP zwei eigene Vorstösse an die zuständige Kommission zurückweisen. Ihre Begründung: Man wolle erst die Pläne des Bundesrats und den PUK-Bericht abwarten. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sprach von einem «Gipfel der Heuchelei» und meinte, die Bankenlobby habe die Partei «wieder im Griff».
Bankiervereinigung auf der Bremse
Der Verdacht drängt sich auf, denn in der Vergangenheit war die SVP stets eine verlässliche Verbündete des Finanzplatzes. Die Bankiervereinigung gab letzte Woche an ihrer Jahresmedienkonferenz den Tarif durch. Ihr Chef, der frühere UBS-CEO Marcel Rohner, will die bestehende Bankenregulierung mit «zielgerichteten» Massnahmen ergänzen.
So befürwortet die Vereinigung eine verstärkte Verantwortlichkeit von Bankmanagern. Ob sie konkret etwas bewirken würde, ist zumindest fraglich, vor allem im Fall von ausländischen Kaderleuten, die sich mit ihren Boni längst aus dem Staub gemacht haben. Nichts wissen wollen die Banker hingegen von verschärften Vorschriften zum Eigenkapital.
Zahlreiche Klagen eingereicht
Experten fordern ein Eigenkapital von bis zu 20 Prozent der Bilanzsumme. Dies würde die UBS faktisch «unangreifbar» machen. Die Kosten aber wären enorm, weshalb auch die UBS-Führung dagegen ist. Weiter lehnt die Bankiervereinigung eine Bussenkompetenz für die Finma ab, obwohl Aufsichtsbehörden im Ausland längst darüber verfügen.
Die Vorgaben an die (bürgerliche) Politik sind damit klar. Ohnehin wird die Aufarbeitung des CS-Debakels Zeit in Anspruch nehmen, vor allem der Vollzug der Fusion und die notwendige «Flurbereinigung» durch die UBS. Die Justiz ist ebenfalls gefordert, denn CS-Kleinaktionäre und Obligationäre haben Klagen gegen ihre «Enteignung» eingereicht.
Die Erfolgschancen werden unterschiedlich bewertet. Politisch werden einige Hoffnungen mit dem PUK-Bericht verbunden. Je mehr sich die Lage beruhigt, umso mehr aber ist zu erwarten, dass sich Bankenlobby und Bürgerliche mit der Devise durchsetzen werden: Wir wollen ja, dass sich alles ändert. Aber am Ende soll alles so bleiben, wie es ist.
