Die Zunft zur Meisen wurde 1336 gegründet und gehört damit zu den ältesten und grössten Zunfthäusern. Trotzdem oder eben genau deswegen haben sie beschlossen, frischen Wind in die Sechseläuten-Tradition zu bringen: In der Zunft zur Meisen sind seit letztem November nämlich auch Zunftstöchter willkommen.
Zunftmeister Gustav Schulthess sagt gegenüber watson, dass dieser Entscheid nicht etwa spontan gefällt, sondern während Jahren abgewägt wurde. Man habe innerhalb der Zunft debattiert und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich der Frauenfrage annahm. «Wir haben dann eine Lösung gefunden, die von drei Vierteln der Zünfter gutgeheissen wurde.» In der Zunft zur Meisen sei es so, dass die Söhne der Zünfter an den Anlässen teilnehmen dürfen. Diese Regel wurde Ende des letzten Jahres ausgeweitet auf die bis 30-jährigen Töchter der Mitglieder. Während einer fünfjährigen Probephase werden die neuen Regeln nun ausgetestet. Wer über 30 ist, muss kostenpflichtig von einem Zünfter eingeladen werden – auch hier dürfen neuerdings Frauen eingeladen werden.
Die Mitgliedschaft ist jedoch weiterhin den Männern vorbehalten. Die Zünfter sind jene, die über einen Partizipationsschein verfügen. Sie dürfen beispielsweise über den Vorstand der Zunft mitentscheiden – dieses Recht erhalten nur männliche Bürger der Stadt Zürich.
Auch eine Zunft habe sich öffentlich zu positionieren, erklärt Schulthess: «Auch wenn wir sozusagen ein Privatklub sind, tragen wir als eine der grössten historischen Zünfte eine gewisse Verantwortung.» Die Zunft zur Meisen vertrete überdies eine liberale Haltung. «Es macht keinen Sinn, die Hälfte der interessanten Menschen auf dieser Welt einfach auszuschliessen.» Von verschiedenen Seiten sei die Frage laut geworden, welche Rolle künftig die Frauen in der Zunft spielen könnten.
«Es gab auch Männer, die befürchteten, dass die Stimmung in unserem Zunfthaus dann eine andere sei. Oder, dass die Gesprächsthemen sich verändern», gibt Schulthess zu. Er habe dann gekontert, dass man sowieso keine Gespräche haben wolle, die man nicht auch im Beisein von Frauen führen könne. Der Grossteil der Mitglieder stellte sich jedoch hinter das Vorhaben – und sollte Recht behalten. Seit November 2022 hätten bereits drei Anlässe mit teilnehmenden Frauen stattgefunden, die «bestens funktioniert» hätten. Die Anlässe seien seither auch besser besucht, meint Schulthess. Ob das an den Frauen liege oder daran, dass Corona vorbei ist, sei jedoch schwierig zu beurteilen.
Aber nicht alle sind begeistert: Einige Zünfte hätten seit diesem Beschluss eine Statutenänderung vorgenommen, die Frauen in der Zunft ausdrücklich verbietet. Andere Zürcher Zünfte hingegen seien dadurch dazu angeregt worden, sich selbst mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
Dieses Jahr ist das Maisenzunfthaus gestossen voll, 230 Teilnehmer ziehen am Montag im Namen der Zunft zur Meisen durch die Strassen von Zürich. Bisher durften nur die «Wenthalermeitli» unter 14 Jahren mitlaufen beim Umzug, dieses Jahr sind zum ersten Mal wieder 20 bis 30 Frauen mit dabei.