«Verbrennungschirurgie hat mit Demut zu tun», sagte Clemens Schiestl, Leiter des «Zentrums Kinderhaut», gestern vor den Medien in Zürich. «Wir können zwar Leben retten, aber wir wissen: Alles was wir tun, endet in Narben.» Die aktuellen Ergebnisse würden nun aber Licht ans Ende des Tunnels bringen. Dieses Licht ist im Labor kultivierte Haut aus eigenen Zellen. Das Kinderspital Zürich hat damit einen Durchbruch geschafft. Im Rahmen einer Studie verpflanzte sie erfolgreich solche Haut.
50 bis 60 Prozent der Patienten, die in der Abteilung für plastische und rekonstruktive Chirurgie behandelt werden, sind Kinder. Ein grosser Teil der Betreuung sei psychosoziale Arbeit. «Wir wollen aber nicht nur die Narben auf der Seele sondern vor allem auch jene, auf der Haut eliminieren», sagte Schiestl.
Diesem Ziel sind die Forschenden nun einen grossen Schritt näher gekommen. Sie haben aus menschlichen Zellen einen Vollhaut-Ersatz für die klinische Anwendung hergestellt. Dieser besteht aus Ober- und Unterhaut sowie selbsterneuernden Stammzellen.
Zuerst wird im Speziallabor ein Stückchen Haut des Patienten in Schichten zerteilt und mit Hilfe von Enzymen in die einzelnen Zelltypen zerlegt. «Eine briefmarkengrosse Probe reicht für beliebig viel Haut», sagte Zellbiologe Ernst Reichmann. Vier bis fünf Wochen dauert die Herstellung im Labor.
Zehn Kindern und Jugendlichen zwischen 7 und 17 Jahren ist dieser Hautersatz seit Sommer 2014 transplantiert worden. Sie litten unter unterschiedlichen Hautproblemen wie Verbrennungen, Narben oder Muttermalen. «Für die erste Phase der Studie mussten es Patienten mit keinen schweren Verletzungen sein», sagte Martin Meuli, Direktor der Chirurgischen Kinderklinik.
Die Transplantate durften zudem nicht grösser als 50 Quadratzentimeter sein. Die Forschenden mussten beweisen, dass das Produkt unschädlich und die Patientensicherheit gewährleistet ist. Die kantonale Ethikkommission und Swissmedic machen strenge Vorgaben für solche Untersuchungen.
Die Resultate hätten klar aufgezeigt, dass der klinische Einsatz von laborgenerierter Haut beim Menschen möglich ist, sagte Meuli. «Bei keinem der zehn Patienten sind Infektionen aufgetreten.» Verglichen mit der aktuellen Methode schneide die Haut aus dem Labor ebenso gut und in gewissen Fällen sogar besser ab.
Gewisse Probleme sind noch vorhanden, wie Meuli sagte. Als Beispiel nannte er etwa die Unterblutung. Aber auch dafür würden noch Lösungen gefunden. «Wir sind mit der Ersatzhaut schon sehr nahe an der normalen Haut.»
Für die zweite Phase ist nun eine weitaus grössere Testserie mit mehr Patienten geplant. «Wir müssen zeigen, dass das Hautkonstrukt auch bei lebensbedrohlichen und grossflächigeren Verletzungen effizient und besser ist als das, was wir bis jetzt haben», sagte Zellbiologe Reichmann.
Bei diesem Test werden nun auch Erwachsene einbezogen, denn bei den Kindern gibt es pro Jahr gemäss Schiestl nur zwei bis drei lebensbedrohliche Fälle. Statt 50 Quadratzentimeter sollen zudem Transplantate von 200 Quadratzentimetern getestet werden. Die Forscher warten noch auf die nötigen Bewilligungen.
Bisher nahmen die Ärzte bei Verbrennungen meistens Haut vom Kopf des Patienten. Die Oberhaut mit einer dünnen Schicht Unterhaut kommt dabei auf die verbrannte Körperstelle. Da die Schicht der Unterhaut sehr dünn ist, schrumpft und vernarbt diese aber. Kinder im Wachstum müssen daher durchschnittlich alle zwei Jahre unters Messer.
Mit der Haut aus dem Labor sollen diese Korrekturoperationen dereinst nur noch alle fünf bis sechs Jahre nötig sein. Sie kann im Gegensatz zur herkömmlichen Methoden in nur einer Operation aufgesetzt werden und soll besser mit dem Körper des Kindes wachsen.
Ernst Reichmann und sein Team von der Tissue Biology Research Unit (TBRU) arbeiten seit 15 Jahren am Projekt «Euro Skin Graft». Nur in Cincinnati (USA) und in Québec (Kanada) forschen Gruppen ebenfalls an der Herstellung von Ersatzhaut. «Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer zuerst ein Produkt auf den Markt bringt», sagte Meuli. (sda)