Die Pressekonferenz ist beendet.
Suizidkapsel «Sarco» offiziell in Zürich präsentiert – erster Einsatz noch in diesem Jahr
Der Wirbel um die ominöse Suizidkapsel «Sarco» begann im Dezember 2021. Damals berichtete swissinfo erstmals über das futuristisch aussehende Gerät, in welchem Menschen freiwillig aus dem Leben scheiden können. Es hiess, dass es «keine rechtlichen Hindernisse» für den möglichen Einsatz der Kapsel in der Schweiz gebe. 3,5 Jahre später wartet die Kapsel allerdings noch immer auf ihren ersten Einsatz in der Schweiz.
Die neue Sterbehilfeorganisation namens «The Last Resort» stellte die «Todeskapsel» Sarco am Mittwoch offiziell in Zürich vor.
Das sagt «The Last Resort» zum Einsatz der Kapsel
Die vor einigen Monaten gegründete Sterbehilfeorganisation «The Last Resort» (Der letzte Ausweg) hat am Mittwoch in Zürich Stellung zur Suizidkapsel «Sarco» bezogen. Ziel der einberufenen Pressekonferenz sei es, Falschmeldungen in den Medien Einhalt zu gebieten, so Fiona Stewart, Rechtsanwältin, Gründungsmitglied der Organisation und Ehefrau von Kapselerfinder Philip Nitschke. Mit ihr anwesend war Co-Präsident Florian Willet, der gleich zu Beginn offen preisgab, eines Tages in der Kapsel sterben zu wollen.
Sie beide stellten sich den Fragen der Journalistinnen und Journalisten, um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Die Stimmung war von Beginn weg frostig. Die beiden Organisationsmitglieder machten deutlich, dass sie mit der bisherigen Berichterstattung über die Suizidkapsel nicht einverstanden waren.
Kürzlich hiess es etwa in einem Medienbericht, dass eine Person diese Woche mithilfe der Suizidkapsel im Wallis aus dem Leben scheiden wolle. Der Walliser Kantonsarzt liess den Einsatz aber vorsorglich verbieten. Auch die Schaffhauser Staatsanwaltschaft äusserte bereits Bedenken. Auf die im Wallis und in Schaffhausen angesprochene Situation antwortete Willet gereizt:
Stewart warf ein:
Die beiden machten klar, dass sie keine Details über Korrespondenzen mit Kantonen und schon gar keine Informationen über den ersten möglichen Einsatz der Kapsel preisgeben würden. Sie zeigten sich aber überzeugt, dass der erste Einsatz noch dieses Jahr erfolgen werde.
Das Angebot von «The Last Resort»
Statt über legale Hindernisse – von denen es keine gebe, wie Steward und Willet immer wieder betonten – wollten die beiden lieber über die Benutzung und das Konzept der Suizidkapseln sprechen. Bei der Kapsel handle es sich um «kein Spielzeug» oder ein «fancy Lifestyle-Produkt», wie dies von den anwesenden Journalistinnen und Journalisten immer wieder angetönt wurde. Auf die Frage, wieso die Kapsel denn so elegant und schön aussehe, antwortete Willet schnippisch:
Bei der Kapsel gehe es darum, den Menschen ein so schönes Ableben wie möglich anzubieten. Dabei dürfe sie nur von Personen benutzt werden, die sich zuvor einer eingehenden Untersuchung unterzogen haben und als zurechnungsfähig eingestuft worden sind.
Am Geld soll das würdige Sterben nicht scheitern. Für die Benützung der Kapsel fallen laut Stewart lediglich Gebühren in Höhe von 18 Franken für den Stickstoff an. Das sei bewusst so, erklärt sie:
Finanziert würde die Organisation durch Mitgliederspenden. Um die Kapsel zu benutzen, müsse man aber nicht zwingend Mitglied sein.
Wie funktionieren die Suizidkapseln?
Die Kapsel könne von innen aktiviert werden, erklärte der australische Arzt Philip Nitschke bereits 2021 gegenüber swissinfo. Er ist der Entwickler hinter «Sarco». Was die Kapsel von anderen Sterbehilfe-Angeboten abhebt, ist die grosse Mobilität. Nitschke führte aus:
Die Person steige in die Kapsel und lege sich hin. Es sei «sehr bequem». Im Innern der Kapsel liegend, müsse die Person noch eine Reihe von Fragen beantworten. Erst dann kann sie den Knopf drücken, der alles beenden soll.
«Die Kapsel ist auf einem Gerät montiert, das den Innenraum mit Stickstoff flutet und den Sauerstoffgehalt von 21 sehr schnell auf ein Prozent reduziert», erklärte Nitschke an der Pressekonferenz in Zürich. Bereits nach zwei Atemzügen werde man nach kurzen Gefühlen von Desorientierung oder Euphorie bewusstlos, der Tod trete innerhalb von fünf Minuten ein. Konkret:
Lass dir helfen!
Du glaubst, du kannst eine persönliche Krise nicht selbst bewältigen? Das musst du auch nicht. Lass dir helfen.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Stellen, die rund um die Uhr für Menschen in suizidalen und depressiven Krisen da sind – vertraulich und kostenlos.
– Die Dargebotene Hand: Tel 143, www.143.ch
– Beratung + Hilfe 147 für Jugendliche: Tel 147, www.147.ch
– Reden kann retten: www.reden-kann-retten.ch
Wer betreibt sie?
Philip Nitschke ist australischer Arzt und hat das in Australien registrierte Unternehmen Exit International gegründet. Dieses Unternehmen – welches in keiner Verbindung zur Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit steht – vertreibt die Suizidkapseln.
In der US-amerikanischen Onlinezeitung Huffington Post erklärte er 2019, wieso er die «Todesmaschine» erfunden hat. Vor über 20 Jahren sei er der erste Arzt der Welt gewesen, der vier seiner todkranken Patienten eine legale, tödliche, freiwillige Injektion verabreicht habe.
Mit seiner wachsenden Erfahrung im Feld habe sich seine Sichtweise geändert: Es ging nicht mehr nur über die Unterstützung eines würdigen Todes von todkranken Menschen. Stattdessen wollte er das Konzept eines guten Todes auf jegliche vernünftige Erwachsene mit Lebenserfahrung ausweiten. Er fragte sich:
Zur konkreten Entwicklung der Kapsel habe ihn ein britischer Mann namens Tony Nicklinson inspiriert, der am locked-in Syndrom gelitten hatte, heisst es auf der Webseite von Exit. Beim Locked-in-Syndrom ist der Körper vollständig gelähmt, einzig die Augen können bewegt werden. Nicklinsons Anwälte baten Nitschke deshalb darum, ein Gerät zu entwickeln, welches über Augenzwinkern aktiviert werden könne. Nitschke machte sich an die Arbeit, Nicklinson starb aber noch, bevor das Projekt beendet werden konnte.
Was wird an der Kapsel kritisiert?
Die Suizidkapsel löste in der Vergangenheit bereits Kritik aus. So stellen einige Experten infrage, wie schnell der Freitod durch Stickstoff tatsächlich ablaufe. Als im Januar in den USA erstmals ein Mörder durch Ersticken mittels Stickstoff hingerichtet wurde, kritisierten Experten der UN dies harsch.
Zeugen hätten berichtet, der Getötete sei mehrere Minuten bei Bewusstsein geblieben, «während er auf der Trage zuckte und sich krümmte, nach Luft schnappte, an den Fesseln zerrte und in langer Agonie heftig zitterte». Nitschke erklärte sich dies damit, dass bei der Hinrichtung eine Maske angewandt wurde, durch welche der Stickstoff in den Körper gelangte. Diese berge das Risiko, dass der Sterbeprozess verlängert werden könnte.
An der Pressekonferenz wurde «The Last Resort» mit diesem Ereignis konfrontiert. Der Tod durch Stickstoff sei nicht friedlich vonstattengegangen, hiess aus den Reihen der Presse. Florian Willet, Co-Präsident von «The Last Resort» entgegnete darauf:
Man rede von Personen, die gegen ihren Willen getötet würden, Person, die sich dagegen wehrten. Dies könne man nicht vergleichen. Auch Philip Nitschke ergänzte an der Pressekonferenz, dass so etwas in der Suizidkapsel nicht passieren werde, zudem funktioniere diese perfekt.
Wie ist das jetzt mit der Zulassung?
Eigentlich hätte «Sarco» erstmals in der Schweiz zum Einsatz kommen sollen. Die Person, die als weltweit Erste in der Todeskapsel aus dem Leben scheiden wollte, sei gemäss Medienberichten schon in die Schweiz gereist. Wie es scheint, umsonst.
Nitschke springen nach und nach die Kantone ab. Erst drohte der Kanton Schaffhausen mit «ernsthaften juristischen Konsequenzen», sollte seine Todeskapsel im Kanton eingesetzt werden. Auch der Kanton Wallis sagte ab. «Die Gesundheitsbehörde hat mit sofortiger Wirkung beschlossen, die Verwendung des Sarco auf unbestimmte Zeit zu verbieten», sagt der stellvertretende Kantonsarzt Cédric Dessimoz gegenüber 20 Minuten.
Für Dessimoz liegt das Hauptproblem im Verstoss gegen das Heilmittelgesetz:
Nitschke habe die Behörden nicht informiert, weswegen unklar sei, welche Rolle der Arzt bei dieser Suizidhilfe spielen und wie das Sarco und das verwendete Gas funktionieren würden, sagt Dessimoz gegenüber 20 Minuten weiter. Nur eines konnte die Gesundheitsbehörde feststellen, sagt er, nämlich dass Nitschke in der Schweiz nicht als Arzt zugelassen sei.
Exit Schweiz sieht keinen Bedarf an Kapsel
Für die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit ist die Suizidkapsel kein Thema. Auf ihrer Webseite schreibt die Organisation:
Zudem schätzten es die betroffenen EXIT-Mitglieder und deren Angehörige, dass sie beim Sterben nicht voneinander getrennt seien. In den letzten Minuten könnten sie sich bei Bedarf noch berühren und halten.
Wie sie sterben wollen, ist letztendlich den Menschen selbst überlassen. Glaubt man den Aussagen von The Last Resort, spricht aus juristischer Sicht nichts gegen den Einsatz der Suizidkapsel. Wann diese aber zum ersten Mal eingesetzt werden soll, ist noch immer unklar.
Gibt es eine Altersbeschränkung?
Die Pressekonferenz ist beendet.
Was passiert, nachdem die Person in der Kapsel gestorben ist?
In einer liberalen Gesellschaft sei alles erlaubt, bis eine Person es verbietet, ergänzt Florian.
Was ist, wenn Personen in der Kapsel doch nicht sterben wollen?
Zur Anwendung von Stickstoff in Hinrichtungen
Was in diesem Fall passiert sei, werde mit der Suizidkapel nicht passieren. Es sei ein grosser Unterschied, ob man sterben wolle oder nicht. Wenn man in der Suizidkapsel sterben wolle, dann werde das «perfekt» funktionieren.
Darum ging es in dem Fall:
Stickstoff sei bisher erst einmal für eine Hinrichtung in den USA eingesetzt worden, das war nicht friedlich gewese
Gibt es Limite bezüglich der Körpergrösse für eine Benutzung der Kapsel?
Wenn das Gerät nicht funktioniert, wer ist dafür verantwortlich?
Wie viel hat die Entwicklung des Geräts gekostet?
Das Bedürfnis eines medizinfreien freiwilligen Todes sei vorhanden.
Kann die Kapsel auf öffentlichem Grund eingesetzt werden?
Wird dieselbe Kapsel wiederverwendet?
Was kostet die Mitgliedschaft bei The Last Resort?
Wieso soll die Kapsel in der Schweiz eingesetzt werden?
Wie wurde die Kapsel getestet?
Wie geht es jetzt weiter?
Wieso sieht die Kapsel so elegant aus?
Arbeiten Schweizer Ärztinnen und Ärzte mit Ihnen?
In der Schweiz seien medizinische Fachkräfte dafür zuständig, um die mentale Kapazität der Interessierten zu testen, präzisiert der Journalist. Interessierte würden vor der Benutzung einer ausführlichen Untersuchung unterzogen. Der Sarco sei «kein Spielzeug».
Kanton Schaffhausen sagte, er habe nicht genügend Informationen erhalten. Was sagen Sie dazu?
Vor vier Wochen hätten sie plötzlich viel Aufmerksamkeit erhalten, führt Willet fort. Natürlich werden sie gar keine Details zur irgendwelchen Korrespondenzen preisgeben.
Gemäss Walliserbehörden sei Stickstoff für diese Anwendung nicht erlaubt, so ein Journalist
Wird die Kapsel zum Lifestyleprodukt? Insbesondere mit der Inszenierung vor dem Matterhorn?
Wieso müsse der Sarco gebraucht werden, wenn es Medikamente gibt
«Sterbehilfeangebot in der Schweiz ist diskriminierend»
Keine rechtlichen Hindernisse zur Benutzung von Sarco
Wie ist der Stand zur Benutzung in der Schweiz?
«Ich verspreche euch, Sarco wird verwendet werden»
Die Fragerunde ist eröffnet.
